Kring 01, 02. Kapitel, Seite 21

 

 
   
 

 


Zeichen für Aschas. Es stiftete seinem Leben neue Richtung. Unablässig bedachte er Fluchtmöglichkeiten. Unter aufmerksamen Aufseheraugen gar nicht einfach, nur sehr wenigen bisher geglückt. Meistens von Sklavenhäschern gefasst und ihren Besitzern gegen Entlohnung wieder übereignet, starben sie häufig nach grausamen Strafen.

Seine Stunde kam, als er auf weit entlegenen Feldern arbeitete. Weintrunken schäkerten die meisten Aufseher mit Landmädchen, wurden ungewohnt nachlässig. Aschas duckte in Gebüsche, zur Grenzmarkung nahe dichtem Wald angelegt. Dorthin flüchtete er leichtfüßig, trotz Fußketten. In einsamer Dorfschmiede fand er Werkzeug, zerschlug seine Fesseln, eilte windschnell davon. Ferne Stimmen warnten, wehten näher. Anschließend endlose Tage ostwärts am Rand der Berge entlang gewandert, stets auf Deckung bedacht.

Kräutern und frühe Beeren nährten unzureichend. Nachts stahl er in vereinzelten Höfen und Häusern Nahrung, fand trinkbares Wasser in Bächen und Brunnen. Bald stand fest, er müsse landeinwärts die anstoßenden Südberge des hohen Sperrgebirges überwinden. Diese drängten bis zur mittlerweile erreichten Meeresküste. An Küsten lauerte auf jeden Fall mehr Gefahr seiner frischen Freiheit.

Woche um Woche verging. Voller Mond dünnte wieder zum Neumond. Karstige Gebirgslandschaft bot flüchtigen Sklaven nur wenig Auskommen. In tieferen Lagen fast sommerlich warm im jungen Jahr. Oben im hohen Karst klirrten noch frostige Nächte. Zwei Zehen am rechten Fuß erfroren eines Nachts. Schmerzen plagten. Besser das, statt Tod an Kettenpflöcken. Boten Höhlen Schlafplatz oder Schutz vor kaltem Regen, durfte er schon froh sein. Fast menschenleere Gegend. Weit entfernt, ab und an Behausungen. Nagender Hunger. Schnecken und Würmer und selbst eine mit Steinwurf erlegte Ratte verschmähte er nicht. Sämtliche Pflanzen meist sehr hartfaserig. Nur weichere konnte Aschas essen. Ihm fehlten einige Backenzähne. Früchte gab es noch lange keine.

Seit Fluchtbeginn vergingen zwei Vollmonde, als er durch glücklichen Zufall die Hütte der wilden Frau entdeckte. Versteckt einsam zwischen Felsgewirr, dornigen Gebüschen und knorrig zerzausten Bäumen, jenseits Weg und Steg. Beider Sprachen erlaubte keine Verständigung. Doch die 'Wilde' schien des Alleinseins überdrüssig und nahm den von Hunger und Anstrengung geschwächten auf. Fürchten brauchte sie einen wie Aschas ohnehin nicht. Kräftiges wildes Weib, womit anlegen selbst größeren Männern schlecht bekäme.

Etwas untersetzt und gedrungen, wirkte sie stämmig. Nicht unweiblich, sondern ungeziert und herb, von unvermittelter Art, gerade heraus. Passend zur sonnengebräunt wettergewohnten Haut, ihre langen dunklen Haare. In Knoten geschlungen durchaus Zierde. Sie mochte wohl um dreißig Jahre zählen, besaß aber noch sämtliche Zähne, sicherlich wegen einfacher Nahrung. Nicht mangelhaft genährt, aber dafür ohne ersichtliche Fettpolster. Schmutzig schien sie auch nicht, roch so, wie man ohne kunstreiche Nachhilfe eben riecht, sich nur an naher Quelle gründlich waschen kann.

Milch ihrer Ziegen und Schafe reichte vorerst auch für zwei. Aschas ging es nach einigen Tagen weiblicher Fürsorge besser und lernte kennen, wozu im Sklavenhaus keine Gelegenheit: Lust mit einer Frau!

Gewiss, keine Valeria. Aber Aschas' durch jahrelang schwere Arbeit gezeichneter Körper bildete kaum Entsprechung zu deren Anmut. Knotige Glieder, Rücken leicht gekrümmt, struppige Haare. Obwohl wenig über zwanzig, wirkte er wesentlich älter, manchmal sogar alt. In der Hütte der wilden Frau fand er Geborgenheit. Ferne Erinnerung an lang verflossene Kindheitstage in Weiten flacher Ostländer. - ,Skythia' von den Römern genannt.

Sommer. Zeit kurzer Nächte. Harte Sonne brannte vom Himmel über karstigen Bergen. Aschas verlebte arbeitsreiche, doch durchaus glückliche Tage bei der wilden Frau. Manches Mal dachte er wehmütig an Ermo den Germanen, wünschte, dieser hätte kein so unglückliches Ende gefunden und alle Unbeschwertheit mit ihnen teilen können. In Freiheit, wonach trotz schlichten Geistes quälende Sehnsucht in ihm brannte. Letzte Monate vor dessen Tod prägte Bemühen, einander wenigstens etwas Glück zu schenken. Die 'Wilde' entspräche sicher seinem Geschmack, erzählte Ermo doch oft von Liebesabenteuern mit Mädchen seiner Heimat, seines Stammes und in Gegenden, vor seiner Versklavung gesehen.

Aschas vergrößerte den Garten der wilden Frau gut dreifach. In Karstmulde gelegen, erhielten angebaute Pflanzen ausreichend Feuchtigkeit, zudem geschützt gegen scharfkalten Wind. Viele Tage lang schaffte er Mutterboden heran. Nicht einfach in karger Berggegend. Dafür mussten beschwerliche und lange Wege zurückgelegt werden. Doch er schaffte es, wollte damit seine Dankbarkeit ausdrücken. Mit Worten ging es sowieso nicht. Sie sprach völlig fremde Zunge. 'Ul' nannte sie sich selbst. Er mochte und liebte ihre etwas unbeholfene Art, ihre derbe Weiblichkeit. Ähnlich, wie er Ermo mögen und schließlich lieben lernte, obgleich das etwas anderes war.

Von Berghöhen bereits ersichtlich, erstreckte die Grasebene zum Grenzstrom. Manche Stunden saß er allein oder mit der wilden Frau dort, ließ Blicke schweifen. - Unerwartet rief und drängte es ihn ins Ostland. Er wollte, musste weiterziehen. Warum, konnte Aschas nicht recht begreifen. Wahrscheinlich Erinnerungswehen aus Kindheitstagen. Zwar traurig, verstand Ul seinen Wunsch, gab ihm mit, was sie entbehren konnte. Furchtbar viel passte ohnehin nicht ins Wanderbündel. Insgeheim hoffte sie, er werde zurückkehren. Doch beide wussten: Endgültiger Abschied!


Alle Rechte vorbehalten
Mannie Manie © 1996-2000
Unentgeltliche Weitergabe erlaubt!

 

weiterblättern: