Kring 01, 04. Kapitel, Seite 33

 

 
   
 

 


07:45 zeigten Uhrziffern! Diesmal glaubte ich zu wissen, welcher Weise ich nach Hause kam. - Wir schlichen gegen halb fünf zur Oberfläche, traten aus einem der 'Tore' ganz normal auf erwachende Straße. Als gingen wir zur Arbeit, nebst allen anderen, die graugesichtig herumeilten. Ganz einfach. Man musste es nur wissen. Zu so frühmüder Stunde suchte ich daher nochmalige Heimeligkeit eigener Bettstatt.

"Tagsüber besteht fast keine Gefahr", gab ,Fee' mir noch auf den Weg.

Sicher? Sämtliches tatsächlich so, wie jetzt geglaubt? Genauso konnte alles nur gedanklich zurechtgelegt sein, damit ich nicht vollends durchdrehe. Was stimmte und was nicht? Halbschlafener Übergang zaubert einem oft Umstände vor, ganz anders als sie scheinen. - Der Schein trügt oft genug! - Noch reichlich unausgeruht. Fühlte mich auch irgendwie zerschlagen und nicht besonders wach. Wälzte matt auf andere Liegeseite...

Vorbei an lärmenden Gästen italienischer Kneipe, vom aasigen Brodem des 'Kapuzenkaffe' beweht, umfängt aberwitzige Geschäftigkeit der Fußgängerstraße jede Leibesfaser. Erstaunlich, was alles heranschreit aus Schaufenstern, Auslagen und Werbebildern. Trotz unbändigen Geschiebes der Laufkundschaft, überfallen sie jeden mit falscher Versprechung Gedöhnse. Hinreichend allein in Augenfälligem.

Mit großflächiger Zurschaustellung beidgeschlechtlicher Nacktheiten machen Duftwässerläden glauben, begössen sich alle mit ihren überteuerten Riechflüssigkeiten, erlange jeder und jede puppenartig falsche Vollkommenheit auf Bildern lügenhaft windender Leiber. Ganz zu schweigen von Salben und Tunken, deren Wirkung - versprochen! - Jungbrunnen sei. Verstrichen auf empfindsamere Häute behelfen sie nichts, außer Fettung, Pickel und blühenden Ausschlag.

Geduckt in wenig benutzte Eingänge, halten mehr oder minder verknitterte 'Zeugen' ihres Putzfrauenglaubens Schriften feil. - Gnadenlos! Hartnäckig und ausflüchtereich verleugnen sie seit undenklichen Zeiten ersichtliche Tatsache, dass das Weltgericht des eifersüchtigen Wüstengottes einfach nicht eintreten will. Schon gar nicht so, wie sie es halsstarrig glauben. - Wie erbarmensfrei von ihm.

An folgender Straßenkreuzung schlendert offensichtlich einheimisches Ehepaar, zeigt durch seine Bekleidung, besonders die Frau: Der Lehre des morgenländischen Basarpredigers versessen! Albern suhlen sie wohlig im Pfuhl gemeiner Fehleinschätzung, diese Lehre sei aufgeschlossen und offen. Dabei belegt beider zwanghafte Zugeknöpftheit Missklang krassen Gegenteils.

Außerdem: Was kann Glaubensgroßmut schon wert sein, welche gerade noch knapp gestattet, was sie als völlig gleich einstuft, Verehrung desselben Sandgottes? Und nur solange Andersverehrer schön unterm Deckel blieben. Schicksale solcher, welche mit keiner dieser Glaubensweisen gemein sein mochten, unterlag bei einen wie anderen 'Verehrenden' frommer Mitleidlosigkeit. Ausmerzung! Gleiche Brüder, gleiche Kappen. - Was soll's?

Gemächlich schlendert riesiger Schwarzafrikaner vorüber, bleibt stehen, blickt in ein Schaufenster, dreht herum, schaut durchdringend her, lehnt für Augenblicke gegen die starke Auslagenscheibe, wohinter Radios und gebrauchte Fernseher gestapelt glotzende Hässlichkeit über Straßenweiten werfen.

Hat er Sorgen oder einfach nur Heimweh? Sucht er Kunden für verbotene Waren?

Jetzt schaut er weg, geht schwer einige Schritte, verschwindet im hohlen Eingang daneben. - Fort! Als sei er nie da gewesen, riesenhafter Mohrensohn.

Hinter unterbrechender Straßenkreuzung brodelt Käufergewusel ungebremst fort. Zugestellt mit verschiedenster Ware auf Auslagenständern, fällt ein kleines Reformhaus ins Auge. Wer hineinkommen will, muss erst erheblichen Hindernislauf bewältigen. Große Gefahr, dass durch gewohnte Bewegungsfreiheit einiges der gestapelten Güter zu Boden gerät und vielfach in Bruch zerspellt. Bediensteter weißkittelige Kleidung gemahnt an ärztlichen Gesundheitszauber. Entsprechend gesetzte Preise winken von Verpackungen.

Obgleich, zur Ehrenrettung gesagt: 'Gesundnahrung' wird in großen Einkaufsmärkten stets um einiges teurer verkauft. Wohl gerechnet, schlendrige Kunden meinen, weitläufiger Selbstbedienungshallen Preise müssten knapp bemessen sein.

Bei so vielen Sonderangeboten? - Irrtum!

Allerdings ist auch an dieser engen Stätte hier einige Vorsicht geboten. Lockende Sonderpreisauszeichnungen gar oft auf längst überschrittene Verfalltagsangaben geklebt, verbergen in verschwenderischer Breite, betreffende Inhalte dürften schon längst nicht mehr verkauft werden. - Schlawiner, diese! Und manche bestimmte Warenart ist in Asienläden wesentlich günstiger.

Innenstadtwärts den Weg weiter verfolgt, kann mit Genugtuung festgestellt werden, dass die türkische Bäckerei verschwunden. Wer an fettversogen übersüßtem Osmanengebäck seinen Magen jemals verdarb, wird diesen Umstand ohne Bedauern rückhaltlos begrüßen, verbunden mit tiefer Rachebefriedigung. Anstatt ihrer, nimmt gewöhnliche Backwarenverkaufsstelle mit Stehkaffeeausschank den Platz.

Entgelt einer Tassenfüllung scheint ungewöhnlich günstig. Ob dabei am Geschmack gespart? - Nein! Überraschung walzt alles Misstrauen platt in gefliesten Fußboden. Hierzu ist selbst jenes mit himmlisch ungesundem Zuckerguss überplatscht schreckliche Mohnstreifenstück annehmbares Genießen. Auch wenn zwischen Zähnen verklemmte Mohnbrösel noch stundenlang Unwesen treiben mögen.

Zurückgekehrt auf Fußgängerstraße, überfällt beunruhigende Ruhe unvorbereitetes Gemüt. Außer wenigen forthastenden Leuten, alles quirlige Gewühle verflogen. Lediglich bei etwas entfernten Sitzbänken spielen selbstversunken fünf kleinere Kinder alterslosen Zeitvertreib. Geheimnisvoll wirkt er jetzt und allfällig steigen versunkene Erinnerungen hoch. Doch irgendwas stimmt nicht!


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