Kring 01, 01. Kapitel, Seite 01

 

 
   
 

 

Kurzes Wort vorweg

Der eine oder die andere werden beim Lesen einzelner Teile verwundern: “Das kenne ich doch schon!” - Richtig! KRING 01 enthält vormals als Kurzgeschichten veröffentlichte Abschnitte. Es soll jedoch versichert werden, dass sie ohnehin für diesen Roman vorgesehen und geschrieben wurden. Erst jetzt fand ich Zeit und Gedanken zur Fertigstellung. - Nach geschlagenen vier Jahren! - Die vormaligen Kurzgeschichten wurden überarbeitet und in Ursprungszustand versetzt, sodass sie nun wieder dort stehen, wohin sie immer gehörten. Ihr Anteil beläuft jedoch auf keine 30 Seiten, bei insgesamt 70 Seiten in neun Kapiteln von KRING 01. Die Fortsetzung “KRING 02” umfängt 77 Seiten und zehn Kapitel. - Viel Spaß und Freude beim Schmökern!


An sich ganz normaler Abend. Ich ging spazieren, es roch irgendwoher nach Regen, Sonne bereits untergegangen, Sommerzeit und es leuchtete noch ein bisschen am westlichen Himmelsrand hinten. Auch der Tag verlief eigentlich völlig normal, wenn man davon absieht, dass ich letzte Nacht gewissermaßen durchmachte, nachdem ich fünf Stunden lang im Bett herumwälzte und aus unerfindlichen Gründen nicht einschlief. Gegen sechs Uhr aufgestanden, Frühstück gemacht und den Tag ziemlich nichtsnutzig verbracht.

So einer von diesen Tagen, mit seinen Stunden und Verläufen, welche dann später auf keinen Fall irgendwie im Gedächtnis bleiben. Nichts Weltbewegendes. Nicht gut, nicht schlecht. Einfach nichts passiert. Nicht einmal das Telefon läutete. Überhört haben konnte ich es auch nicht, denn auf dem Anrufbeantworter hinterließ gleichfalls niemand Nachricht. Mit Geldverdienen somit auch nichts gewesen und es bestand, so gesehen, für nächste Tage auch keine Aussicht an zusätzlichen Zahlungsmitteln.

Seit Jahren schlure ich als schlecht besuchter Wahrsager durchs Leben. Obwohl durchaus änderbar, wenn nur bereit, den vornehmlich Damen und einigen Herren erzählen, was sie gerne hören möchten. Aber nein! Ich kann ja meine Klappe nicht halten, betreibe es in aller Ernsthaftigkeit als Weissager und spreche aus, was notwendig und vollkommen richtig, geschäftlich jedoch grässlichstes Gift bedeutet. Damit schon etliche 'Kunden' vergrault.

Zwar verlangen sie ausdauernd: "Sagen sie mir alles! Ich bin auf alles vorbereitet! Lassen Sie nichts aus!"

Wunderbar, deren umwerfende Wagnisbereitschaft. - Tut man es aber wirklich, entgleisen ihnen fast immer sämtliche Gesichtszüge und unübersehbar überwältigt sieghaft ,Stinksauerheit', wodurch sie genötigt nach Fassung ringen, um nicht aus der Rolle zu fallen und auch nicht vom Stuhl.

Letzteres geht sowieso nicht. Meinen Besuchern steht - wohlweislich vielleicht? - sehr bequemes Sitzmöbel zur Verfügung. Darin versinkt man derart tief... Herausfallen fast ausgeschlossen. Lediglich bleibt: Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist grün! Verärgertes Gesicht von gegenüber Sitzenden, die sich peinlich durchschaut fühlen und am liebsten durch Sesselkissen nebst Sprungfederung im polyacrylteppichbelegten Fußboden versinken möchten.

Unmöglich. Das Zeug ist wirklich nicht sehr saugfähig.

Nun denn! Auf der Straße auch nicht viel los. Na ja, kein Wunder. Zwar mitten in der Großstadt, doch hier weitgehend Wohnstraße. In diesem Stadtteil zu fortgeschrittenen Zeiten gewöhnlich sehr wenig belebt. Es sind dann nur geringfügig Leute unterwegs und benzindurstige Blechsärge fahren auch recht verhalten durch hiesige Gegend. Brummen sie vorbei, übertönt es freilich Hintergrundrauschen großer Stadt. Ähnlich einer Supernova im Weltraum, welche Weißrauschen des Urkrachs weit überstrahlt.

Überall Radau! - Hat man nirgendwo seine Ruhe?

Doch es störte gerade nicht sonderlich. Gewohnheitssache. Es leuchteten halt immer wieder Scheinwerfer auf, strichen an Häuserwänden und abgestellten Fahrzeugen vorbei, schließlich von Helligkeit nächster Straßenlaternen aufgesogen. Wirklich erstaunlich wenige Leute draußen. Sowieso im Gegensatz zum Gewühle innenstädtischer Fußgängerzonen.

Entfernt hinter mir lief eine alte Frau. Sie schien recht hochgewachsen, fiel eigentlich nur wegen ihres merkwürdigen Mantels auf. Dunkler Kapuzenmantel. - Ich dachte lediglich, bei abendlichen Lichtverhältnissen wäre es allerdings besser, man verschmelze nicht mit ebenso dunklen Häuserwänden. Zudem läuft Anfang Juni gemeinhin niemand mit dergestaltem Kleidungsstück herum. Zwar kein sonderlich warmer Abend, kalt aber ganz gewiss nicht. Allerdings gab es in meiner weiteren Nachbarschaft gleichfalls eine Frau, mittleren Alters jedoch, welche Sommers wie Winters mit immer demselben dicken Mantel herumlief. Hier dürften Ähnlichkeiten beider vorliegen, die ergründen mich ganz und gar nicht reizen wollte. Vielleicht fanden sie unabhängig von einander dicke dunkle Mäntel besonders heimelig, mit oder ohne Kapuze.

Als Kinder nannten wir vergleichbare Mäntel und Jacken 'Apfelklauklamotten'. Damit konnte man recht unauffällig an Wochenmarktständen und vor allem bei Selbstbedienungsläden Obst mopsen. Zeitweilig als harmlos kribbelnden Wettstreit betrieben. Die Eine oder der Andere entwickelte hierin ausgesprochene Meisterschaft und brachte es zu hohem Ansehen und Wohlstand, jedenfalls in unseren Augen.

Zu besonderer Kunst erhob gewisser Heiner Schlagowksi, ,Schlackero' genannt, weil er so dürr daherkam und seine Apfelklauklamotten ziemlich an ihm schlackerten. Aber auch sonst sämtliche Sachen die er trug. Dessen Freundschaft und Wohlwollen waren jedem von uns viel wert, dieweil er ständig was verteilen konnte. So viel wie der 'zerrte' konnte er gar nicht selbst verwerten. Sein sächselnder Tonfall wurde dadurch dümmliche Nebensache. Doof nur, dass es bei Kaugummi und ähnlich begehrten Dingen nicht so einfach zu bewerkstelligen. Das Zeug lag in keiner Steige herum und auf dem Wochenmarkt sowieso nirgends. Automaten voll schauerlicher Kaugummikugeln, lieblicher Totenkopfringe und anderem begehrten Krimskrams vermochte leider niemand mittels 'Apfelklauklamottentour' plündern. Von Kinokarten ganz zu schweigen.


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