Kring 01, 06. Kapitel, Seite 50

 

 
   
 

 


Etwa fünf Minuten später hielt der Wagen, nachdem wir noch weitere dunkle Tunnelstrecken durchrumpelten. Die matt beleuchtete Haltestelle sah genauso aus wie jene, von welcher wir abfuhren. Auf ersten Blick kaum Unterschiede. Ohne das große aufrechte Dreieckszeichen der Stationslängswand, sicher geglaubt, wir seien im Kreis gefahren, wieder dort gelandet wo wir herkamen. Doch ich erinnerte deutlich, in der Haltestelle zuvor prangte ein großes Kreiszeichen an gleicher Stelle.

Wir stiegen aus. Voraus ein Ausgang oder Eingang wie auf der ersten Haltestelle. Allerdings ohne sperrendes Wabern, sondern mit eindrucksvoller Stahltür. Monströser Klingelknopf ragte daneben, ähnelte weiblicher Brust frappierend. Schnell drückte mein schwarzer Freund mehrfach darauf. Ganz bestimmte Abfolge. In dieser Geschwindigkeit konnte ich sie mir nicht merken. Dumpf grollend rollte die stählerne Sperre daraufhin links in die Wand.

Freier Weg führte in auffallend freundlich aussehenden breiten Gang. Mehrere bewehrte Türen. M'Beeki steuerte zur Tür am Ende des großen Korridors, woneben ebenfalls so ein bakelitenes 'Femininum' seines Gebrauchs harrte. Nachdem er auch hier bestimmte Druckabfolge eingab, wahrscheinlich dieselbe, bollerte auch diese Tür links ins Mauerwerk.

Wohnlich und gefällig weitete angenehm ausgeleuchteter Raum. Keine Spur mehr von waschbetongrauer Hässlichkeit. Einladend und anheimelnd. Wurde ja auch Zeit! dachte ich unbescheiden. Zwei Personen blickten uns männlich und weiblich erwartungsvoll entgegen. Das Mobiliar machte sehr soliden Eindruck, erinnerte an reiche Gediegenheit, aus alten Wochenschauen bekannt, wo NS-Größen in weiten Polstern lümmelten. Aus diesen Zeiten mochte diese Einrichtung durchaus stammen. Irgendwie berührte es eigenartig. Mich hätte nicht verwundert, wenn plötzlich jemand in schwarzer SS-Uniform herumsäße.

Glücklicherweise nicht gegeben. Etwa Anfang zwanzig mochte die Frau sein, also noch verhältnismäßig jung. Sie lächelte fast strahlend. Kein sonderlich auffallendes Äußeres. Dunkelbraunes Haar, ganz normale Größe... Aber deren Augen! - Graue Augen, wach, wissend und klug. Der Mann machte keinen unsportlichen Eindruck, setzte gleichfalls freundliches Gesicht auf, schien um einen Meter achtzig groß, vielleicht Mitte dreißig, hellbraune Haare, nicht übermäßig breitschultrig, besaß gleichen wissenden Blick in hellbraunen Augen.

"Hallo, ihr beiden", begrüßte uns die junge Frau. Er nickte freundlich, sagte aber nichts. "Wir wollten uns gerade ein erfrischendes Getränk verschaffen. Sollen wir für euch was mitbesorgen?"

"Klar, gerne", betonte mein schwarzer Führer. Ich nickte zustimmend aber deutlich, obwohl mir eigentlich weniger nach Erfrischung, vielmehr danach, endlich erfahren, was das hier alles sein sollte und wie es mit mir zusammenhinge.

"Ich habe noch eine Arbeit zu erledigen", entschuldigte der vermutliche Mittdreißiger. "Unsere liebe Freundin wird deshalb allein zurückkommen." Beide verschwanden durch ganz normale Tür.

"Ich werde mal eben auch kurz verschwinden", meinte M'Beeki und öffnete einen anderen Durchgang, ging hinaus, ließ die Tür aber offen stehen.

Anscheinend eine Art Wasch- oder Toilettenraum. Wasser plätscherte aus einem Hahn. Geräuschvoll rauschte kurz danach Klospülung. - Was es hier alles gibt! - An sich selbstverständlich, solche Einrichtungen. Zu meinem großen Erstaunen kam aber nicht der ,schwarze Riese' wieder heraus, sondern ein jüngerer Mann. Etwa gleiches Alter wie die weibliche Person, welche nach Erfrischungsgetränken entschwand, also recht jung. Überraschend schlank. Nicht etwa dünn oder dürr oder was man immer dazu sagen mochte, sondern unglaublich schlank. Er wirkte fast schlangenmäßig.

"Hallo!" sagte er mit angenehmer Stimme, schloss die Tür, nahm mir gegenüber in einem der ausladenden Sessel Platz. Unverwandt blickte er mich an, kannte offenbar keine Scheu, machte es einfach. Normalerweise macht man solches nicht. Bei ihm schien es völlig gewohnt. Seinem Blick wich ich nicht aus, tat jedoch, wozu esoterisch Bewanderten stets geraten: Schaue zum Mund, nicht in Augen! Stumme Weile saßen wir einander so gegenüber. "Na?" sagte er schließlich. "Ist wohl eine ganze Menge passiert mit dir in den letzten Tagen oder Wochen, wie?"

"Kann man wohl sagen. Eigentlich gar kein Ausdruck. Das war eine Lawine, die über mich hereinbrach." - Was führt der im Schilde?

Zwischenzeitlich kam M'Beeki zurück, offenbar genügend ausgiebig gewaschen. Er saß mir jetzt schräg gegenüber, breitete gewinnendes schwarzafrikanisches Lächeln in den Raum. Aber das zog jetzt bei mir nicht mehr. Mählich erboste deren allgegenwärtige Gelassenheit, womit ich in Umgebungen und Umstände verstrickt, ohne dass mir jemals hinreichende Erklärung geboten. Was ist eigentlich wirklich Sache und was soll das? Wie schon andere zuvor, trampelte auch M'Beeki aus mehr oder weniger unfrohen Träumen in mein Leben.

"Was zum Henker ist hier eigentlich los?" platzte ich sehr undiplomatisch laut heraus. So laut, dass es nicht einfach überhört werden konnte. Beiden 'Herren' gefror ein wenig das Standardlächeln, ob unüberhörbarer Entschlossenheit. Auf keinen Fall wollte ich die Dinge weiterhin einfach auf sich beruhen lassen. Endlich Aufklärung!


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