Dunkle und kühle Nacht. Vorsorglich gelöschte Hoflampe. Bleiche Mondsichel sandte spärliches Leuchten herab, wandelte alles in grau huschende Schatten. Unschuldig wissend glitzerten Sterne am schwarzen Nachthimmel. Wolken trieben gleich Totenflecken vorbei. Niemand sprach. Nur eintöniges Summen entsprang unablässig und kaum hörbar Albenkehlen, hüllte ein, verband zu ungesunder Einheit. Einheit des Abseits.
Man umrundete das Haus rückwärtig durch schwere Dunkelheit. Sie würden nicht straucheln und schlafwandlerisch sicher ihren Weg zum Opferplatz finden. - Was Wunder, bei Wesen, deren wahre Heimat jenseits liegt?
Kein Nachtvogel meldete Gegenwart, fürchtete wohl aus tiefer Seele, er verfiele dem Geisterzug, gefressen und verloren in kauenden Löchern. Selbst Bäume und Hecken standen stumm, regten kein Blatt, keinen Ast, wollten wandernde Drohung nicht aufmerksam machen. - Oder längst dessen Teile? Verschmolzen und durchtränkt? Teile des Fremden?
Seltsame Stöcke lehnten an Seitenwand des Hauses, schwarz abgehoben vom helleren Hintergrund. Jeder nahm einen, trug ihn weiter. Finstere Zepter. Auch Erfried bekam von Gundram so ein Ding kalt in die Hand gedrückt. - Warum gab man ihm mögliche Waffe?
Offenbar befürchteten sie von ihm nichts. Er konnte nicht einmal fliehen, obgleich tobender Geist dies unausgesetzt verlangte. Geschrei ohne Laut. Vollständig dem Willen seines Versklavers unterworfen. Teerig scharfer Geruch ging vom länglichen Gebilde aus. Klebrig kühl in der Hand. - Fackeln! Das sind Fackeln! - Eigenen Opferweg beleuchten. Noch mehr erniedrigt.
Langsam wankte der Gespensterzug zu schwarzschattigen Hecken am Ende des weiten Parkgartens. Fort vom Haus. Dahinter wölbte dichter Baumbewuchs über der alten Ronnburg. Düsterer Drache. Hungriges Ungeheuer wartete, dem man frisches Fleisch bringen wollte. Sie wünschten Verschmelzung mit dessen Unwesen, wollten darin eingehen und ihr Vorhaben beenden. Erste Gestalten erreichten Grenzhecken. Ihre Schatten schmolzen, zerflossen im Hintergrund.
Erfried erlebte alles in trägem Alpdruck, glaubte zuletzt, er gehe durch endlosen dunklen Tunnel. Seitenwände, undurchlässig dicke Festungsmauern, obgleich nur Büsche, Baumstämme und Heckenzeilen. Niemand käme aus diesem Rachen je heraus. Taufeuchtes Gras erzeugte Gefühl atmenden Untergrunds.
Haut des riesigen Ungeheuers, des Drachen aus Dunkelheit? Hieß der Drache Ronn, die Ronnburg dessen uraltes Nest, in welches er immer wieder gern zurückkam, Fraß erwartete? Gähnte hier bereits dessen Rachen?
Noch nicht! - Seine Augen sahen wieder Umrisse. Unsichtbares Tor musste in hochragenden Hecken vor dem düsteren Ronnburghain liegen. Nacheinander verschwanden schattenhafte Gestalten in noch tiefere Schwärze. Aufgenommen in lauernden Leib. Funken blinkten verhalten hinter geheimnisvollen Sperren.
Dann kam auch Erfried an die Reihe, von Gundram handfest gedrängt. - Alp! Im Dunkel nicht erkannt, aber deutlich gefühlt. Zweifellos führte er selbst seinen Raub. Eindringliche Gegenwart, glühend heiß und dennoch eiskalt. - Beides zugleich?
Kein schlingender Rachen im unsichtbaren Tor. Stiller Weg führte zwischen dichten und hohen Hecken tiefer in den Hain. Das blinkernde Funken entstand, wenn die Fackeln an einer anderen angezündet wurden. Vermummte Gestalt stand regungslos, bot jedem Eintretenden Feuer. Aber keine Fackel brannte züngelnd hell, sondern blass bläulich. Glitzerndes Sprühlicht, welches Fünkchen nach allen Seiten springen ließ, gleich Wunderkerzen am Weihnachtsabend. Nur leidlich erhellten unruhig tanzende Lichter die Strecke.
Linkerhand wand unsichtbarer Pfad bewuchert türmenden Wall entlang. Wohl auch am Tage kaum sichtbar, vermutete man wahrscheinlich schwach genutzten Wildwechsel. Mächtige Stämme ragten. Rissige alte Säulen. Gegen Uhrzeigersinn eingeschlagene Richtung, überdacht von Kronen alter riesiger Hainbäume. Im Kreis herum, bliebe ihr Weg am Wallfuß. Tatsächlich umrundeten alle den Wall. Fast unmerkliche Veränderung, nachdem verborgene Zugangsstelle wieder erreicht.
Vermummte Gestalt mit der Zündfackel fehlte. Offenbar als letzte losgegangen. Plötzlich trockener Geruch in Erfrieds Nase, schon Stunden zuvor wahrgenommen, aber nicht beachtet. Es gab wirklich wichtigere Dinge in seiner Angst vor dem Unbekannten. Jetzt erst sah er auch schwach pulsendes Licht inmitten des Hains.