Kring 01, 02. Kapitel, Seite 07

 

 
   
 

 


Unbeschwertes Erwachen. Ausgeschlafen und munter. Halb zehn prangte von der Uhr. Ein schöner Morgen schien es. Mal sehen. Klar, um solche Zeit konnte nicht unbedingt mehr von Morgen gesprochen werden, eher längst Vormittag. Das trifft viel eher, auch wenn man einander unsicherer Weise weiterhin 'Guten Morgen' wünscht.

Wünscht? - Ha! - Leeres Gerede!

Nach etlichen quengeligen Umdrehungen auf der Matratze beschlossen, es wäre angebracht, den Tag beginnen. Also erhob ich meine Glieder, schmiss das Hemd in die Ecke, gegen kalte Schultern zum Schlafen stets anbehalten, tappte nackten Fußes Richtung Dusche und Klo, Latschen in rechter Hand. Angestauter Blasenüberdruck machte es ohnehin notwendig. Außerdem erhofft, duschen vertreibe lähmende Geister des Schlafes.

Im Brausestrahl meine Lage überdacht und was denn jetzt so alles anstünde. - Außer betrüblichen Schrecklichkeiten geriet dabei aber nichts in den Sinn. Also erst mal diese Gedanken verscheucht und in Morgenmantel (Frotteefrottee) gewickelt, bestens gegen überflüssiges Gerubbel geeignet.

Warum tut mir mein rechter Arm ständig leicht weh? - Geringe Schwellung und blauer Fleck am Ellbogen! - Wann hab' ich mir denn das eingehandelt?

Durchdringend jaulender Haarfön stellte klar, Glatzköpfe haben wenigstens einen Vorteil vor unsereinem. Dieses nervtötende Gepuste bleibt ihnen erspart. - Auch gleich rasieren? - Nein, mach' ich später! Zuerst frische Sachen raussuchen und anziehen.

Wahl zwischen verschiedenfarbigen, gestreiften oder rein weißen kneifenden Unterhosen ließ geringfügige Verzweiflung aufkommen. Ähnliches widerfuhr bei Unterhemden. Mit oder ohne Ärmel? Weiß oder blau? Oder gar giftgrün, Gipfel des Frivolen? Vielleicht verwaschenes Schmutzrot eines Stückes aus unvordenklichen Urzeiten, unerfreuliche Nähte links und rechts? Pulli oder Hemd? Frische Jeans?

"Ihr Götter! Welche?" - Keine Antwort!

Socken! - Billige weiße Tennissocken, etliche ohne nötige Ferse? Blöde Rumsucherei! Oder jene fusselnden aber modisch korrekten Dinger für den Herrn in gedeckten Farbgebungen, doch letztendlich meist grau bis anthrazit, einst zwanzig Mark das Paar? Grauenhaft! Zog man diese teuren Mistdinger abends aus, kräuselten gruselig Fäden an Füßen, als haben sie wenigstens zwei Wochen kein fließendes Wasser mehr abbekommen. Widerlich! Zudem meist schneller kaputt als Billigsocken. Selbst solche für über dreißig Mark. Unverschämtheit! - Aller Qualen Ende: Schlicht nächst greifbare Plünnen genommen! - Zur Küche.

Reichlich kühl da drin. Fenster stand selbstverständlich ganze Nacht offen. Sonne schiene erst am Nachmittag herein, darum herrschte bestenfalls Wärme von Außenluft. Hierzulande auch im Juni nur ausnahmsweise tropenmäßig. Meinem Laster frönend, Zigarette vor dem Frühstück, Wasser in Kaffeemaschine, Kaffeemehl in Filtertüte geschaufelt und das Ding an. Halbe Minute später stieß sie empörte Gurgelgeräusche aus. Aha! Das ist normal, läuft also. Betrübliche Blicke förderten im Kühlschrank nur Langweiligkeiten zutage, die dann mit Missbilligung auf dem Esstisch verdientes Ende finden sollten.

"Musst mal wieder was Gescheites einkaufen!" Laut gesprochener Eigenbefehl.

Mit frischen Brötchen natürlich auch nichts drin. Müsste ich ja erst holen. Keinen Bock! So warf ich hoffnungsvolles aber gefasstes Auge in die Speisekammer. Hilft manchmal, sofern Heinzelmännchen versklavt. Aber hier? - Nö! Nur Knäckebrot lungerte seit mittlerweile acht entsetzlichen Wochen im Regal herum. Bäh! Eine Freundin von mir brachte den ollen Kram mal mit. Wie fast alle Leute, glaubt sie felsenfest, das pappkartonartig schmeckende Zeugs hielte schlank. Ist natürlich Quark. Davon wird bloß keiner satt. Das ist alles. Endlich wegschmeißen!

Als ich danach griff, stach mir, o Wunder, o Wunder, eine Packung Aufbackbrötchen in rotgeweinte Augen. Freu' dir blöder Götterfunken! Hullelaja! Unverschimmelt und Verfalldatum erst heute. So ein Glück! Sofort Backofen in Betrieb. Dadurch wird auch unterkühlte Küche mit aufgewärmt. Wenigstens was Erfreuliches. Man kann doch nicht immer nur Pech haben.

Kaffee durchgelaufen, Brötchen fertig, zweite Zulpe angezündet, Küche leidlich angewärmt und mit dem Schicksal etwas versöhnt. Zur ersten Tasse Kaffee qualmte ich noch zu Ende. Selbstredend fiel mir nichts besseres ein, als Radio anmachen, anstatt gleich Kassette reinschmeißen oder Platte heißer Rockmusik. Versehentlich voreingestellter Sender: DLF-'Nacktradio'!

Gerade kratzten dessen berüchtigt langatmige Nachrichten/Berichte/Hintergründe durch Drähte und Wellen. Aus dem Bundeskanzleramt verlautete demnach vernehmliches "Blaaahh" und die Opposition nahm mit entschiedenem "Blääähh" dazu Stellung. Quatsch!

Das örtliche Dritte ödete mit irgendeiner aufgeblasenen Sinfonie. Wahrscheinlich Beethoven. Solche Geräusche bedürfen schließlich einiger Taubheit, müssen sie länger ertragen sein. Kenn' ich! Krachmaninoff, Wagnergerummse oder ähnliches Gedönse war es jedenfalls nicht. Soviel verstehe ich schon davon. Schließlich sollte man wissen wovon man redet, was bei sehr vielen Kulturbeflissenen ganz und gar nicht zutrifft.

Kultur? Das? - Kann man so nennen. Beatmete Leiche ist treffender.


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