Kring 01, 06. Kapitel, Seite 48

 

 
   
 

 


M'Beeki lotste zielstrebig zur vierten Nische im Tunnel. Auch hier eine eiserne Tür, wie schon Tage zuvor vom 'Fee' angesteuert. Erneut ließ er seinen Kreisel wirken. Zu meiner großen Überraschung fiel scharf gebündelter Lichtstrahl auf die metallene Fläche und erstarb nach einigem Flackern. Erwartungsgemäß abermals ein Gang dahinter. Wände aus hässlich fleckigem Waschbeton wirkten im aufgeflammten Neonröhrenlicht noch scheußlicher und abstoßender. Der Fußboden ebenfalls nicht schöner, nur etwas glatter. Unsere Schritte hallten trocken und dumpf davon wider.

Je weiter wir in den Gang hineinkamen, desto mehr steigerte voraus Schimmer. Es blieb bei Schimmer, von Leuchtstoffröhren überstrahlt. Anscheinend wurde durch unsere Bewegung die Beleuchtung gesteuert. Hinter uns verlosch Schritt für Schritt eine Leuchtstoffröhre nach der anderen. Gute zehn Meter Strecke leicht abwärts. Wir hielten auf dieses Schimmern zu, allmählich deutlicher geworden, Gesamtbeleuchtung stetig dunkler. Schließlich angelangt. - Ein Durchlass! Eigenartiger Weise mit Rundbogen oben. Keine Tür darin. Nichts sperrte ersichtlich. Nur dieses Schimmern.

Es waberte bläulich kalt, elektrisch knisternd und warnte, ohne Vorsichtsmaßnahme könne scharfes Ende folgen. Unsicher blieb ich stehen. Mein schwarzer Begleiter neben mir gleichauf. Letzte Neonröhre verlosch. Nur noch dieses wabernde bläuliche Glühen warf unheimliches und gefährliches Licht auf uns. Selbst der schwarzhäutige M'Beeki wirkte bleich wie Kalk. Seinen Kreisel hielt er mit flacher Hand fast ins kalte Glosen.

Schneller und schneller wirbelte das kleine Gerät. Summton erscholl, stetig stärker und höher, füllte schließlich alles ringsum, erfasste mich, langgezogene Wände, wallende blaue Lichtsperre, meinen Begleiter, schien von allem zurückgeworfen und scheinbar daraus selbst entstanden. Wabernd und zuckend wich der bläuliche Vorhang. Sofort schubste M'Beeki mich durch. Anscheinend durfte man nicht zögern, denn sofort hinter uns verschmolz die knisternd erscheinende Lichtwand wieder.

Ob ich das mit meinem Kreisel auch bewerkstelligen könnte? - Vielleicht. Aber ich wusste auch, diese Sperre bliebe vollkommen undurchdringlich, wobei nicht erklärbar, woher jene Sicherheit rührte. Mein Gefühl sagte untrüglich, nichts und niemand komme durchs bläuliche Wabern, werde augenblicklich davon aufgelöst. Nicht ein einziger Schritt in diesen Ort gelinge, es sei denn mit entsprechendem Kreisel.

Schon wieder ein Gang. Licht glomm. Licht alter und kalt leuchtender Glühbirnen, wie vor langen Jahrzehnten verwendet. Dieser Gang glich eher einem Flur, ziemlich niedrig und kaum mehr als fünf Meter lang. Quer dahinter schloss ein Raum von erstaunlichen Ausmaßen an, gute zehn Meter Weite, doch kaum vier Meter tief. Zu meiner Überraschung standen wir auf einer Art U-Bahnsteig in Kleinausgabe. Schmalspurige Gleise führten längs durch langgezogenen Raum, vielmehr niedrige Halle. Unzweifelhaft Bahnsteig. Auf schmalem Gleis wartete ein Wagen, Größe niedrigen Kleinbusses, insgesamt rundlich gestaltet. Dicke Nieten säumten vielfach metallene Ränder.

Alt sah alles aus, sehr alt sogar, roch auch dringlich nach Alter. Muffige Jahrzehnte wehten staubtrocken durch abgestandene Luft. Andererseits alles bestens in Schuss gehalten. Irgendwer musste das bewerkstelligen, also über diese Anlagen Bescheid wissen. Doch wer oder welche Leute mochten es sein? Außerdem mussten die Einrichtungen hier unten mindestens aus den Dreißigerjahren stammen.

Unwahrscheinlich? - Nicht unbedingt!

Damalige Machthaber ließen alle möglichen und unmöglichen Bauten errichten, streng geheimgehalten und selbst neugierigsten Augen nicht zugänglich. Aufzeichnungen und Pläne hernach sorgsam vernichtet. Heute weiß keiner mehr genaueres über einst unterirdische Fertigungsanlagen in den Harzbergen, obwohl dort drin nun wirklich sehr viele Leute zu Werke waren. Auch die Besatzungsmächte fanden im Gewirr nicht zurecht und ließen die Zugänge einfach vermauern. Man vermutet nicht umsonst, in den vielen Kammern und Gängen lagere noch der eine oder andere Schatz verborgen. Das legendäre Bernsteinzimmer wird in solchen unentdeckten Verstecken vermutet.

Jedenfalls sehr augenfälliger Gegensatz zu nachgerade zukunftsweisend anmutenden Räumlichkeiten vorher. An beiden Endseiten des Raumes gähnten große runde Löcher. Tunnelzufahrten, vollkommen in schwärzeste Dunkelheit getaucht. Mittig des Bahnwagens eine Doppeltür mit je einem Längsgriff daran, ähnlich an uralten U-Bahnwagen in Hamburg und Berlin. M'Beeki ging wortlos hin und zog daran. Seit unserem Abtauchen in den Untergrund sprachen wir sowieso fast kein Wort mehr. Kollernd schabendes Geräusch, dann lag der Einstieg frei. Wie vermutet: Irgendeinen Griff betätigen, öffnete beide Hälften!

Wir bestiegen den Wagen, saßen in niedrigen Wölbungen. Mein schwarzer Freund konnte auf keinen Fall aufrecht stehen, beugte seinen Oberkörper nach vorn, schloss die Tür von Hand. Wirklich altertümlich. Aber warum nicht? Er huschte sofort zur Kopfseite des Wagens. Kein Führerstand dort. Gewöhnliche Sitzbank. Im rückwärtigen Teil genauso. Hinten und an Stirnseite, eine Zahlenapparatur, woran er irgendetwas einstellte.

Wirklich sehr alte Technik. Alles offensichtlich rein mechanisch mit handlangen Hebeln. Nichts aus Plastik, heutzutage allenthalben gegeben. Nur einige Bakelitarmaturen. Ebenso alt, die Inneneinrichtung des Fahrzeugs. Ungepolsterte Holzbänke boten harten aber genügenden Platz, erinnerten an eckig altertümliche Straßenbahnwagen, welche museumsreif bimmelnd manchmal romantisch durch verschiedene Städte quietschen. Sonderfahrten. An den Zahlenapparaturen konnte offensichtlich bestimmte oder beliebige Ziffernfolge eingestellt werden. Jedenfalls klackte es bei jeder einzeln vorgenommenen Betätigung vernehmlich. Schließlich drückte M'Beeki einen altersdunkel wirkenden roten breiten Knopf ins Pult.


Alle Rechte vorbehalten
Mannie Manie © 1996-2000
Unentgeltliche Weitergabe erlaubt!

 

weiterblättern: