Kring 01, 03. Kapitel, Seite 25

 

 
   
 

 


Zumindest Kopfschmerzen und unmögliche Lage im Bett würde es erklären. Zudem fand ich meine reichlich verdreckten Sachen liederlichst aufgehäuft, schmeiße sie gewöhnlich nicht dermaßen durch Räume. - Aber nein! Kein Suffkater! Aus eigener leidvoller Erfahrung stand fest, es äußert anders. Augenblicklich keine Klarheit. Weiterbohren erschien müßig. Bei derartiger Anstrenglichkeit kam gemeinhin nichts heraus. Lösungen entstanden früher oder später fast wie von selbst. So arbeiten menschlicher Geist und Unterbewusstsein eben. Punkt.

Kurzer Blick zur Uhr. Dreiviertel Stunde herumgebracht! Wirklich Zeit für einigermaßen normal angegangenen Tag. Obwohl im derzeitigen Zustand von Normalität anscheinend nicht mehr großartig geredet werden konnte. Außerdem musste ich unbedingt pinkeln. - Ist ja nicht auszuhalten! - Nachdem alle Morgennotwendigkeiten erledigt, Kaffeemaschine an und Porridge als Frühstück erwählt.

Fast alle Freunde und Bekannten finden Porridge grauenhaft, weil offenbar an verkorkste Kindheitserlebnisse gemahnt, worin Haferflocken anscheinend ungute Rolle zugewiesen, ähnlich Spinatesszwängen. Genaueres Hinhören bestätigt jedoch regelmäßig, deren Abneigungen beruhen hauptsächlich auf Nachkauen allgemein gängiger Dummsichten, denn auf echt eigenerfahrene Widrigkeit.

Ebenso gedankenlos glauben viele Leute, Milch sei gesund, vornehmlich Vollmilch. Dabei ist dieses Zeug Kälbernahrung, daher auf besondere Bedürfnisse von Kuhkälbern ausgerichtet. Warum für Menschen, ausgerechnet für Kinder, gesund oder auch nur verträglich, ist völlig schleierhaft und eine der dümmlichsten Meinungen. Von gebetsmühlenhaften Wiederholungen allenthalben wird es kein bisschen wahrer. Milch ist übelste Schrottnahrung, schwerverdaulich und verursacht Durchfall. Ab und zu genossen, selbstverständlich harmlos.

Also diesen Morgen bedenkenfrei mit heiß geliebtem Porridge gemästet. - Schmatz! Anschließend im Briefkasten nach Post geforscht. Zur letzten Tasse Kaffee lese ich gern sogar doofste Zusendungen. Das entspannt.

Tatsächlich drei Briefumschläge. Erster enthielt eine Rechnung, zweiter bedrohlich flatternde Mahnung - Mist! - und im dritten Werbung. Oha! Was sagte jener Kerl am Telefon? Heute oder in nächsten Tagen käme Einladung zum Preisausschreiben?

Absender: Verlag DAS LETZTE aus Rieders Dickstes! - Auch das noch. Dieser superlangweilige Spießerkäse. Eine der peinlichsten Leseangewohnheiten, denen ernsthaft gefrönt werden konnte. Lediglich gewisses Tageblatt und dessen Nachahmungen übertrumpfen solch belanglose Zeittotschlägerei seichtfüßig um intergalaktische Längen.

Und wirklich, unter vielem Lobgerede auf DAS LETZTE wurde deren Gewinnspiel angeraten. Dabei gäbe es entweder eine Million Mark oder lebenslange Gewinnrente von jährlich zweiundsiebzigtausend Mark einzuheimsen. Sechstausend Mark im Monat steuerfrei. Gewinne seien stets einkommensteuerfrei. Nur wenn man sie anlegt, müssen für folgende Erträge Steuern berappt werden. Toll! Außerdem, warum nicht dran teilnehmen? Auch wenn des Anrufers Anraten Unsinn und lediglich dämlicher Werbegag, braucht man solche Sache ja nicht mutwillig durch den Kamin rauchen lassen. Sogar ein Geschenkbuch mit mehreren leicht gekürzten Romanen wurde versprochen. Kosten sollte alles keinen Pfennig.

Welche Art Romane, konnte ich mir lebhaft ausmalen: Elend langweilige, moralintriefige Literatereien. Gruselig! Dazu versprochen, erhielte man auch noch die neueste Ausgabe von 'DAS LETZTE aus Rieders Dickstes', gleichfalls umsonst. Na, so was. Im Gewinnfalle komme sogar kostenloses Abo lebenslang ins Haus. Grässliche Vorstellung! Aber bei zufließendem Geld mag diese Grausamkeit hingenommen sein.

Wüsste ich nicht genau, die glauben echt, sie tun einem damit Gutes, wäre mir wahrscheinlicher, es sei finstere Rache vom Herausgeber. Ich jedenfalls könnte mir ein Abo DAS LETZTE nur für verhasste Feinde vorstellen. Nebenbei: Bis heute konnte ich nicht herausfinden, wer dieser 'Rieder' eigentlich ist und was mit 'Dickstes' gemeint. Ob der so einen 'Dicken' vorweist oder bloß ausgestopfte Angeberei? Vielleicht ist ja auch jenes berühmt unvermeidlich 'dicke Ende' gemeint. Wenn man dieses Zeug dauernd liest, bestimmt!

Na ja, ist ja wurscht. Gewinnunterlagen ausgefüllt, alles in beigefügten Umschlag gesteckt und im Flur auf den Platz für ausgehende Post. Keine Briefmarke. Sollen ruhig Nachporto zahlen. Für die ohnehin billiger als für unsereins, weil von der Post im Sammelverfahren verrechnet. Gegen saftige Gebühr selbstverständlich. Wieder düdelte das Telefon.

Meine liebe Freundin Helga, mit welcher schon so manch liebliche Séance verbrochen. "Hallo, mein Lieber!" grüßte sie wohlgelaunt. "Wie geht es dir heute?"

"Merkwürdig!" bemerkte ich wahrheitsgemäß.

"Also gestern hast du wirklich was verpasst! Dieser Claudius ist ein echtes Phänomen. Und wir haben es beide bedauert, dass du nicht dabei warst. Claudius war nämlich durchaus sehr angetan von deiner Person. Schließlich ist er, wie du, nach beiden Seiten offen. Bist du denn gut nach Hause gekommen? Du verschwandest ja schon fast überstürzt. Das kenne ich an sich gar nicht von dir. Mochtest du Claudius nicht?"

Ihr Redefluss überrollte. Gehabte Erlebnisse scheinen für sie wirklich hinreißend gewesen. Klar, nie bezweifelt, Helga-Helga (Krammeyer-Soltendick) habe hinsichtlich bestimmter Männlichkeitserscheinungen tiefschürfenden Blick. Irgendwie fühlte ich jetzt aber keinen richtigen Nerv, mochte nicht erörtern, was mich letzten Abend bewog, das Weite zu suchen.

Kleine Erleichterung allerdings: Immerhin bin ich bei ihr gewesen! Claudius und Baldwin somit keine Geistererscheinungen oder Gaukeleien erkrankten Gehirns. Und mit der U-Bahn müsste ich tatsächlich auch gefahren sein. Es sei denn, mit Taxi, weil vom vielen Cognac zu benebelt. Aber so viel trank nun doch nicht, das wüsste ich. Aber was passierte wirklich...?


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