Kring 01, 09. Kapitel, Seite 70

 

 
   
 

 


Merkwürdiger Morgen! - Obwohl er alles genau kannte, blieb hartnäckig eigenartiges Ahnen, er sei völlig fremd, auf irgendeine beängstigend verrückte Art und Weise in diesen Tag gerutscht, habe eigentlich nichts darin verloren. Schon erst recht nicht hier, an diesem Ort, an dieser Stelle, diesem Bett und all den Räumen.

Gewiss hoch bequemes Bett, durchaus ansehnliche Räume, wenn auch keineswegs fürstlich. Und alles schien alltäglich bekannt, stand, lag oder hing an dafür mehr oder weniger ausgesuchten, zugedachten Stellen. Dennoch mochte das Gefühl nicht weichen, es stimme so nicht, sei eigenartig falsch.

Alles nur Fälschung? Aber wer oder was sollte diese Fälschung verursacht haben? Und zu welchem Zweck?

Blödsinn! Steh' auf! befahl er sich selbst und schlug die leichte Bettdecke zur Seite. Schwungvoll stand er nackt auf dem Bettvorleger, schüttelte aus Traumtiefen fangende Erinnerungen fort.

Wieso bin ich nackt? Normalerweise ziehe ich mir doch einen Schlafanzug an! Es sei denn, ich schlafe nicht allein. Dann stören solche labbrigen Plünnen nur, werden achtlos vom Leib gerissen und mehr oder weniger weit aus Bettbereichen verbannt. Rasch sah er herum. - Nein, diese Nacht schlief ich hier mutterseelenallein!

Ernüchterung griff kühl in den Raum. Er grinste trotzdem, als er seinen fordernd wippenden Stab betrachtete, welcher steif vom Unterbauch abstand. Aber dies Grinsen gefror sogleich wieder, als ob Gesichtsmuskeln sämtlich frohen Dienst verweigern wollten. Kaum gewollt wenige Schritte getan, stand er vor lediglich angelehnter Schlafzimmertür zum unbeleuchteten Hausflur, starrte dagegen, grub Blicke in Holzmaserung, nahm sie aber gar nicht wahr. - Träume!

Irrwitzige Träume tobten vergangene Nacht wild durch Gehirnwindungen. Er glaubte, sei immer wieder aufgewacht, nachdem mehrfach geträumter Tod einholte. Ob es aber so stimmte, dafür würde er jetzt keine Hand mehr ins Feuer legen. Dennoch blieben drängende Zweifel, dies seien wirklich nur gehabte Gedankengaukeleien. Viel zu echt letzte Nacht in allerhand fremden oder seltsam gut bekannt unbekannten Umgebungen befunden, viel zu genau gefühlte Kälte, Wärme, Durst oder Hunger, aufgenommene Gerüche. Viel zu eindringlich, Freudengefühle oder peinigende Ängste, gehörte Stimmen, gespürter Wind, harter Erdboden.

Du musst dich fertig machen, es ist schon spät! rief er abschweifende Gedanken in Wirklichkeit zurück, ging ins Badezimmer und zog anschließend zurechtgelegte Kleidung an...

Wann legte er diese bereit? Selbst oder wer anderes?

Kopfschüttelnd zur Küche und mit raschem Druck auf leuchtroten Knopf Kaffeemaschine angeschaltet. Weißbrotscheiben in Toaster, Marmelade und Margarine bereitgestellt, nebst Geschirr und Besteck. Alles von Stellen und Orten, inständig vertraut, schlafwandlerisch gefunden, aber dennoch sehr befremdend an diesem Morgen.

Morgen oder bereits vorgerückter Tag? Wie spät ist es eigentlich?

Vergeblicher Blick zur Uhr. Streik wegen leerer Batterie. Bestimmt längst Nachmittag. Gestern wurde es ziemlich spät und Nachtstunden blieben wenige. Draußen lagerte dunkelgrau verhangener Himmel. Tiefhängende Wolkendecke verfinsterte Tageshelle, ließ frühen Abend ahnen. Kalter Herbst voller Nebel und fauligem Laub. Irgendwie gehörte das alles nicht zu ihm, besaß keine passende Eigenschaft. - Fremder! Fremdling!

Noch nicht zweite Tasse schwarzen Kaffee geschlürft, erst eine Toastscheibe angebissen, keine Zigarette geraucht. Fragender Blick durch Fensterglas nach draußen. Trüber Tageshimmel. Dunkle Flecken auf Dächern.

Welche Dächer...?



Ende des ersten Teils

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