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Abermal, Kapitel 15, Seite 05

flackert


"Nun ja, immerhin sind sie doch nicht von Adel. Und eine Grafenfamilie wünscht das vielleicht so nicht", meinte Frau Gundeleit.

"Das ist ja gerade das Besondere dabei. Umgekehrt wird der Schuh daraus! Die alte Gräfin Almuth von Dahlendorf wurde dort mit allen Ehren vor vielen Jahren empfangen. Aber man machte ihr auch sehr höflich und unmissverständlich klar, man wünsche keinen Verkehr über offizielle Etikette hinaus. Das immerhin ist durchgesickert im Verlaufe der Zeit."

"Vielleicht gibt es zwischen den beiden Familien eine uralte Zwietracht, wegen einer menschlichen Affäre? Schließlich leben beide Seiten wohl schon seit Jahrhunderten hier", vermutete Frau Gundeleit.

"Davon ist nichts bekannt. Und glauben sie mir, irgendwann wäre das ruchbar geworden. Die Grafen hatten immer ihre Domestiken, und diese können sehr geschwätzig sein. Bedenken sie bitte auch, in einem solchen Nest, wie unserer kleinen Stadt, haben die Wände oft viele Ohren. Nicht einmal britische Butler sind so diskret, dass nicht irgendwie und irgendwo etwas durchscheint. Nein, es gab nichts in dieser Art."

"Das ist wirklich erstaunlich", stellte sie fest.

"Ich kann mich noch gut erinnern, wie während des Krieges die Gestapo herumschnüffelte. Ich war damals so ein junger Hüpfer wie mein Kollege und als Polizist ausnahmsweise noch u.k. gestellt." Er wies lächelnd auf den jungen Beamten. "Nein, sogar ein bisschen jünger. - Mein Gott, wie die Zeit verfliegt! - Jedenfalls müssen diese schiefen Figuren von der Gestapo ordentlich ihre Finger verbrannt haben. Fortan ließ man die Perchtens in Ruhe, machte um sie einen Bogen. Und das ausgerechnet die Gestapo, von der wir doch wissen, wie hartnäckig die wurden, wenn sie Leute ins Visier nahmen, denen sie 'unvölkische', sprich: nicht hitlertreue Verhaltensweisen unterstellten. An denunzierenden Hinweisen dummer Menschen gebrach es nicht. Aber man ließ es dann sein, nachdem einige unerklärliche Unfälle oder andere Vorkommnisse die Gestapoleute involvierte. Etliche von der Gestapo wurden nämlich ganz plötzlich und wundersam an die Front versetzt. Als ganz gewöhnliche Stoppelhopser! Ist das nicht eigenartig?"

"Allerdings!" gestand Eleonore Gundeleit.

"Also, entweder war da nichts, was zu weiteren Maßnahmen führen konnte, oder..." Er brach vielsagend ab, machte ernstes Gesicht und unbestimmte Geste.

"Oder was?" fragte sie gespannt wie ein Fiedelbogen.

"Das weiß man eben nicht, Gnädigste. Mindestens ein gewisses 'Oder' muss es dabei geben. Aber was das ist, darüber kann nur Rätselraten veranstaltet werden, will man nicht dumpfe Munkeleien unwissender Leute für bare Münze nehmen. Solches ist auch schon aus den glücklicherweise länger verflossenen Zeiten der Inquisition bekannt. Hernach gab es stets nur Gerüchte, die ständig aufgebauscht wurden und irgendwann einfach in sich zusammenfielen, weil ohne Grundlage oder keine zu finden. Sehen sie, liebe Dame, ich will nicht der Ausspioniererei irgendwie das Wort reden. Doch wenn eine Familie, eine Sippe, schon so lange irgendwo ansässig ist und man kaum etwas über diese weiß, sie nur kennt und unterschwellig dumpf fürchtet? Jedenfalls ist das für mich dann mindestens äußerst ungewöhnlich, fällt mir ausgesprochen auf. Ich bin selbst hier einheimisch, schon meine Ururgroßeltern lebten hier, und ich kenne die Gerüchteküche in dieser Gegend, auch die allerälteste. Vielleicht ist ja doch etwas dran...?"

"Woran, lieber Herr?" Spannung knisterte.

"Ja, Kollege, woran könnte vielleicht doch etwas sein?" hakte der jüngere Polizist gleichfalls angespannt nach. "Sie geben jetzt Rätsel auf! Ich weiß zwar, dass diese Familie Perchten einen sonderbaren Ruf genießt. Besser gesagt: Einen auffallend ungenauen! Dass man sogar Wunderdinge erzählt. Aber sonst? " Auch ihn erfasste selten erlebtes inneres Fieber.

"Um diese Wunderdinge geht es dabei. Ich will nicht sagen, es träfe zu. Aber an allen sagenhaften Erzählungen ist ein gewisses Stück Wahrheit."

"Was für Wunderdinge denn?" Eleonore Gundeleits Wissbegier gipfelte endgültig.

"Sie seien mit geheimen oder jenseitigen Mächten im Bunde!" platzte der jüngere Polizist jetzt heraus.

"Oder gehören in Einzelfällen sogar selbst dazu", fügte der Ältere dunkel an. "Jedenfalls gehen sie nicht zur Kirche und sind offenbar auch sonst in keiner allgemein bekannten Glaubensgemeinschaft. Und dann ihre auffallende Zurückhaltung."

"Vielleicht sind sie heimliche Mohammedaner", vermutete Frau Gundeleit und verzog angewidert ihr Gesicht bei solchem Gedanken.

"Ausgeschlossen! Der Hausherr, Herwig Perchten, schriftstellert hin und wieder. Ich habe einmal eine kurze philosophische Abhandlung von ihm gelesen, worin er ziemlich unbegeistert über den Glauben der Muselmänner schrieb. Wären er oder Angehörige seiner engeren Verwandtschaft Mohammedaner, dann ließe er das in dieser Weise nicht verlauten."



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