Übergangsloses Geschubse und Geschiebe. Nichts gewesen, nichts vorgefallen? Schwatzende kaufende Leute allüberall. Ladenbesitzer zeigen wieder zufriedene Gesichter und beim sauteuren Bioladen werden hässliche Sandalen und Treterschuhe als höchlichste Errungenschaft über grünen Klee gelobt. - Damit sieht jeder aus wie ein Blödian. Bloß Boxerunterhosen sind noch doofer.
Eingehakt kommt ein schwarz gekleidetes Pärchen angeschlendert. In hautenger Kleidung freizügig Reize offengeboten. ,Sie' ist wirklich zum Anbeißen. Aber ,Er' lässt gleichfalls nichts vermissen. Beide haben gut 'Holz vorm Haus'. An entsprechenden Stellen, wohlverstanden. Einladend lächelnd treten sie näher.
"Ich bin Psicholonska!" stellt sie sich vor.
Er lächelt gewinnend, sagt jedoch keinen Ton. Anstatt dessen räumt er herumstehenden Verkaufstisch frei, holt eine Futonauflage aus nächstliegendem Laden und wirft diese darauf. - Niemand schenkt dem Vorgang Beachtung! Die sandfarbenhaarige Psicholonska streift ihre Kleidung gänzlich ab, wirft sie achtlos anderen in den Weg, sitzt dann mit gespreizten Schenkeln erwartend auf jetzt gepolstertem Tisch. Keiner würdigt die Schau eines Blickes, sucht begierig nach anderen Waren. Alle gehen vorbei.
Ihr braunhaariger Begleiter entledigt sich gleichfalls seiner Hüllen. Jetzt nackt, spricht er endlich: "Worauf wartest du? Wir mögen es, uns zu dritt zu vergnügen! Du doch auch?"
Soviel blanker Verführungskraft kann kaum ein Holzklotz widerstehen. Aber weshalb kümmert es Vorübereilende sämtlich nicht? - Also weg mit störenden Stoffbahnen!
Steifes Eindringen in urweiblich warmen Schoß löst letzte verbliebene Reste Schreckensspannung. Selber durchdrängt von hartzarter Männlichkeit, treibt verdreifachtes Schwingen unverhofft lange Entladung entgegen. Dreifache Bewegungen stimmen überein, empfinden, geben, nehmen. Drei Münder treffen, sprachlose Zungen reden. Sechsfältige Augen, Arme und Beine ertasten jede Einzelheit. Verlangende Leiber nehmen alles. Jeder gerät so nacheinander einmal zur Mitte. Doch eingebunden ins Paar klettert Fühlen viel höher.
Keinen Anstoß nehmen Leute, als geschehe nichts. Sind sie blind? Oder gar nicht da? Oder steht bestiegener Tisch bereits in anderer Welt? - Sachtwildes Spiel findet sein Ende im heißatmigen Überschreiten gemeinsamer Schwelle. Seelenvoll umschlungen ruhen drei, wollen nicht loslassen.
Anfänglich unbemerkt, steigt die Umarmung des Paares zur harten Klammer. Eisern zwängen deren Glieder den Fang dazwischen. Ihnen erst arglos anvertraut, quetschen zwei Leiber dritten. - Rachenzange! Menschenfalle!
Vormals sinnlich streichelnde Finger sind jetzt kratzende harte Krallen; Lust haschende Hände, klemmende Klauen; seidige Haare, stechende Borsten; beseelte Augen, grünkalte Spalten; fein fühlsame Haut, schlangenglatte Schuppen. Ehemals zärtlich windende Zungen zischen als kleistrig lange Schlingen aus hakenzahnig bewehrten Mäulern.
Raubmordvieh der Oberfläche! Selbstzerspalten in Zweierlei. Nur Aufbäumen wilder Verzweiflung zerbricht den Knochenkäfig. Nacktes Leben nackt retten, verfolgt in Futonladen. Scharf geschliffene Samuraischwerter hängen zum Verkauf an Wänden. - Schnell! Eines herunterreißen! Ein langes!
Abgeschleudert fliegt glatte Scheide quer durch den Raum, knallt Angreifenden hindernd vor grässliche Laufklauen. Heftige Hiebe zerteilen das doppelte Biest. Blitzschnell verwandelt es in vier harmlos aussehende Kinder. Eilig wie Sturmwinde entschwinden sie aus dem Staub. Raus aus dem Raum, rein in nächsten Seitengang unterirdischen Einkaufswirrwarrs.
"Blutsaufende getarnte Brut! Hinterher!" schreit befehlende Stimme. Stumm unwiderstehlich?
Unbelebt liegt gewählter Fluchtweg, langhin bestückt mit Schaufensterflächen noch nie eröffneter Läden. Da... um die Ecke... gerade noch gesehen... verschwindet schattenhaft letzter Zipfel eines der kleinen Ungeheuer, entweicht zu Aufgängen des Busbahnhofs. Mit Schwert in Fäusten nachgejagt, klatschen nackte Füße zur Ecke. Voran tappst voll falscher Harmlosigkeit kleines Mädchen, im Arm seine Puppe gegen unschuldig unreifen Körper gepresst.
Hab' ich's! - Wilder Hieb spaltet kindlichen Leib mittendurch.
Falsch! Echtes Menschenwesen! - Blasser Taumel! - Was hab' ich getan?
Blutverschmiert klirrt blitzendes Krummschwert zu Boden. Sperrgitter rasseln ringsum herunter, beißen krachend in Verschlüsse. - Gefangen! - Warnglocken schrillen in abgehackten Wellen. Verborgene Lautsprecher melden ihr Leben unter vielfachem Knacken, brüllen blechkalte Stimme heraus: "Mörder! Mmöörrdeerr! Wir haben dich!"
Ausweglos gestellt. Stetig lauter gellt grelles Schrillen von Klingeln...
...erwachte schreiend, wälzte verzweifelt durchs nassgeschwitzte Bettzeug, schlug mit Armen aufs Kopfkissen ein. Vergeblicher Versuch, Nachtmahre ins Alptraumjenseits jagen.
Längst meine Zudecke weggestoßen. Bedeckt von eisigem Schweiß fror ich erbärmlich. - Fieber! - Telefon schrillte durch Mark und Bein, riss eben aus Mordtraumwelt ins wache Fiebergeschüttel. Unklarer Blick zur Uhr brachte elende Gewissheit: Gesamten Tag verschlafen!
'18:39' zeigten blutig rote Zahlen hämisch. Einkommendes Gespräch dem Anrufbeantworter überlassen. Taumelig tappend Trockentuch geholt, kaltnass klebendes Schlafhemd mühsam vom Leib geschält, rinnende Krankfeuchte matt von zitternder Haut gerieben. In Hausmantel gewickelt, zerrte ich durchgeschwitztes Bettzeug weg, unter beständigen Schwindelanfällen frische Laken aus dem Bettkasten. Quälend befiel heißes und kaltes Fieberfrösteln. Endlich wieder ins Bett gefallen. - Bleib' stehen kleines Kinderherz!
Glücklich traumlos verschlief ich heranschleichende Stunden in kommende Nacht künftigen Tages. Bei neuem Erwachen herrschte trübes Morgengraudunkel. Verloren wirkende Vogelstimme begrüßte bereits anbrechende Helle. '4:53' erzählten dunkelrot schimmernde Ziffern.
Kein Fieber mehr! - Im tiefen Schlaf blieb schüttelnde Hitze zurück.
Gottseidank! - Oder vielleicht besser: Hex sei Dank? - Unwichtig... Guten Morgen!