Knack! Aufgelegt! Verwirrt starrte ich das Handgerät an. "Was war das denn?"
Dunkel und verschwommen beschlich fade Ahnung: Ich hörte diese Stimme schon einmal irgendwo! - Aber wo? - Diese Person tat so, als kenne sie mich und sogar mein Schlafzimmer. Allerdings gibt es sicherlich nicht viele Leute ohne Uhr mit Weckmöglichkeit am Bett. Fast so selbstverständlich wie Füße und Socken oder Jacke und Hose. Peinlich freilich, falls sie irgendeine verflossene Geliebte. Vormals miteinander verlustiert, ewige Liebe und Treue geschworen, auf sie warten wollen und - ganz großes Indianerehrenwort! - diese Nacht ganz sicherlich nie vergessen. Und dann? - Aus den Augen, aus dem Sinn!
"So sind sie, die Männer!" werden jetzt nicht wenige, vornehmlich Weibliche wieder sagen, mit nackten Fingern anklagend zeigen. Nur, ,so' bin ich nun eben doch nicht! Auch wenn schnellem Abenteuer ganz und gar nicht abhold, merken tu' ich mir daran beteiligte durchaus. Erst recht, wenn es eigentlich ganz nett verlief. Kann man ja gerne wiederholen. Oder ist da jemand anderer Ansicht?
In diesem Falle konnte ich nichts zusammenreimen. Und weil schon öfter alberne bis unanständige - lechz! - Anrufe eingingen, legte ich eben erhaltenen unter diesem Ordnerdeckel vorerst ab. Glücklich rechtzeitig kam vor Tagen getroffene, geschäftliche Abmachung ins Gedächtnis: Heute, am frühen Abend! Irgendwie muss die Mark schließlich rangeschafft sein.
Zur Küche, 'eine qualmen'. Dringlich erneuerungsbedürftige Tapeten angestarrt. Vorwurfsvoll schwiegen Wände mit verunzierten Papierbahnen verbissen und beleidigt entgegen. Scheußlich! Da muss wirklich mal neues aufgeklebt werden.
Sehr ungewöhnlicher Anruf zumindest, passte in keine bislang vorhandene Schublade... Achte auf deine Träume... Du erhältst in Kürze eine Mitteilung... Neben dem Wecker liegt, was du brauchst...
Die Pimmeltüten waren damit doch wohl nicht gemeint oder doch? - Quatsch!
Was träumte ich letzte Nacht? - Auf schöner Waldlichtung erschien meine Mutter, Waschschüssel dabei und nervte. Zuvor lief noch irgendwas mit einem Hinterhof ab. Dunkle Erinnerung. Ein gotisches Tor oder so was ähnliches geisterte auch noch durch. Und das soll echt und wirklich sein? Längst verblichene Mutter, waschschüsselbewaffnet in einer Waldlichtung auf einem innenstädtischen Hinterhof spukend und nervend? - Du liebe Zeit!
Die Stimme aus dem Telefon! - Eisiger Schauder rann über ganzen Körper. - Diese Stimme hörte ich letzte Nacht im Traum! Der Supermarkt, Autos, die Frau, die Straße und der Schatten, ein Sturz, das Tor! Die Durchfahrt, drei Buchstaben! Im Bruchteil eines Augenblickes raste Erinnerung durchs Hirn. Lähmende Verwirrung.
Drehe ich jetzt durch?
Neben dem Wecker soll doch etwas liegen das ich brauche und gut aufbewahren müsse. Mit entschiedenem Ruck vom Küchenstuhl hoch und ins Schlafzimmer. - Eine Schachtel. Unauffällig, nichts besonderes. Vorher gar nicht groß wahrgenommen. - Oder doch? - Ockerbrauner Lacküberzug, matt glänzend. Etwa fünf Zentimeter hoch, breit und lang. Also würfelförmig. Ansonsten wohl Pappe. Zittrig vor Erregung hochgenommen und Deckel gelüftet. Der Gegenstand darin ähnelte viel zu kleinem Kinderbrummkreisel.
Der Kreisel!
Erneuter eisiger Schauer. Diesmal stechend durch Mark und Bein. Versteinerndes Verstehen. Etwas musste vollkommen aus meinem Gedächtnis verschwunden sein. - Zum eigenen Schutz? Das menschliche Unterbewusstsein - Seele - schaltet solchen Schutzmechanismus vor, um geistige Gesundheit nicht zu gefährden. Es musste etwas vorgefallen sein, das ich nicht wahrhaben wollte aber wahr ist. Schlicht aus Wachbewusstsein getilgt, lagerte dasjenige in dunklen Tiefen und Verliesen des Unbewussten. Scheibchenweises Erkennen, damit kein bleibender Schaden entstehe. Dem Himmel sei Dank für weise Umsicht.
Stimmt! Im Halbschlaf ersten Erwachens am früheren Morgen sah ich den Kreisel bereits liegen, muss ihn dann in dazugehörende kleine Schachtel gepackt haben, vergaß alles transusig und schlief wieder ein. Beim letzten Aufwachen fiel mir dann nichts mehr auf, weil das merkwürdige Ding nicht in Sicht. Und da war ja auch dieser Verband am rechten Ellbogen gewesen... Wo ist der abgeblieben?
Kurzer Rundblick im verwüsteten Schlafzimmer. - Da liegt er, auf der anderen Bettseite! Anscheinend wickelte ich mir das Stoffstück genauso gedankenlos und verschlafen vom Arm und warf es einfach irgendwo hin. Leicht schmerzelndes Ziehen im Arm...
Die Straße, wo alle Verwirrung begann und herrührt! Ich muss sie finden! - Entschlossen in den Keller.
Erheblich dunkler als in der Wohnung. Neuer Schauder rieselte. Jetzt auch noch das. Hier gibt es doch keinerlei Gespenster. Dazu schien es viel zu gewöhnlich. Doch was ist jetzt schon noch gewöhnlich? Aus Gewöhnlichem gerade eben herausgerissen worden. Schlagartig!