Kring 01, 03. Kapitel, Seite 31

 

 
   
 

 


Keine Schritte gezählt. Schätzungsweise mindestens fünfzig Meter türlose Wegstrecke. Danach sperrte neuerliche Stahltür gesamte Gangbreite von wenig mehr als einem Meter. Offenbar auch diese von Kreiselschwingungen entriegelt. Die 'Fee' schob sie in Gehrichtung auf.

Ende des Gangs? - Nein, treppab!

Nachdem die Tür wieder geschlossen, standen wir in nach links und rechts weisendem Quergang. Beide Richtungen verschwanden im Dunkel. Das Licht unserer Kreisel reichte nicht so weit. Gegenüber führten weitere Stufen abwärts. Entschlossen stieg 'Fee' hinunter. Etwa zweieinhalb Meter tiefer ging es geradeaus voran. Keine Türen. Schmaler dunkelgrauer Gang umschloss, hundert oder zweihundert Meter weit, führte dann in Rechtskehre steil aufwärts, endete an dickem Eisengitter.

Meine Führerin schloss leise auf. Anscheinend besitzt sie eine Art Hauptschlüssel, stellte ich stumm und neidisch fest, wagte keine laute Frage. Auch fiel mir ein, soeben durchlaufene Gänge dürften Teile alter Luftschutzanlagen aus dem zweiten Weltkrieg sein. Neu auf keinen Fall. Noch vor etlichen Jahren wiesen ehemals weiße Pfeile mit Beischrift "LS Raum" auf derartige Anlagen hin, später unter frischem Hausverputz unsichtbar.

Offenbar in alter Garagenhalle angelangt. Unmengen gebrauchter Autoreifen und -räder verschiedener Größen und Karossenverkleidungsteile lagen verstreut und aufgeschichtet herum. Auch Wagenheber von ziemlichem Ausmaß und unterschiedliche gammelige Maschinen bemerkte ich, deren verflossener Bestimmungszweck allerdings nicht ersichtlich. Unangenehm roch es nach altem Motorenöl. Gekonnt umrundete die 'Fee' herumliegenden kleinen und großen Plunder zur vermutlichen Hallenrückwand. Gegenüber wandbreites Falttor.

Mit diesem sportlichen Frauenzimmer gleichziehen, bereitete etwas Mühe. Außerdem fror ich allmählich in den regennassen Sachen. Eingedrungenes Pfützenwasser quatschte im rechten Schuh. Widerlich! Auch wirkte der Schock noch immer heftig, saß tief in Knochen, leidlich von Fluchtnotwendigkeit im Zaum gehalten.

Ein Hintertürchen schwang geräuschlos auf, entriegelt von der Freundin und ihrem famosen Schlüsselchen. Sie zog vorsichtig daran, äugte misstrauisch nach draußen. Die Luft schien rein.

Leise betraten wir einen Innenhof, gut zweihundert Meter lang und hundert breit, weitläufig begrenzt von vier- und fünfgeschossigen Stadtwohnhäusern. Viele ältere Bäume säumten, von welchen weiterhin schwer fallender Regen tropfte. Schwammnass spärliches Gras unter uns. Aus einigen Fenstern fiel spätes Lampenlicht. Im Sichtschutz plätschernder Baumkronen schlichen wir zu einem grauen Häuschen. Es entpuppte als dickes Betonrund. Steinerner fetter Pilz mit zu kleinem Hut als Dach.

Aha, alte Luftschutzkellerentlüftung! - Meine Ansicht vollends bestätigt, wir durchliefen eben solche alten Anlagen.

Vor Verlassen der Garagenhalle steckten wir unsere Kreisel weg, wollten nicht durch deren ,singendes' Licht verraten werden. Meine Führerin holte ihren jetzt rasch hervor. Er leuchtete sofort summend auf. Sie zog die Stahltür des fetten Betonpilzes auf. Eng und eisern kringelte unmittelbar eine Wendeltreppe passenden Alters in unergründliche Tiefe. Sehr weit abwärts, Schritt für Schritt.

Fortwährender Kreisgang erzeugte mir zunehmend Drehwurm. Es roch allgemein reichlich muffig. Irgendwie faulig und feucht. In zuvor durchlaufenen Gängen lagerte zwar auch abgestandene Luft, jedoch nicht so miefig wie hier. Außerdem speicherte dort keine merkliche Feuchtigkeit. - Mittlerweile an einer Plattform vorbei. Zwei gegenüberliegende Türen gingen ab. Meine Führerin stieg unverdrossen weiter ins Tiefe.

Endlich am Fuß der Wendeltreppe. Eisengatter verwehrte tonnenwölbigen Durchlass. Dessen Riegelung lösten die Kreisel gleichfalls. Wir traten hindurch und ich schob das in Angeln quietschende Ding wieder ins Schloss. Erbärmlicher Gestank hier. Wimmerndes Kreisellicht verdeutlichte erreichten Ort: Kanalisation!

Kein Wunder, dass es so stinkt. Abwässer von mindestens mehreren tausend Bewohnern über uns gluckerten krank zu unseren Füßen. Alles irgendwie klitschig und eklig. Bestimmt gab es hier jede Menge Ratten. Wenigstens konnte man sicher auf annehmbar breiten Trittsimsen laufen.

Meine Anführerin flüsterte: "Wir sollten uns beeilen. Hier können von anderswo auch 'Andere' herein. Pass aber auf, dass du nicht irgendwo ausrutschst."

"Verstanden! Alles klar!" hauchte ich zurück und folgte ihr. 'Andere!' bezeichnete sicherlich die oder das oder was auch immer, wovor wir uns beide begründet in Acht nehmen mussten.

Mit gebotener Vorsicht schnellstmöglich voran. Ekelnde Furcht beherrschte mich. Bloß nicht in diese träge Schmutzbrühe treten oder gar hineinfallen. Igitt! - Nach sicherlich halbem Kilometer Strecke hallte von irgendwoher scharfkratziges Geräusch, deutlich vom an- und abschwellenden Platschen einfließender Abwässer unterschieden. Beunruhigt beschleunigte die 'Fee' ihre Schritte, forderte mit Handwinken, ich solle gleichtun.

Der scheußliche Laut näherte, schien aber noch genügend entfernt. Zwei Meter vor mir verschlang schmierige Kanalwand plötzlich die 'Fee'. - Treibende Angst! - Erleichtert stellte ich wenige Schritte später fest, dass sie gebückt in eine Querröhre eingebogen, erst einsehbar wenn man davor stand. Sie wartete und winkte herein.


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