Kring 01, 06. Kapitel, Seite 52

 

 
   
 

 


Zwischenzeitlich kam die junge Frau mit den wissenden Augen zurück. Der Mittdreißiger folgte ihr überraschender Weise. Beide trugen jeweils ein Tablett. Sie stellten diese auf den großen runden Tisch in der Raummitte. Er nickte freundlich und aufmunternd in meine Richtung und verschwand sogleich wieder. Kein sehr gesprächiger Zeitgenosse, aber anscheinend angenehm.

Auf einem Tablett standen Getränke; Kaffee, Tee und Gläser mit schrecklich roter Flüssigkeit. Angekündigtes Erfrischungsgetränk? Auf dem anderen Tablett, Teller und Schalen mit Obst, Gebäck und Schnitten, auch Kuchen, wie meine gierigen Augen sogleich entdeckten. Ich bin schlank und kann mir solche ,Sünden' gern erlauben. Man macht es ja nicht alle Tage. Darum griff ich sofort zu und schwieg verfressen.

Fragen? - Massenhaft Fragen!

Aber ich ließ lockere Plaudereien meiner neuen Freunde vorbeirauschen, gab mich hier und jetzt gelassenem Genuss hin. Hier fühlte ich mich sicher und verstanden, alles andere kann erst einmal noch warten, auch wenn es mir in der Seele brannte. So richtig begreifen konnte ich ja schließlich noch nicht, was eigentlich abgelaufen. Als zwar ausgefallener Zeitgenosse, im Grunde jedoch kaum herausragender Mensch, versucht man sein Leben zu leben und andere leben lassen.

Und nun? - Nun brauste etwas heran, das es unmöglich machte, einfach so tun, als sei nichts!

Allerdings hörte ich auch schon vorher von Leuten, in deren Leben urplötzlich etwas einbrach, zuvor für vollkommen ausgeschlossen gehalten. Meist standen ausgerechnet denjenigen seltsame Umstände ins Haus, die mit derlei zuvor nie etwas am Hute hatten. Noch keinem kreuzbeflissenen Ufologen wurden jemals Ehren außerirdischen Besuchs zuteil. - Alles Quatsch!

Jener vergeblichen Mühe schon vor Jahren unterzogen, genauer nachforschen, was an solchen Leuten dran, die lautstark behaupten, sie seien in Fliegenden Untertassen zu Gast gewesen oder könnten hellsehen oder so was. Entweder offensichtliche Aufschneider, oder alles verkrümelte im dunklen Gewölke von Hörensagen. In Frage kommende Herrschaften entweder nicht greifbar, weil beispielsweise Jogi oder Guru am Himalaja oder längst verblichen. Jogi und Guru... Völlig kindisch! Als ob ausgerechnet derartige Oberschwafler anders wären. Und wenn verstorben, dann sehr unumständlich, weil dann wirklich nichts nachgeprüft werden kann. Wie fragt man vermoderte Leichen aus?

Nur in zwei von fast unzähligen Fällen mussten Umstände eine Rolle gespielt haben, mit herkömmlichen Deutungsmustern nicht erklärbar. Von den Betroffenen allerdings nicht als Psi- oder Ufophänomen gedeutet. Unendlich verwirrt, trauten sie noch nicht mal so recht was zu sagen, fürchteten wohl, derenthalben werde man in Anstalten gesperrt. Beide Personen mochten bei erlebten Vorkommnissen nicht eingestehen, dass ihre Sinne nicht täuschten.

Ich glaubte den beiden, selber von Beruf mit sogenannten außersinnlichen Erscheinungen im Gemenge. Was man immer darunter verstehen wollte. Leider als schlecht besuchter Wahrsager, weil hartnäckig als 'Weissager' verstanden und mich Zwängen reinen Schaugeschäftes der Wahrsagerei stets versagte. Selbstredend entsprechende Folge, dass ich vor allem nicht sagte, was meine Besucher gern hören wollten und auch nicht verfuhr, wie von 'Wahrsagern' erwartet. Hauptsächlich deshalb erwartet, weil sie meinten, es liefe so ab wie in unmöglichen Filmen oder albernen Fernsehberichten. Veranstaltungen, welche bei mir lediglich Kopfschütteln hervorriefen: So geht das auf keinen Fall! Reinstes Schaugeschäft! - Nicht verwerflich, wenn als solches eindeutig.

Andererseits stimmt es, allgemein wollen die Leute derlei haben. Entgleisende Gesichtszüge, wenn ihnen nicht geboten, was in der Glotze vorgeführt bekommen oder in Unterhaltungsromanen gelesen. Sie wollten einfach nicht begreifen, Hellsehen gehe beispielsweise nicht nach Lust und Laune und auf Wunsch. Wer dies könnte, würde es ganz sicher keinem erzählen! So jemand schwebt ständig in Lebensgefahr. Daher kann davon ausgegangen werden, wenn jemand behauptet, nach Wunsch und Lust und Laune hellsehen zu können, es entweder kunstreiche Varieté-Darbietungen sind - keineswegs ehrenrührig - oder anmaßende Behauptungen, deren Grund meist, dass diese Leute überhaupt nicht wissen, was 'Hellsehen' tatsächlich bedeutet. Entweder gelogen oder keine Ahnung, wovon sie reden. Beides gleich schlimm, denn das erste ist schlichter Betrug und das zweite sträfliche Schludrigkeit.

Im Augenblick drängte zudem, diese ganzen merkwürdigen alten Anlagen und Tunnel hielt ich zuvor einfach nicht für möglich. Und erst recht nicht diesen verdammten Schemen. - Was ist der eigentlich? Was war das überhaupt für eine große alte U-Bahnstation gewesen? Alle Fahrgäste verschwanden. Mir schien allmählich, sie sei gar nicht von dieser Welt, müsste in sogenannten Seiträumen unserer Wirklichkeit liegen, zumindest teilweise. - Wie gelangte der gesamte U-Bahnzug auf ein solches Gleis?


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