"Willst du noch unbedingt etwas trinken?" erkundigte mein Gegenüber. Ich verneinte. "Dann sollten wir mal allmählich zusehen, dass wir hier die Fliege machen", lächelte er leichthin, stand auf, ging zur Theke und bezahlte seine Zeche. Ich folgte sofort.
Unglaublicher Verkehr herrschte auf der belebten breiten Straße. Wir liefen Richtung Kirchturm, in dessen Nähe ein größerer U-Bahnhof Niedergänge ergähnen lässt. M'Beeki schaute auf dem Weg dorthin mehrmals unauffällig aber aufmerksam in die Runde. Offenbar alles in Ordnung. Die 'Fee' versicherte ja ebenfalls, tags drohe wenig Gefahr. Derzeit noch lichter Tag, obgleich schon nahender Abend fühlbar.
Schließlich standen wir vor breiten Treppen zur Tiefe. Sie wiesen uns weit mehr als zehn Meter abwärts, wo Bahnen einander in Minutenabständen jagten. Anscheinend fuhr kurz vorher eine U-Bahn davon. Leer lag der Bahnsteig und aus dem Tunnel klang noch Fahrgeräusch entschwindender Räder. Hinter ferner Kehre verloschen rote Rücklichter.
Ohne lange Umschweife steuerte mein Begleiter zur Sperre in den Fahrtunnel, forderte mit Handzeichen, ich solle rasch folgen. Schnell wenig hinderndes Schrankengestänge entern, zügiger Lauf durch Verkehrsuntergrund. Über Schienen und Schwellen mussten wir nicht stolpern. Schmaler Gehsims für Streckenarbeiter erleichterte hiesigen Weg. Nach gut hundert Metern ein Seitgang, wohl für Arbeitsgerätschaften gedacht, konnte vom Bahnsteig her nicht gesehen werden. M'Beeki fasste kurz meinen Arm, bedeutete still zu sein und zog mich sachte in breite Aussparung.
Erneut beunruhigender Gedanke: Fast aussichtslos ausgeliefert, führe er wirklich Ungutes im Schilde! Nichts mit losreißen und hurtig flüchten. Ihm davonlaufen, traute ich mir allerdings voll zu. Trotz nicht übermäßiger Körpergröße, kann ich ziemlich schnell rennen, obendrein auch noch sehr ausdauernd und äußerst flink und gewandt. Das glich überragende Körpermaße und -kräfte meines Begleiters bestimmt aus. M'Beeki machte jedoch keinerlei bedrohliche Anstalten.
Im Tunnel, noch vielmehr in diesem breiten Seitplatz, glimmte wesentlich geringere Beleuchtung als im nachgerade festlichen Licht des Bahnsteigs. Eine stählerne Brandtür zeigte grau unauffällige Umrisse, schien sehr widerstandsfähig. Mein schwarzer Freund hielt seinen Kreisel knapp an den Stahl. Sofort begann der kleine Wirbler sein Spiel, summte vernehmlich. Schließlich steckte M'Beeki den Kreisel wieder weg, griff zur glatten Tür... drückte sie leicht, fast lautlos auf.
Er schob mich durch die Türöffnung, kam selbst sofort nach, wobei er gleichzeitig das Türblatt zuschob. Seine Linke betätigte irgendwo einen Schalter an der Wand. Neonlampen warfen flapperndes Licht in den Gang, leuchteten unfreundlich hell. Wir gingen zum Ende durch.
Abermals verhinderte stählerne Tür jedes Weiterkommen, ersichtlich stärker gepanzert als jene vorhin. M'Beeki wiederholte den Öffungsvorgang wie gehabt. Sie schwang von allein zurück. Lichter flammten auf. Satt aber nicht laut klackend rastete die stählerne Sperre selbsttätig wieder im Rahmen ein. Automatische Tür.
Wir standen in einer Art Überwachungsraum mit Bildschirmen und anderen entsprechenden Gerätschaften. Die Schirme zeigten schwarze Flächen. Also nicht in Betrieb. Lediglich mattrotes Glühen einiger winziger Lämpchen zeugte von wartenden Kraftströmen. Dies dürfte keine sonderlich geheime oder gar unbekannte Einrichtung sein. Wahrscheinlich Ersatzüberwachungsanlage der U-Bahn. Bestimmt gab es im gesamten Netz verteilt mehrere davon. U-Bahnnetzplaner dachten auch an Not- und Ausnahmezustände, mussten eigentlich auch daran denken.
Mein schwarzer Führer verweilte nicht lange, ging schnurstracks zu einer Tür gegenüber. Anscheinend ohne sonderliche Maßnahme entriegelt, kam man mit dem Kreisel in deren Nähe. Jedenfalls öffnete er sie sofort. Wir traten hindurch. Augenblicklich flammte voraus düsteres Licht, während es hinter uns gleichzeitig schlagartig verlosch.
Ziemlich langer Gang wies niedrig geradeaus. Alt schien er. Auf jeden Fall erheblich älter als die überaus modern anmutende Überwachungsanlage im Raum hinter uns. Vollkommen dunkle schmale Nische unterbrach längeren Weg. M'Beeki zwängte seinen breiten Körper seitwärts hinein. Wegen schwarzer Hautfarbe und ebensolcher Kleidung wurde er darin fast unsichtbar. Er winkte, ich solle folgen, holte kaum überraschend den Kreisel aus seiner Tasche, der sofort summte und blinkte.
Irgendetwas geschah in lichtloser Schmale. Leichter Luftzug streifte am Gesicht vorbei. Gedämpftes Kreisellicht bewies offene Tür. Rasch gingen wir durch. Auch ich nahm zwischenzeitlich meinen Kreisel zur Hand. Augenblickliches Summen und Leuchten. Mein Führer bedeutete, ich solle die Tür zuschieben.
Schmale stählerne Brandtür, dunkel gestrichen und ohne Klinken oder ersichtliche Schlösser. Unwissende übersahen sie leicht. Wohl auch beabsichtigt. Normale Bedienstete wussten sicher nicht, welchem Zweck sie diente. Und andere? Es muss außer uns mit Sicherheit Leute geben, die zumindest ahnten, wohin diese Tür führte. Ihre Riegelung sprach jedenfalls auf Kreisel an. Stockdunkler und gänzlich unbeleuchteter enger Gang ansonsten. Nur unsere Wirbler spendeten ausreichend Licht.
Grau streckte schmächtige Enge niedrigen Betontunnels in unersichtliche Entfernung. M'Beeki ging etwas ungelenk voran, gehindert von eigener Körperbreite. Nicht nur von Vorteil, ein wirklich großer und beeindruckender Mensch sein, dachte ich schadenfroh. Alles hat seinen Preis! Für mich keine Schwierigkeiten.