Ächzende Laute kämpften im Brustkorb, rammten dumpf gegen Rippen. Hin und her wälzte er mühsam unter erdrückender Last, schnappte wie Ertrinkender nach Atem. Immer wieder suchte er Luft für die Lunge, glaubte voller Angst, es sei keine mehr da, zitterte am ganzen Körper. Schweißgebadet.
Lass' mich doch los! - Oder konnte er gar nicht schreien?
Kein Laut, außer ringenden Lungenflügeln. - Doch!
Wummernd polterte Herz bis zum Hals. Aus unklarem Grund, fräsendes Ziehen im rechten Arm. Es kroch und fraß im Körper, tobte in böse kreischender Freude. Er riss seine Augen auf... Nichts! Einzig einige graue Streifen und Schleifen wimmelten. Windende Würmer im Dunkel.
Würmer? Die Würmer aus dem Wall? Kamen sie hungrig gekrochen, wollten frischen Leichnam zernagen, hinterließen schmatzend ihre schleimigen Spuren, wenn sie mit verwesendem Leichenfleisch vollgefressen, dick und fett das Weite suchten?
Atemnot schmerzte, brannte. Quälend langsam kehrten wenige zerfaserte Gedanken und Erinnerungsbruchstücke zurück. Und Atem. - Endlich! Nicht tot, nicht erstickt, nicht erwürgt. Nur grausiger Alptraum. - Oder doch nicht?
Ganz und gar unsicher, ob nicht erneut täuschendes Alpdrücken niederträchtig Sicherheit gaukelte, in weitere grausame Welt zerrte. Deutliche Erinnerung, kein bloßes Traumschäumen, wirklich und echt.
Wo bin ich? Und wer bin ich wirklich? Kann ich mich erinnern?
Er konnte, entsann erleichtert, sein Name laute Erfried Gundeleit, zwölf Jahre alt und würde in einem knappen Vierteljahr dreizehn. Also nicht der unglückselige Arf, erwachsen und erwürgt am inneren Wall. Wall um feindliche Flamme kalten Lichts der Alpmutter. - Ong, das Irrlicht, jener Alp im dornigen Strauch fiel ihm ein, welcher missgelaunt Scheußlichkeiten androhte, wütend und aufgescheucht beschimpfte.
Aber sonst? Welcher Ort ist das hier? - Ringsum finster!
Dann brach paukenschlagartiges Erkennen herein, dröhnte in Ohren, ließ gewalttätig taub werden. Herz raste los, Atem stockte und er zitterte abermals am ganzen Leib. Unbekleidet. Furcht und Wut, Angst und Hass in nie erlebter Weise gepaart. Reißender Schmerz im rechten Unterarm. Von einem Alptraum in anderen geraten! Und er konnte nicht sagen, welcher besser sei. Immerhin fand sein Alpdruck als Arf in der Welt der Wälle und Irrlichter ein Ende, erwürgt und gestorben.
Aber hier? In welchen Abgrund gefallen und eingesperrt? Entkäme er dem Angsttraum dieser Wirklichkeit? Gleichfalls schmerzhaftes Sterben? Oder wollte man ihn erst lang ausgedehnt leiden lassen?
Aus ferner, fremder Erinnerung zog erschreckender Bilderreigen hoch, wirbelte verrückt und zerrte in hässlichen Sog. Dabei lagerte ringsum nur kalte Dunkelheit. Nichts konnte er tatsächlich sehen. Nirgends ein Anhalt, wo er sei. Und er musste quälende Bilder sehen. - Durch wessen Augen?
Sein Alptraum begann, als Gundrams messerscharf gefeilter Fingernagel die Haut ihrer Innenarme aufschnitt, beide stark blutenden Stellen zusammenpresste, bevor er noch dagegen etwas tun konnte. Er wollte aufschreien, brachte keinen Ton heraus, wollte seinen Arm wegreißen, Gundram die Faust ins grinsende Gesicht schlagen, ihn in den Bauch, in die Eier treten. Doch keinen Finger konnte er rühren, geschweige denn mehr. Heiß durchstieß Schnittschmerz.
Nicht der Schnitt allein, sondern Übertritt aus Gundrams Blut riss in leeren Abgrund. Lähmend und brennend wie eine Schweißflamme drang es unaufhaltsam vor, erfasste jede Zelle, flutete giftig voran. Zurück blieb wabernder Nebeldunst, fing am Ende Geist und Willen. Alles nahm er wahr, verstand, erlebte es hilflos. - Dieses verfluchte Perchtenhaus, verfluchter Flur, verfluchtes Badezimmer!
Gundrams Augen tanzten, brachen in alles ein, überwältigten, ketteten, enthielten keinen Schimmer von Menschsein. Alles schien verflogen. Gundram grinste siegesgewiss auf scheußliche Art, was dessen sonst nicht hässliche Züge zur abstoßenden Fratze wandelte. - Sein wahres Gesicht? Die schöne Bosheit?
"Was ist? Überrascht, mein Kleiner?" träufelten Laute aus Gundrams Mund. "Eigentlich bist du doch alt genug, zu wissen, was Blutsbrüderschaft ist. Das weiß doch schon jedes Kind, wenn's nicht gerade noch mit Windeln rumkraucht."
Unfähig für anderes, wollte Erfried kraftlos Lippen öffnen und antworten. Aber auch dies blieb versagt, Mund ohnehin aufgerissen. Stummer Schrei! Und auch jetzt wollte seine Stimme nicht gehorchen. Erstickter Laut floh träge, eher bemüht unterdrücktes Schluchzen.