Von überall hallte es trocken und kurz zurück, drang auf ihn ein. Auch eigener Herzschlag schien von alten Wänden und dicken Quadersteinen verstärkt. Jeder Schritt in Ganglänge änderte etwas. Nichts verriet, wie oder wodurch. Nur ungewohnter Druck wuchs eigenartig. Links und rechts lagen wenige Türen. Keine versperrt. Dunkle leere Räume ohne Lichtschalter. Welchem Zweck sie dienten, fand er nicht heraus. Ausgänge nach draußen dürften dort kaum abgehen. Im schmal einfallenden Kellerlampenlicht erkannte er eine Art Pritsche in einem Raum. Kerkerzellen? Die gefürchteten Folterkammern?
Schauder rann. Rasch lief er weiter. - Ende! Keine weitere Tür im Gang. Dafür rechterhand absonderlich dreieckig beschaffene Öffnung. Übermannshoch, fast gleichschenklig, am Boden etwa drei Meter breit. Schier finsteres Gewölbe dahinter. Oben im Dreiecksdurchlass entließ gering glimmende Birne kränklich schwaches Licht in unerwartete Weite. Bald kleiner Saal! Überrascht ging er hinein.
Klobig wirkende Schränke und Kommoden längs an Wänden. Eher in der Mitte, einige schwere Stühle und entsprechender Tisch. Den Steinboden darunter deckte sogar ein Teppich. Viel benutzte Petroleumlampe stand auf dem Tisch. Blechern, dickdrahtiger Tragebügel. Auf Baustellen findet man ganz ähnliche. Hässliche Dinger! Es schien sogar Brennflüssigkeit im kleinen Tank. Kurzes Schütteln bewies es gluckernd. Am Tischflächenrand lag beziehungslos ein schwerer Schlüssel. Altertümlich!
Ohne Streichhölzer oder Feuerzeug nützte die Lampe herzlich wenig. Nirgendwo etwas dieser Art. Auch in zuvor durchforschten Teilen schauerlichen Gewölbes fand er dergleichen nicht. Hoffnungsvoll suchte er jedes mal danach oder nach einer Handlampe, wenigstens Kerze. - Vielleicht auch nur übersehen? Streichholzschachteln sind keine sehr augenfälligen Gebilde.
Die Kommoden enthielten gefaltete Stoffe und eigenartige Metallgegenstände. Teilweise mochten es Weihrauchkessel und Brandhalter sein. Das meiste, blankes Messing, Bronze oder Kupfer. Unbrauchbar. Leider nichts, was als Waffe taugte. Kein Dolch, kein Schwert und schon gar kein Schießeisen. In den Schränken hingen vielfach Kleidungsstücke unterschiedlicher Farbe und Machart. Ein auffallend breiter Schrank enthielt Kutten. Darunter wohl auch solche blutig roten, welche jene drei Priester oder Priesterinnen vergangene Nacht beim Feuerfest trugen. Jedenfalls sahen sie im kargen Licht genauso aus.
Blutkutten? - Plötzlich fiel ihm ein, wie gänzlich unvermittelt alle drei Blutkuttenträger am Feuer auftauchten, falls vernebelte Erinnerung nicht völlig täuschte. - Oder warteten sie dort versteckt? Aber wo? - Und wenn nicht, sind sie kaum mit den übrigen Wallfahrtteilnehmern gekommen, sondern auf andere Weise aufgekreuzt. Es müsste dann einen Gang dahin geben. Fände er ihn, gelange er unbehelligt in Freiheit. Aufgeregt stand er vor dem klobigen Tisch. Wo lag das Tor zur Freiheit? Die Kutten im Schrank gaben Fingerzeig, es könnte recht nahe sein.
Hier drin kaum! verneinte rascher Augenschein. Aber vielleicht noch irgendwo brauchbares Zeug? In einen Schrank sah er noch nicht. Er öffnete. Beide Türflügel knarrten widerlich. Schwarze Leere gähnte und erstickend süßlicher Geruch schwadete entgegen. Schon wollte er mutlos wieder schließen, als er einsam glimmendes Licht im Dunkel bemerkte.
Das ist gar kein Schrank! Das ist ein Durchlass! - Bedrückend lichtferne Hohlweite. Merkwürdig kullerndes Plätschern. - Was ist das denn? - Mittlerweile an schwachen Schimmer gewöhnt, erspähte er undeutlich Einzelheiten.
Der geheimnisvoll zwielichte Raum glich in etwa vorgelagertem. Jedoch völlig anders in Stimmung oder Einrichtung und eher rund. Boden und Wände heller gehalten, erkennbar geglättet. An kräftiger Kette hing eine Art Ampel inmitten der Gewölbedecke. Anscheinend Öllampe. Ruhig brannte deren kleine Flamme, schwankte kaum merklich. Wenig nützliches Licht. Im glatt geschliffen Steinboden beanspruchte dunkler eingelassene Kreiszeichnung fast gesamte Fläche. Geschnitzte Stühle standen zur Mitte gewandt an Wänden verteilt. Voraus deckte schwarzer Vorhang bodenlang mehrere Meter Raumwand. Ähnliche Kreiszeichnung im Stoff, wie am Boden. Weitere Einzelheiten erkannte er nicht.
Woher rührte kullerndes Plätschern? - Angespannt machte er vorsichtigen Schritt in unergründlich wartenden Raum. Knisternde Veränderung! Alles an ihm und im Rund schien plötzlich aufgeladen. Jederzeit konnten Funken springen, wollten schmerzhafte Bisse austeilen. Rechterhand sah er den Ursprung pullernden Geräuschs.
Genau gegenüber dunklem Wandteppich ragte ein Drachenkopf aus der Wand. Nicht viel größer als normales Menschenhaupt. Gebogen langer Hals. Darunter fing halbrundes Becken von etwa Meterbreite sacht aber unablässig aus Drachenmaul gespienen Wasserstrahl. Quelle oder gelegter Brunnen?
Inzwischen genügte ihm einflammig mindes Licht. Jetzt stach die im Fußboden eingelassene Kreiszeichnung geradezu ins Auge. Er ging näher, betrat den Kreis... Stromstoß zuckte scheinbar, verebbte irgendwohin. Rasend pochendes Herz. Stoßweiser Atem. Aber dann schwand plötzlicher Aufruhr. Aufmerksam betrachtete er die Zeichen im glattgeschliffenen Stein. - Runen! Aber welche?