Kring 01, 05. Kapitel, Seite 38

 

 
   
 

 


Auf dem Handteller begann ein Kreisel summend schwirrendes Wirbelspiel. Ein Kreisel, wie ich ihn mittlerweile selbst besaß und alle anderen, in diesem ganzen undurchsichtigen Spiel anscheinend als Helfer erwiesen. M'Beeki lächelte das breite Lächeln eines Schwarzafrikaners. Eis gebrochen, Bann gelöst.

"So, du gehörst also auch zu der Truppe", bemerkte ich, nachdem meine Überraschung schwand. "Bisher hatte sich noch keiner von euch mit Namen vorgestellt. Heißt du wirklich 'M'Beeki'? Ist jetzt ein neuer Abschnitt der Verbindungsaufnahme angebrochen?"

"Doch, doch! Das ist mein richtiger Name. Aber für mich ist es nicht so wichtig, ungenannt zu bleiben. Ich bin nur zeitweise hier. Obwohl ich vom Äußeren her gesehen wesentlich auffälliger bin als ein Einheimischer, ist das gleichzeitig eine hervorragende Tarnung, so merkwürdig das klingen mag. Ich bin einfach ZU auffällig, als dass mir Beachtung geschenkt würde, die einheimischen Freunden zum Verhängnis werden könnte. Und damit auch dir", führte er mit verhaltener Stimme aus.

Zwar verstand ich nicht so ganz, worin mehr oder wenigere Gefährdung liegen könnte, aber andererseits hatte er sicher nicht unrecht. Was zu auffällig daherkommt, wird meistenteils weniger vermerkt. Jedenfalls in bestimmten Zusammenhängen. Und da 'Negern' viel eher Hang zu sogenanntem Aberglauben zugeschrieben, erscheint es allgemein selbstverständlicher, wenn diese Wahrsager oder Hexen und Hexer aufsuchen. Jedenfalls viel selbstverständlicher als bei Leuten, nach erster Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts hierzulande geboren.

"Da habe ich gleich eine ganze Menge Fragen zu der Sache. Ich verstehe..." Warnender Blick und leichtes aber deutliches Kopfschütteln ließ mich verstummen.

"Das sollten wir anderswo erörtern und jetzt einfach so verfahren, wie bei einer gewöhnlichen Sitzung sonst auch", raunte er eindringlich.

Verstanden! - Wände können Ohren haben. Und diese Ohren müssen nicht unbedingt in allernächster Nähe mit aufgeklappten Wascheln herumstehen. Das Fenster stand nämlich gleichfalls offen. Also verfuhren wir in Art einer Sitzung weiter, wie sie gewöhnlich abläuft, wenn Ratsuchende kommen.

Seine Gedankenketten zu den Tarotbildern dünkten allerdings merkwürdig. Ob es daran lag, weil er gar keine richtige Sitzung wollte oder daran, dass diese Sinnbilder anscheinend viel zu abendländisch? Wahrscheinlich beides gleichzeitig. Ähnliches schon beobachtet, tauchten Herrschaften aus Japan oder anderen fernen Gegenden auf, sofern nicht abendländischer Abkunft. Und das, obwohl sie ernsthafte Anliegen bedrängten. Dennoch geriet unser Gespräch recht aufschlussreich und unterhaltsam. Er bat um Stift und Papier, wollte gern einiges aufschreiben, schrieb dann auch fleißig und schob es herüber. Für mich also!

Auf dem Blatt stand: "Wenn wir die Sitzung beendet haben, werde ich ganz normal wieder gehen. Komm eine Stunde später ins 'Café Rauch'. Dort werden wir uns wieder treffen. Tu so, als wärst Du überrascht und setze Dich zu mir an den Tisch. Wir gehen anschließend zu einem der 'Tore'! Um diese spätere Uhrzeit ist das nicht mehr auffällig. Zieh Dir sportlich bequeme dunkle Kleidung an. Sie soll Dich nicht in Bewegungsfreiheit hindern. Wichtig! - M."

Gegen fünfzehn Uhr dreißig beendeten wir unsere Zusammenkunft. Er ließ mir sogar entsprechendes Entgelt da. Erfreut strich ich die Geldscheine ein. M'Beeki verschwand treppab.

Erneut befiel ängstliches Staunen, wie genau Gesichter aus kürzlichen Träumen im Gedächtnis eingegraben. Normalerweise bleiben Züge von Traumfiguren verschwommen oder man vergisst sie gleich ganz, kennt man sie nicht ohnehin bereits. Aber ich sah niemals vorher diese Leute wirklich lebend, welche jetzt mit erschreckender Beständigkeit dauernd im tatsächlichen Leben herumschleichen. Nachdenklich schloss ich die Wohnungstür, steckte das Geld weg, holte mir noch eine Tasse Tee aus der Küche und setzte mich im Sitzungszimmer in den ausladenden Besuchersessel.

Pfui Teufel! Dieser verdammte Tee labberte nur noch lauwarm und abgestanden. Ich hasse alten Tee, trank ihn trotzdem, sowieso keine Zeit mehr, frischen brühen. Bis der fertig wäre, entweder in aller Eile trinken oder stehen lassen. Außerdem stört Teemachzeremonie meinen Gedankenfluss. Es gab etliches zu überdenken.

Zum Beispiel konnte ich nicht vollkommen sicher sein, dieser Herr M'Beeki sei auf jeden Fall Verbündeter. Bislang tauchten Leute des Kreisels stets in Zeiten unmittelbarer Bedrohung und Gefahr auf. Hier nicht gegeben.

Bin ich vielleicht nur misstrauisch, weil er Schwarzafrikaner ist? Verkappter Rassengegensatz? - Unsinn! Das spielt bei mir keine echte Rolle.

Aber was ist, wenn er genau auf diese Tour fährt und meine Vorbehalte ausschalten will? - Schon einige Male mitbekommen und erlebt, wie gewisse 'Fremdlinge' darauf reiten, wegen anderer Hautfarbe angeblich 'diskriminiert' zu sein.

Mag ja im einen oder anderen Falle zutreffen. In der Regel ist es aber hierzulande so, dass geradezu lächerlich umgedrehter Rassismus gefordert, wonach oft Eindruck entsteht, Ausländer seien schon von vornherein bessere Menschen. - Schwachsinn! - Außerdem genauso dumm und bösartig wie platte Fremdenfeindlichkeit. Nicht die Bohne besser, auch wenn sich viele Leute das in ihrer Geistlosigkeit gern selbst einreden.


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