Kring 01, 03. Kapitel, Seite 27

 

 
   
 

 


Aber Versicherungen machen's ja auch nichts anderes. Bei Lausig Al Allerlausig gab es eben Versicherung gegen Gedankenbrechreiz. Wie umsichtig von ihm. Seinen Schreibfleißerzeugnissen liegt immer äußerst kostensparender Zauberkrimskrams bei. Meist Wachspapierzettelchen mit krakeligen Aufmalungen. Sie sollen vorerst ‚Schutz' bewirken, bis das Geld auf seiner Bank gutgeschrieben, hernach er - hoch und heilig versprochen - ein magisches Ritual vollführen will, womit alle Fährnisse fortgepustet. Sein Ritual verläuft gewisslich in erfreuter Kenntnisnahme des Bankauszugs. Kann ich ihm nicht mal verdenken. An seiner Stelle verführe ich ähnlich.

Nun ist die liebe Frau Lessentin sicherlich nicht dumm, aber jeder und jede hat seine Schwäche. Frau Lessentins Schwäche: Sie fürchtet alberne Zauberzettel ‚Lausig Al Allerlausigst'! So bekomme ich meist das gesamte Schreibwerk zur allfälligen magischen Vernichtung übereignet, was durch kleine Weihehandlung mit viel Gemurmel geschieht. Kurz und schmerzlos und die Seele hat Ruh'. Selbstverständlich kann eingewandt werden: Völlig schwachsinnig!

Keineswegs schwachsinniger als meinen, Banknoten haben bestimmten und tatsächlichen Wert. Glaubten wir nicht, Geldscheine seien wertvoll, wäre das ganze Zeug nichts außer aufwendig hergestelltes, teuer bedrucktes Papier. Auch Münzen sind weitgehend wertlos. Deren Prägemetall besitzt keinerlei oder denkbar geringen Gebrauchswert. Schon gar nicht Gold. Gold ist zur Herstellung von Alltagsgütern beschämend nutzlos. Wir messen sogar bloßer Zahlenreihe auf Bankauszügen Wert zu. Reinster Zahlenzauber.

Gibt es noch Steigerungen? - Aber sicher: Wappen, Fahnen, Markenzeichen! Ob von Staaten, Unternehmen, Vereinen oder Gesellschaften. Unsereins bekommt da noch nicht mal Tauschwerte. Doch wir verbinden damit unverdrossen vorgebliche Eigenschaften, machen lange Gesichter, falls als flaue Luft erwiesen. Einwände, das sei doch alles was ganz anderes, entbehren jeder vernünftigen Grundlage. Es ist gleichgültig, wie etwas geheißen. Entscheidend bleibt tatsächliche Eigenschaft. Oder vermochte sich schon mal wer durch buchstäblichen Geldverzehr ernähren? Oder wurde jemand gesund oder vor Unglück bewahrt, dieweil mit teuren Markenzeichen unterwegs?

Nein, nein! Wir sind alltäglich von Zauberei und Magie umgeben und durchdrungen. Nur weil das Kindchen anders heißt, harren wir fester Überzeugung, es sei nicht so. Allein dies besonders gut gekonnter Zauber. Seidwerk, wie die alten Germanen sagten. Seelenklempner arbeiten gleichermaßen. Besonders jene unverfrorenen Bauernfänger mit theologischem Unidiplom machen ganz genau dasselbe, nennen es einfach anders. Wie dargelegt, ausschließlich Wortzauberei. Bei Seelenfängern aller Arten, Länder und Erdteile, nichts denn dreister Budenzauber.

Hierzulande fällt die Eucharistiefeier der römischen Kirche zudringlich ins Auge. Es wird tatsächlich und allen Ernstes behauptet, pappige Hostie und Messwein wandeln unter priesterlichen Beschwörungen buchstäblich in Fleisch und Blut des 'Menschensohnes'. Und das essen und trinken sie dann. Magie der grausigen Art! Symbolkannibalismus! Wer erfrecht jetzt noch und richtet über Frau Lessentin und mich? - Aber zu Frau Lessentin und mir zurück.

Nachdem wir uns weit über zwei Stunden angeregt unterhielten, fröhlich schwatzten, unterdes die halbe Flasche Portwein dran glaubte, meinte meine liebe Besucherin: "Du lieber Himmel, Herr Odde, es ist ja schon acht Uhr durch. Ich halte sie doch hoffentlich nicht auf?"

"Liebe Frau Lessentin, wenn sie sich ankündigen, habe ich auch genügend Zeit für unser Beisammensein. Machen sie sich da man keine Gedanken. So erfreulichen Besuch hat unsereiner schließlich nicht jeden Tag."

"Aber allmählich sollten wir darangehen, einen Blick in die Karten zu werfen. Das möchte ich nun nicht versäumen", antwortete sie.

Dazu gesagt: Ich lege nicht einfach Karten, sondern führe mit den Fragenden ein Gedankenkettenspiel anhand blind gewählter Tarotbilder durch. Ähnlich dem sogenannten Rohrschachtest. Entstandene Gedankenketten werden anschließend in Antworten zu gestellten Fragen umgesetzt, von mir selbst dabei lediglich Worte und Sätze. Inhaltlich entspricht die Gesamtaussage jeweiligen 'Ketten'. Hierüber denke ich nicht weiter nach, sondern übernehme gewissermaßen Aussagen des Unterbewusstseins meiner Gegenüber.

Meine Überzeugung: Die Seele, das Unbewusste eines jeden Menschen, kennt längst zutreffende Lösungen! Sie besitzt auch umfassendstes Wissen über alles was bewegt und ansteht. Es muss nur hervorgeholt und gesagt werden. Fragende geben also selbst Antwort auf eigene Fragen. Vollkommen folgerichtig. Zu diesen Zwecken sind die uralten Seelenbilder des Tarot hervorragend geeignet. Allein jedoch nicht machbar, bedarf es dazu grundsätzlich anderer Menschen. Man beschummelt sich nur zu gern mit Wunschdenken.

Tarot stammt übrigens weder aus Ägypten, noch von Zigeunern. Derart ausgesprochen abendländische Sinnbildersprache schließt vorgenannte Herkunftsmöglichkeit grundlegend aus. Woher letztlich überkommen, kann nur vermutet werden. Gesicherte Erkenntnisse gibt es keine. Aber die gibt es zu Runen gleichfalls nicht, entgegen strohdummer Behauptung, Sumerer oder Phönizier haben sie erfunden oder begründet. 'Ex oriente lux' ist blanker Unfug, christliches Propagandatotschlagwort. 'Ex oriente nix' oder zumindest sehr viel weniger als modisch gern angenommen. In beiden Fällen entbehren allgemein gängige Ansichten jeder wissenschaftlichen Grundlage. Niemand weiß Genaues. Beides ist einfach da.


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