Argwöhnisch sichernd Kellerraum aufgeschlossen. Misstrauischer Blick ins Innere. Nichts sonderlich bemerkenswertes, mal davon abgesehen, wie viel nutzloser Krempel innerhalb kurzer Zeit zwischen unwohnlichen Wänden versammelt. Mein 'Bergrad' stand wie Vorgestern abgestellt. Sogenanntes Mountainbike, absichtlich so bezeichnet, weil MTB-Freaks empören: "Wie unprofessionell!" - Wirklich Vorgestern? Mittlerweiles Bangen, Zeit- und Tagesverläufe könnten nicht mehr völlig sicher sein. Ich rollte das Rad heraus, verschloss alles wieder, schleppte es nach draußen und fuhr los.
Sausender Fahrtwind brachte einigermaßen allgemein bekannte Wirklichkeit zurück. Wohin jetzt? Wenn ich die gesuchte Straße sehe, erkenne ich sie bestimmt wieder. Aber wo lag sie genau? Außerdem, was würde es mir nützen? Zumindest Hinweise geben.
Schreck! Rechts kreischten Autobremsen. Wütender Fahrer betätigte heftig seine Hupe. "Düüüüüüüüüüt! Düüüüüüüüüt!" Kopf aus Seitenfenster, geballte Faust. "Pass doch auf wo du hinfährst! Noch nie was von Verkehrsregeln gehört?"
Idiot, anmaßender! Straßen sind doch nicht bloß für deinesgleichen und ihre blöden Blechkisten da! wütete ich innerlich, musste diesmal aber Unaufmerksamkeit eingestehen. Der 'Idiot' hatte recht. Und das ärgerte. Umso mehr, weil ich nun nicht berechtigt zurückschimpfen konnte.
Nach einigen zugeworfenen Luftküssen weitergestrampelt. Verunsichertes "Doofmann!" erscholl noch. Ich grinste in mich hinein. Soll er doch denken was er will. Allerdings leitete dieser Vorfall von düsteren Gedanken zu nüchterner Betrachtungsweise augenblicklicher Lage. Meinem inneren Freund und Helfer vertrauend, in mittlerer Geschwindigkeit einfach voran. Verbissen etwas suchen bringt nichts. Man findet es sowieso nicht oder benötigt unnütz viel Zeit. Erst einmal zur Beruhigung Spazierfahrt durch nahen Stadtwald. Gerade angenehmes Wetter dafür.
Einige Spaziergänger erschreckte meine Raserei weidlich. Zweien Unzucht treibenden Persönlichkeiten schier nackte Zehen behaarter Beine überfahren. In weitem Bogen Richtung eigener Behausung zurück. - Tjaja, der Zauberwald. Da bekommt man so einige seltsame Dinge zu Gesicht. Wusste noch gar nicht, dass jene 'Pflanzen' nun in dieser Ecke angesiedelt? In wenig früheren Zeiten konnten sie doch stets weiter vorne bewundert werden.
Wie schon ein altgriechischer Philosoph sagte: "Alles fließt!" Oder Gautama Siddharta, auch als Buddha bekannt: "Das einzig Beständige ist die Veränderung!" Wie tiefsinnig, was?
Nach weisheitstriefenden Betrachtungen unausweichlich ins Verkehrsgewühl der Großstadt, gut bekannte Straße entlang geradelt. Meist Wohnhäuser, einige Geschäfte, zwei Supermärkte und, obwohl Nebenstraße, durchaus wuselnder Verkehr von Autos und Leuten. - Supermarkt?
Blitzartige Erkenntnis: Das ist die Straße aus dem Traum! Freilich, ganz sicher keine Traumstraße. Eher Alptraum. Ansonsten nicht die Bohne bemerkenswertes daran. Alles ganz normal. Laufende Leute mit Einkaufstaschen, dröhnende Autos, natürlich meist nur ein Insasse, Fahrer oder Fahrerin, etliche Radfahrer und Innen, metallene oder kunststoffverkleidete Einkaufskörbe auf Gepäckträgern. Nichts auffällig.
Doch da! - Toreinfahrt mit erinnerten drei Buchstaben daneben: TUT! Ich hielt an, blickte verstohlen herum. Ist hier was? Beobachtet mich vielleicht jemand? Nein, alle Fußgänger gingen unbeeindruckt ihres Weges. Taten sie womöglich nur so unauffällig? Plant da wer Attentat? Verfolgungswahn!
Lediglich armseliger Schuppen lauerte schief hinter der Toreinfahrt. Keine Ähnlichkeit mit richtigem Gebäude. Schon gar keine Anklänge an irgendwas Gotisches, eher Zusammenfallendes. Ob gesehener Alltäglichkeit, Erkundung beendet und nach Hause. Man - wer es immer sein mag - wollte sich ja später melden. Nicht nur insgeheim ist mir solcher Umstand reichlich zuwider, darauf warten sollen, unbekannten und unbenannten Leuten gnädig überlassen, zu ihnen beliebigen Zeiten Nachricht geben. Verdrießlicher Gedanken befrachtet Wohnung betreten.
Oha! Jemand sprach zwischenzeitlich auf den Anrufbeantworter. Rasch Wiedergabeknopf betätigt. Gespannt ungeduldiges Abwarten. - Aber einzig Helga Krammeyer-Soltendick lud zu einer ihrer berüchtigten Seancen, tat ganz aufgekratzt. So, so! Deren Seancen kannte ich. Gewöhnlich fanden sie in Frau Krammeyer-Soltendicks breit einladender Bettstatt verdientes Ende. Helga-Helga und tausend nackte Männer. Diese dämlichen Doppelnamen gehen einem allmählich mächtig auf den Senkel.
Gefrustet wegen recht unergiebiger Nachforschungen, kam mir diese Einladung äußerst gelegen. Zur vorgesehenen Geschäftsvereinbarung am Abend verspürte ich ohnehin keine notwendige Ruhe, kannte mich diesbezüglich selbst nur zu gut. Das ergäbe sowieso einen Reinfall, schweife dabei in Gedanken ganz woanders und rede anschließend Quatsch. Mangelnde Lust. Also rief ich jene Klientin an und bat unter haufenweise scheinheiligen Entschuldigungen um Verschiebung des Termins auf kommenden Tag.
Frau Lessentin schien es durchaus recht. Sie erzählte weitläufig von überraschend aufgetauchtem Besuch. Eine alte Schulfreundin. Somit willkommene Gelegenheit, über vergangene Zeitalter plauschen. Frau Lessentin und ihr Umfeld sind sogenannte Kriegsgeneration. Erleichtert über so viel Reibungslosigkeit, gleichfalls wortreich verabschiedet und eingehängt. Trotz ihres vorgeschrittenen Alters hätte ich die Gute knutschen möchten, so sie denn zugegen gewesen, wählte bester Laune Helga-Helgas Anschluss.
"Krammeyer-Soltendick!" Ihr angehängter Zweitname mutete stets wie ,sollte dick (sein)' an. Was wohl? Preisfrage!