Kring 01, 06. Kapitel, Seite 45

 

 
   
 

 


Proppenvolles Café Rauch. Der Laden brummte. Um diese Uhrzeit nicht anders bekannt. Späte Kaffee- und Teezeit, Frühstückszeit für Nachtschwärmer.

Frühstück gab es hier gesamten Tag über, in allen ausgefallenen Varianten bis spät in die Nacht, weswegen Café Rauch bei Leuten und Vorlieben aller erdenklichen und verqueren Arten überaus beliebt. Auch ich mochte diesen Laden eigentlich gern, fand aber nicht sehr häufig Anlass, darin herumdrücken.

Von Kaffeeduft und Zigarettenqualm geschwängerte Luft. Stimmen summten und surrten kreuz und quer, sämtliche Tische schienen besetzt oder belegt, besonders an den riesigen Fensterfronten zum breiten Gehsteig. Dort draußen dienten gleichfalls besessene Tische und Stühle Eitlen, denen geradezu gewalttätige Schaufensterausmaße nicht genügten.

Zwischen Gästen und Bediensteten drängelte ich durch, hielt Ausschau nach angenehmem Platz und M'Beeki. Hier saß oder stand er jedenfalls nirgends. Vielleicht ist er unten? - Nachsehen!

Café Rauch bietet Lärmen Drängeln und Drücken über zwei Etagen, Erdgeschoss und Keller. In letzterem gehen Toiletten, Gästeraum und Spielautomatenstellen ineinander über. Irrwitzige aber anregende Mischung aus Urindampf, Kaffeedunst, Klackern und Gedudel von Automaten. Durchdringender Kaputschinogestank, begleitet strengen Geruch französischer Schwarztabakzigaretten. Vielstimmige Unterhaltungsfetzen und gackerndes Gelächter seltsamster Erscheinungen hiesiger Stadt und Welt.

Aber dort unten lungerte der riesige schwarze Kerl auch nicht herum. Dabei fiele er ob seiner auffälligen Statur sofort ins Auge. Ob der schon verschwand, weil ich nicht pünktlich zur Stelle war? - Ziemlich unwahrscheinlich, dermaßen penibel wird er doch wohl nicht sein, bei akademischer Viertelstundenverspätung bereits das Weite suchen. Albern!

Mein Aufbruch von Zuhause, ziemlich eilig einige Querstraßen hierher, erlaubte zuvor keine Zeit zu pinkeln, nach reichlichem Teegenuss stets dringlich. Was lag also näher, als die ,Saloon-Schwingtür' ins Männerklo aufstoßen, Erleichterung finden? Kaum in Pinkelstätte drin, sah ich auch schon den Ersehnten.

M'Beeki streckte seinen beachtlichen Pimmel in ein Pissbecken, vergab gewaltig plätschernden Goldstrahl. Mir ebenfalls dringend notwendig. Trat hinzu, vermochte mein Staunen über dessen Maße nicht ganz verbergen. M'Beeki bemerkte es, grinste breit und freundlich, stellte sich doch tatsächlich so hin, dass alles ganz genau begutachtet werden konnte. Jemand anderem womöglich peinlich. Mir nicht! Derart Ausgewachsenes sieht man schließlich nicht alle Tage. Gewissenhaft ließ ich unverhohlener Neugier freien Lauf, eigener Strahl netzte vernehmlich kullernd ins Becken daneben. - Nun ja, schließlich ein großer Kerl von Mensch, dieser Herr M'Beeki, also muss entsprechend dran sein. Daran gemessen, erschienen vorgewiesene Größen durchaus nicht übertrieben. Zwar sicher nicht wenig, aber sonst ganz normal.

Schließlich fand dies Zwischenspiel sein Ende, andere Schlauchträger ringsum feuchtend am Gange. "So trifft man sich wieder, mein Bester", sagte ich launig, eingedenk M'Beekis Mahnung, so zu tun, als träfen wir uns rein zufällig. "Vielleicht sollte man auch an solchen Orten künftig Kaffee, Kuchen, Bier und Spirituosen servieren, dann hat man keinen so langen Weg, um es wieder loszuwerden."

M'Beeki lachte breit. "Man könnte dann auch viel leichter den kürzesten Weg wählen und das ganze Zeug sofort ins Klo schütten und runterspülen, dann spart man manchmal schreckliche Verdauungsmühen." Gelächter von allen Seiten! Zumindest verstand man hier auch derbere Späße, solange nicht gerade doof oder platt stammtischmäßig.

"Wo sitzt du denn? Ich bin eben erst gekommen", erkundigte ich.

"Oben im Sichtschatten neben einem der nuttigen drei Schaufenster", entgegnete er fröhlich. Von jetzt an stand fest: Diesen Menschen mochte ich, seine ungezwungene Art und Weise, seine unaufgesetzte gute Laune, die sofort ansteckte!

Wir entfleuchten dem Urinal in höhere Gefilde des Café Rauch. Wahrscheinlich dachte der eine oder die andere, wir haben uns eben im Klo kennen gelernt. - Mir doch egal! M'Beeki schien es auch reichlich schnuppe. Abermalige Reue, dass ich ihm am frühen Morgen so übel mitspielte. Er schien wirklich ein sehr ordentlicher und angenehmer Zeitgenosse. Derlei leider nicht übermäßig häufig, wobei es keine Rolle spielt, in welchen Ländern und Erdteilen.

Erstaunlich gewandt fädelte M'Beeki seinen nicht gerade schmalen Körper durch Mengen drängender Leiber anderer Gäste, schaffte mir dabei gleichzeitig bequeme Bahn zu einem entsetzlich kleinen Bistrotisch mit zwei wenig weitgreifenden Sitzgelegenheiten. Vor lauter Leuten bei meiner Umschau zuvor völlig übersehen. Aber M'Beeki stand ohnehin im Klo unten herum. Eine etwas verrückt bekleidete Frau ansprechenden Alters saß dort und blickte hoch.

"Hab' ich euch den Platz geklaut?" fragte sie, zauberte Lächeln herbei. "Na, dann lasst euch mal wieder hier nieder, Leute. Ich wollte sowieso mal an die Bar. Tschüs!" Winkend rauschte sie davon.

Nettes Wesen! - Schade, würde mir gefallen. Leider nicht die richtige Zeit für Anbandelungen. Erstaunlich, wie der grazile Stuhl M'Beekis Gewicht aushielt. Nichts geschah. Gar nichts. Kellner und Kellnerinnen bekamen bei dem Betrieb hier drin kaum Luft und konnten meinen suchenden Blick auch schlecht aus unserem Winkel wahrnehmen.


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