Erschrocken stand er beim ausgeschlachteten Auto in jenem Innenhof, wohin er dem dunklen Mann, dem Dieb des Glanzes folgte. Elfenbrücke gleißte vor ihm und er wusste, er konnte nicht zurück. Mit Eintritt in den Hof verschwand die Tür zum Geheimgang. Ebenso die Toreinfahrt, welche er am späten Nachmittag hier herein durchschlich. Nirgendwo Fluchten. Verschlossenes Tor. Er müsste alte Mauern senkrecht hinaufklettern, wollte er schnellstens hier verschwinden.
Unmöglich! Wie angeklebt erwartete er jeden Augenblick den unheimlichen Fremden in vielfach streifig durchbrochenen Strahlen giftgelber Elfenbrücke, dessen grausame Augen. Die brennende Fackel ließ er fallen. - Wühlende Angst.
Du hast doch noch den Dolch! Du kannst ihm die Augen ausstechen!
Aber das beruhigte nicht. So konnte er vielleicht verschwindend kurze Zeit herausschinden. Flüchten, dem Dieb des Glanzes, dem Räuber der Farbe entkommen? Ausgeschlossen! Den konnte man nicht erstechen oder dessen Augen blenden. Der hatte keine Augen. Ungewisse Möglichkeit: Die Elfenbrücke!
Er musste es wagen. Blieb er hier einfach stehen, gewönne er schließlich auch nichts. Es käme am Ende dasselbe heraus. Also konnte er auch getrost vorangehen, allem was da kommt ins Gesicht schauen. Denn schauen müsste er sowieso, da schien kein Ausweg. Heißer Angst und wild klopfendem Herzen tat er ersten Schritt... zweiten... dritten... vierten... fünften... Beim sechsten Schritt geriet er in Lichtstreifen, hinein in das, wovor Ingomar warnte.
Nichts geschah. Nichts zu fühlen, außer kaum merklich schwingendem Widerstand. Kurz sah er nach unten. Seine Sohlen berührten das buckelige Hofpflaster nicht mehr. Die Elfenbrücke trug ihn. Ungläubige Erleichterung jubelte geradezu, wischte schlimmste Furcht weg. Immer schneller und schneller kletterte er leiterartigen Fächer gelblichen Sonnenlichts auf Dunst und Staub höher.
Schreck durchstieß mit Wucht geschleuderten Speeres. Unterhalb seiner Füße erschien der knochig kahle Kopf des dunklen Mannes im leuchtenden Lichtfächer. Wie zähes Tuch durchsichtigen Gummis lagen Elfenbrückenstrahlen darüber. Hart drückten Umrisse schwarzäugigen Gesichts dagegen. Keineswegs verklärt. Nur die Augen blieben unter Stirnwulst verborgen, von Erfrieds höherer Warte besehen.
Ich muss dem Dieb des Glanzes entkommen!
Angetrieben vom unbändigen Wunsch erreichte er spitz hochsteigendes Hausdach geradezu leichtfüßig. Knapp schaute die Sonne darüber und warf Elfenbrücken, verbarg uralt bemooste Dachplatten. Nur der Stumpf des Schornsteins aus bröckeligen Klinkern ragte durch Lichtfluten, glich einem riesigen abgehackten Daumen. Erfried blieb unschlüssig daneben stehen, sah über unzählige Dächer, als flöge er hoch oben irgendwo in der Luft. - Höhenangst!
Wie komme ich nun weiter? Vergebliche Suche nach Abstiegen. - Keine Möglichkeit! Allein stand er auf dem Dachfirst, klammerte Hände in unangenehm bröselnde Kaminbacksteine. Zwar konnte er es nicht sehen, doch stand felsenfest: Der Räuber der Farben folgt unverzüglich! Schleppende Schritte auf der Elfenbrücke! Wo verstecken?
Steiles, sehr hohes Dach, darunter schwindelerregende Tiefe. Straßenpflaster oder Erdboden konnte er nicht erkennen, lediglich andere Dächer. Sinkende Sonne blendete unbarmherzig. Er musste wieder auf den First. Erfried turnte um den Schornstein herum, krallte Finger an alte Steine. Tastender Griff fasste Kerben im Klinker. Sein Gewicht hing daran. Der Stein brach heraus. Erfried fiel und fiel und fiel... Fall ohne Ende. Erstaunlich ruhig erwartete er jeden Augenblick Aufprall... vom ungebremsten Sturz zerschmettert sein...
Besser das, als vom dunklen Dieb gefasst!
Schlagartig tauchten Augen auf. Riesige Augen. Riesig wie Tore. Hungrige Augen. Hungrig wie ein Rudel Wölfe im Winter. Unbezwingbare Augen. Unbezwingbar wie Wirbelsturm. Er fiel genau hinein.
Der Dolch! - Erfried riss den Dolch aus der Hosentasche, drehte im pfeifenden Fall, hielt die scharf geschliffene Klinge nach vorn, tauchte als lebender Speer in glatte Oberfläche seelenloser Augäpfel. Stöße saugender Schwärze im Arm... Schrei...