Kring 01, 01. Kapitel, Seite 02

 

 
   
 

 


Allmählich erreichte ich halbe Strecke, mir für diesen Abend vorgenommen. Vorn rechts hakte schon die Straßenecke mit jenem Supermarkt, worin ich manchmal einiges einkaufte. PLUMPS der billige Discounter! Aber ich kaufe da nichts mehr. 'Baked Beans', seit meiner Englandreise angewöhnt - gebackene weiße Bohnen in Tomatensoße: supergeil! - gab es da einfach nicht mehr und ansonsten schien mir dieser Laden doch etwas teuer. Von wegen, billig.

Mittlerweile merkte ich aber doch meine Übernächtigkeit, gedachte noch hundert Meter bis zum Plumps-Supermarkt gehen und zwischen massenhaft abgestellten Autos links auf andere Straßenseite wechseln. Dort anschließend einfallslos dieselbe Strecke zu meiner Behausung zurücklaufen. Mein Bett ruft! klagten müde Gedanken Supermarktecken entgegen.

Ungefähr zwei Meter vor angepeiltem Wendepunkt klang anschwellenden Ton von linker Straßenseite. Genau dort, wohin ich just überwechseln wollte. Ein Schnarren, vergleichbar von Schlagbohrmaschinen erzeugt, wenn im Nebenhaus in Betrieb genommen. Ich dachte nichts dabei, verhielt jedoch kurz. Der Ton wurde eigentümlicher Weise stetig lauter.

Die haben aber auch Nerven, um diese Uhrzeit ihre Nachbarn mit Herumbohren zu belästigen! - Innerliches Kopfschütteln.

Urplötzlich tauchte zwischen linkerhand abgestellten Autos ein Schemen auf, raste wie finsterer Blitz auf mich los. Ausweichen unmöglich! Ausgesprochen hohe Festigkeit, was beim Zusammenprall erste Vermutung dichter Straßendreckwolke in tausend Sterne zerstieben ließ. Mit rechtem Ellbogen aufs Gehsteigpflaster geknallt, sah und hörte ich anschließend nichts mehr, außer taubem Dröhnen in Ohren und kringelnder Dunkelheit. Letztere ging in tanzende Funken über, diese verdichteten zu blendendem Licht, beständig greller.

Als Einziges stieß alberner Satz blitzartig ins Gedächtnis, vor Urzeiten in einem Science-Fiction-Schmöker gelesen: "Sollte ihnen irgend jemand etwas anhaben wollen, dann Pfuhumpfen sie was das Zeug hält!"

Pfuhumpfen sie mal in so einer Lage! - Jedenfalls derzeit nicht mit einer subenergetischen Entität (sprich: Geist oder Gespenst) ins Gemenge gekommen. Sonderlich beruhigend fand ich das aber ebenfalls nicht. Danach versank alles in Dunkel... wusste nichts mehr...

Irgendetwas zerrte... irgendwer redete fordernd... irgendwas suchte aus köstlicher Geborgenheit gnädiger Bewusstseinstrübung herauszuholen. Vor meinen Augen glaubte ich blinkende, drehende, gemach tanzende Lichter. An- und abschwellendes, angenehm singendes Tönen, ähnlich Brummkreiseln lang versunkener Kindheit, drang sachte aber unabweisbar in Gehörgänge. Wortloser Singsang verstärkte unablässig. Aus nebliger Dunkelheit neigte Schatten nieder. Erst sonderbaren Traum vermutet, stand schließlich glashart fest, ich müsse wach sein. Offensichtlich Augen geöffnet. Neben mir kniete jene alte Frau auf dem Gehsteig. Diejenige welche, mit dem dunklen Kapuzenmantel im Juni, deswegen auffällig.

Sie beugte schattenhaft herab, sprach beruhigend: "Können sie mich hören? Haben sie Schmerzen? Können sie sich bewegen?"

Erstens: weißnich, zweitens: erstmal nachkucken, drittens: selbstverständlich! Was'n sonst? - Rechter Arm schmerzte fürchterlich. Zugleich tobte darin taubes Zucken. Außerdem fiel ich in eine alte Pfütze und fühlte mich über alle Maßen befeuchtet. Auch etwas unwirsch darob, aus angenehm wohligem Dämmerzustand herausgeholt und in derart schnöder Wirklichkeit gelandet. Im Straßenlaternenzwielicht sah ich ins Gesicht der alten Frau. Sie sah gar nicht alt aus, wirkte vielmehr zeitlos.

Ausgesprochen angenehme Stimme: "Können sie sich bewegen?" fragte sie wiederholt. "Versuchen sie es mal ganz vorsichtig!"

Ob ich mich bewegen könne? - Ich versuchte es. Trotz Schmerzen gelungen. Anscheinend alles einigermaßen heil geblieben. Mit erstaunlich kräftigen Händen half sie beim Aufstehen.

Da stand ich nun! Mühsam und nass, tropfend und verschmuddelt, mit schwirrendem Kopf und reichlich benommen. Erst mal drehte alles im Kreis, hüpfte wie verrückt herum. Mir war schwindlig und auch etwas übel. Diese äußerst rüstige und gar nicht echt alte Frau hielt und half nachdrücklich. Mein rechter Arm tat verflucht weh. - Hoffentlich nichts gebrochen oder angeknackst!

Nachdem bejaht, ich könne stehen, griff sie mit ihrer unvermuteten Kraft unter meinen linken Arm, führte zwischen Autos hindurch zur anderen Straßenseite, wohin ich ursprünglich ohnehin überwechseln wollte. Etwas entfernt, schräg gegenüber ein Tor. Viereckiges Tor. Schon öfter daran vorbeigelaufen... Lahme Erinnerung. Drei Buchstaben prangten seitlich: T, U und T, TUT! Dies erschien stets seltsam aber nicht sonderlich aufregend. Kleine Lettern verrieten unterhalb: Tanz und Theater! - Ah so! - Allerdings dort noch nie etwas tanzen oder theatern gesehen. Aber das sollte nunmehr anders werden.

Hinter diesem recht garagenhaft anmutenden Tor - genau gesagt: Durchlass - schimmerte Licht altmodisch wirkender Hoflampe mit riesiger Glühbirne. Eigentümlich unpassend verwischt und gedämpft für derartige Leuchtquelle. Meine Helferin führte voran, sprach fortwährend verhalten und beruhigend auf mich ein. Es klang wie Katzenschnurren. Katzenschnurren fand ich schon als Kind immer sehr angenehm. Jetzt wirkte es wunderbar einlullend, vermittelte unabweisbaren Eindruck, man schwebe auf Wolken dahin. Anscheinend nahm ich noch nicht viel wahr und fühlte mich weiterhin recht benommen. - Wie soll ich sagen? Drieselig? Wird dadurch verständlicher, was ich meine?


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