Kring 01, 02. Kapitel, Seite 17

 

 
   
 

 


"Hier, das ist deiner", erklärte er knapp.

"Meiner? Meiner liegt bei mir im Schlafzimmer rum."

"Nein, das ist der."

"Warst du in meiner Wohnung?" forschte ich verblüfft. "Wie bist du denn da reingekommen?"

"Frag' jetzt nicht so viel. Durch die Tür natürlich. Was glaubst du wohl wie der da reingekommen war?" Er wies auf den Kreisel. "Die Nacht vorher, mit dir und uns und deinem Schlüssel", kam seine Erklärung. Damit wurden einige Rätselhaftigkeiten verständlich. "Halte den jetzt - so - in deiner hohlen Hand. Er wird nicht kreiseln aber leuchten. Der ist von dir noch nicht aufgeladen." Er bog meine rechte Hand zurecht und setzte den Kreisel hinein. Augenblicklich leuchtete das seltsame Ding auf und summte leise. Jetzt besaß ich eigenes Licht, fühlte seltsame Sicherheit.

Eilig stapften wir weiter. Irgendwann vorher ging mein Zeitgefühl verloren. Wie lautet eigentlich der Name des fremden Helfers? Er nannte ihn bisher nie. Wann stieg ich in diese verdammte U-Bahn? Vor einer Stunde? Vor zwei Stunden oder gar mehr? Ereignisse tobten in Purzelbäumen. Genauso gut konnte erst wenig mehr als eine halbe Stunde vergangen sein. Endlos weitete mit Holzschwellen besäte Strecke. - Holzschwellen? Wieso Holzschwellen? - Kein Wort fiel. Nur Tritt unserer Füße brach ins Stille. Linkerhand tauchte aufwärts weisende Eisenleiter in unseren Lichtbereich.

'Freund' steuerte stracks darauf los. "Hier müssen wir raufklettern. Los, Bewegung!" Klänge er nicht besorgt, verbäte ich mir diesen Befehlston sofort. Aber ich stopfte den Kreisel kurzerhand rückseits in den Hosenbund und tat wie geheißen. Kreisrunde Öffnung überkopf. Angelangt forderte 'Freund': "Schlüpf' da durch, nimm deinen Kreisel und leuchte mir."

Im Schimmerlicht des Kreisels suchte ich sicheren Stand, beugte durch die Öffnung. Krampfhaft umfasste Leuchte. Behend erklomm er gleiche Höhe. Kaum neben mir, verschloss er das Loch mit dem schweren Metalldeckel, der zur Seite gekippt im Scharnier ruhte, verriegelte sorgfältig. Das Ding bemerkte ich noch gar nicht.

Weiterer Tunnelschlauch, nur ein Stockwerk höher und wesentlich kleiner gegraben als der gleisführende aus dem wir eben entstiegen. Schotterbett am Boden, ohne Gleise. Vielleicht sollten irgendwann welche gelegt werden, bislang aus dunklen Gründen nicht erfolgt. Sogar Beleuchtung, wenn auch außerordentlich bescheidene. Etwa alle zehn bis zwölf Meter funzelte schwaches Glimmlicht, vergleichbar Kinderzimmernachtlichtern. Normal große U-Bahnen konnten hierin sicherlich nicht verkehren. Bestenfalls Bergwerksbahnen.

Merklich verringerte Anspannung lockerte ihren Würgegriff am Hals. Hinreichende Sicherheit schien gegeben. Eine Art Schüttelfrost überfiel mich. 'Freund' bemerkte es, fasste meinen Arm und führte in den Tunnel voran. Ob vor oder zurück, links oder rechts, Osten, Westen, Norden, Süden oder sonst was. Alles Richtungsempfinden vollständig dahin. Lediglich Oben und Unten klar. Glimmlichter markierten Wandnischen, worin mit Müh' und Not ein erwachsener Mensch verflüchten konnte. Gemauerte Särge ohne Deckel.

Nach bestimmt dreihundert Metern blieb er vor einer Nische stehen. Keine erkennbare Besonderheit. "Puh, wir sind da. Hier müssen wir noch rein, dann sind wir sicher aufgehoben."

In seiner Hand wirbelte der Kreisel stärker. Dessen Licht traf in der Nische eingelassene eiserne Tür. Ich hätte sie glatt übersehen. Mattgelb leuchteten kurz Türumrisse auf, dann schwang dieser Eisenpanzer vor uns zurück oder glitt ins Mauerwerk. Genau konnte ich das nicht erkennen. Fast kein Geräusch. Trockener Geruch wehte heraus.

"Ja, nun mal vorwärts, Junge. Hier müssen wir schon selbst durchgehen", verlangte der ,Fee' munter.

Mein erster Schritt löste irgendetwas aus. Gedämpftes Licht füllte einen Gang, dessen Abmessungen ungefähr einem Wohnungsflur entsprachen, jedoch erheblich länger streckte. Nachdem auch meine Begleitung durch unsichtbare Schranke, schloss die Türöffnung leise rumpelnd von selbst. Abermals nicht gesehen, wie. Jedenfalls Panzertür zu und wir im Gang. Etwa fünfzehn bis zwanzig Meter entfernt sperrte Mauerfläche. Ein Quergang. 'Freund' lotste nach links, ich folgte, blickte erschrocken zurück. Hinter mir sank mit sachtem Rasseln dickes Stahlgitter herunter.

"Ja, ja, das ist ganz in Ordnung so", brummte er. "Ist alles nur zu unserer Sicherheit."

"Hoffentlich nützt die ganze Gefängnisausstattung auch was", bemerkte ich mehr zu mir selbst.

"Keine Sorge! Da bin ich mir ganz sicher. Und raus kommen wir auch wieder. Verlass' dich drauf."

Der Quergang endete an drei nicht unwehrhaften Türen. Eine gerade vorauf, je eine links und rechts im Längsverlauf. Linke Hand flach gegen deren Rahmen gedrückt, schob er die geradeaus liegende Tür mit gleichfalls flacher Rechter auf. Ohne sonst übliche Öffnungsgriffe konnte man diese Türen anscheinend nur so betätigen. Handinnenseiten als Schlüssel. Nur 'richtige' Hände verschafften Zutritt.


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