Drei Tage später erreichte Aschas die Sümpfe. Eigene Lage überdenken fiel in riesigen Mückenschwärmen schwer. Scheinbar sahen sie es alle ausgerechnet auf ihn ab. Vielfach gefährliche Untiefen, mehrmals gerade noch rechtzeitig aus schmatzendem Morast entkommen. Boot oder Floß vorerst nutzlos. Erst an größerem Stromseitenarm ginge das. Bislang alles viel zu flach und überwachsen. Mühsam Wege durch Sumpf erstochert. Seine Wegzehrung längst aufgebraucht, weshalb er Wassertiere fing und aß. Essbare Pflanzen gab es kaum. Vögel konnte er nicht jagen. Bogenschießen mit den Jahren verlernt. Gefundene Gelege von Sumpfvögeln nahm er gierig aus.
Spärlich wachsende Bäumen nutzte Aschas als Ausguck, entdeckte weite Wasserflächen voraus, wollte dort ein Floß bauen, gefahrloser seinen Weg fortsetzen. Bedacht setzte er einen Fuß vor den anderen, stocherte mit langer Stange nach gangbarem Untergrund, bemerkte das nahe Nest des Großreiherpaares nicht.
Unvermittelt griffen die Elternvögel an. Er sprang erschrocken zurück, geriet dabei vom festeren Grund in Morast. Sein rechtes Bein versank sofort fast bis zum Knie. Herausziehen gelang nicht, er versank gleichzeitig mit dem linken. Aschas warf sich flach hin, streckte beide Arme dorthin, wo er festeren Grund glaubte, erreichte ihn aber nicht. Verzweifelt wollte er aus dem Sumpf robben. Nirgends Halt. Entfallene Stocherstange weitab. Sumpfgrasbüschel glitschten mit nassem Geräusch aus modrigen Matten. Immer tiefer sank er und die Vögel griffen unablässig an. Während jeder Abwehr spitzer Schnäbel schluckte ihn schwammiger Untergrund Stück um Stück.
Beide Reihereltern hackten. Mückenschwärme überfielen. Blutegel saugten an allen unbedeckten Hautstellen. Je tiefer gesunken, desto weniger konnte Aschas wieder abreißen. Selbst unter den Stoff bisher schützender Beinkleidung krochen sie kalt und schmatzend. Gesamten Unterleib befielen brennend saugende Münder. Blutschnecken zapften Lebenssaft. Nahe dem Nabel ploppte fauliger Schlamm. Unablässig tiefer. Alle Befreiungsmühe vergeblich. - Kein Entrinnen!
Aschas wusste es, entfernte keine weiteren Egel. Mit Händen schützte er noch sein Gesicht vor hackenden Reiherschnäbeln, die gierig auch nach Blutwürmern pickten. Schwächlicher Trost! Gleichzeitig schlugen andere Vogelfänge tiefe Wunden ins Fleisch seiner Arme. Blutsüchtiges Fliegenzeug biss darin fest, stach in klaffendes Rot. Siegesgewiss schob Morast über Schultern zur Kehle, kriechende Pfuhlslast drückte unbarmherzig Lungen leer.
Todesangst in sirrender Sumpfluft verschrien. Einzig den Mund noch vor würgenden schwarzbraunen Wassern verschlossen. Dann verstopfte brackiger Schlick Nasenlöcher. Verschlierend sahen weit aufgerissene Augen letztmalig Tageslicht... bis zum dumpfen Ersticken.
Schleppend verschlang das matschende Moor.
Rückkunft aus Spiegelwelt, unvermittelt wie vormaliger Übertritt. Nur das dunkle Geflecke im Gläsernen gleicht jetzt tief schmutzigem Wasser. Sanftes Summen lockt. - Ein Auge geöffnet... dann ganz schnell auch das andere.
Im eigenen Schlafzimmer, im eigenen Bett! Allein, verrät rascher Rundblick.
Summt die Uhr? - Nein! Wenn auf Wecken gestellt, piept sie durchdringlich. Neben der Tür verdreckte Sachen aufgehäuft. Meine Klamotten. Wo kommt das Gesumme her? Mit rechter Hand den Kreisel umschlossen. Der summte. Höhnische Uhrziffern behaupten: 05:30! Was soll das hier, verflucht noch mal?