Sein ganzes Problem: Er verknallte hoffnungsfrei in die Sekretärin seines Chefs, welche allerdings verheiratet, weshalb er nun alles daransetzte, sie irgendwie... na ja! Helga richtete mit verdrehten Augen entnervt ihren Blick zur Zimmerdecke.
"Probleme haben wir alle", unterbrach ich bissigen Tones Baldwins Redefluss, trotzdem nicht mehr zu bremsen.
So mussten wir erfahren, besagte Chefsekretärin hielte ihn auf Abstand und dachte nicht im Traum daran, mit ihm etwas anzufangen. Wie grausam von ihr. Und derenthalben leide er jetzo unermessliche Qualen. Warum jene Angebetete sich mit ihm einlassen sollte, blieb mir äußerst schleierhaft. Baldwin war niemand, dessentwegen gut verdienende gestandene Fachkraft 'Haus und Hof' verlassen sollte. Im übertragenen Sinne, wohlverstanden. Was bot er schon? - Zwar nicht hässlich, grundsätzlich ein netter Kerl, andererseits auch grausame Nervensäge. Durch dargetan 'erschröckliches' Problem abermalig bestätigt. An gewissen Körperstellen ordentlich bestückt sein ist eben nicht alles, wenn auch wesentlich erfreulicher als viele Möchtegernhengste für hinreichend erachten. In Wehklagen fortschreitend, ging er uns über eine geschlagene Stunde lang auf den Geist.
Seine Geschichte klang etwa so: Angebetete Frau Baumann, so hieß sie, hielt ihn am Gängelband und fand das sehr praktisch. Baldwin tanzte anscheinend wundervoll nach ihrer Pfeife. Selbstverständlich bandelte er noch mit einer anderen Dame dieses Hauses an, schon ganze Weile am Gange, versprach wohl große Liebe oder so was. Nachdem er in jetzt Erkorene verknallte, war diese Sache natürlich, selbstverständlich vorbei. Das schmählich im Stich gelassene zweite Wesen, Heidi Schüller mit Namen, arbeitete in einer anderen Abteilung. Metallwarengroßhandlung mit Ladengeschäft, worin auch Einzelhandel veranstaltet. Haushaltsmetallwaren. Heidi Schüller kannte den Chef von das Ganze recht gut und steckte dem die vollständige Tratschgeschichte. Selber in Frau Baumann verguckt, wurde der wahnsinnig eifersüchtig. Also handelte Chef in Befugnisvollkommenheit, verschaffte begonnener Bandelei schnödes Ende, welche an sich gar keine, beziehungsweise einseitig. Abrupte Versetzung Baldwins in den Laden.
Baldwin lebte fortan reichlich verzweifelt. Im Hintergrund beide Frauen, deren diebischer Spaß nur unvollkommen verborgen. Nach und nach kamen er und Heidi Schüller einander wieder 'näher'. Schließlich schien Heidi Schüller genügend Rache genossen, sodass sie Versöhnung für angebracht hielt, wohl echt in ihn verliebt. Allerdings gehörte sie zu jener schrecklichen Sorte, welche unter allen Umständen früher oder später geheiratet werden wollte und machte auch keinen Hehl daraus. Für Baldwin ein Graus, dachte aber: Ein Spatz in der Hand ist besser als eine Taube auf dem Dach! So ging die Beziehungskiste mit Heidi Schüller erst mal wieder gewohnte Pfade. Sie blieb jedoch misstrauisch und überwachte Baldwins vergebliche Versuche, weiterhin mit Frau Baumann anbandeln. Derlei folgte sofortige Rückmeldung beim Chef. Und jener setzte Baldwin zu. Rückversetzung aus dem Ladenbereich kam vorerst nicht in Frage. Baldwin stank das unermesslich. Zwischenzeitlich konnte er sein Ansehen im gesamten Laden aber erheblich steigern.
Das kam so: Das Ladenlokal wurde eines schönen Tages überfallen! Ausgerechnet am frühen Morgen. Als ob am frühen Morgen etwas zu holen wäre, gerade erst geöffnet. Müssen ziemlich doofe Banditen gewesen sein. Freizeitgangster. Jedenfalls kamen die hereingestürmt, wollten Geld haben und schauten, ob nicht auch anderes genehm. An Wechselgeld keine hundert Mark in der Kasse. Aber in so einem Betrieb gibt's freilich nicht viel mehr als rostfreie Dosenöffner und Schnellkochtöpfe Marke Zischfein oder wie das ganze Zeug heißt.
Er und Herr Graub, das ist sein Chef, bestanden gemeinsam großartiges Abenteuer, indem sie Kochtöpfe, Edelstahlkaffeekannen und den ganzen Kram gegen grausen Feind verteidigten. Baldwin focht todesmutigen Grabenkampf hinter Verkaufstheken, erlitt gewaltige Kriegsverletzung: Verknackster Knöchel! - Er wurde Held des Tages. Herr Graub, schwer beeindruckt, zog seine Strafmaßnahmen unter Vorbehalt zurück. Grundschmerz blieb.
Helga riss der Geduldsfaden. Sie bugsierte Baldwin freundlich aber bestimmt aus dem Zimmer und zur Wohnungstür. Nicht ohne vorheriges Anerbieten, mal ein ernstes Wörtchen von Frau zu Frau mit besagter Verehrter sprechen. "Wenn dir das so große Schmerzen bereitet, ruf' ich morgen gerne im Büro an und verabrede mich mit ihr."
"Nein, um Gotteswillen, bloß nicht!" Das Letzte was er gebrauchen konnte. Dann erführe sie ja, dass er auch noch mit Helga-Helga am Gange... Danach krache endgültig alles zusammen. Dies selbstlose Angebot verursachte ihm fast mittleren Nervenzusammenbruch. Helgas Drohung wirkte Wunder. Baldwin entschwand endlich abwärts ins Treppenhaus.
Unterdes er sein furchtbares Problem ausbreitete, fand gehörige Anzahl Cognäcchen unseren Zuspruch. Mehr als gut tat. Mir war schwindlig von Alkohol und Gequassel. Blasser geworden als sowieso, lehnte Claudius recht bemitleidenswert noch immer in derselben Sofaecke, ließ keinen Ton verlauten. Augenscheinlich zuviel Cognac. Helga kam zurück, saß anschließend erleichtert neben Claudius, der sie daraufhin etwas verunsichert ansah. Albernes Lächeln. Meine erotischen Gelüste kannten jetzt allerdings enge Grenzen. An eine Séance, wie ursprünglich geplant, eh nicht mehr zu denken. Auch Helga schien solches keineswegs mehr in Angriff nehmen wollen, leitete zum 'gemütlichen' Teil des Abends über.