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Abermal, Kapitel 12, Seite 06

flackert


"Ach, Entschuldigung! Da habe ich mich eben vertan, glaubte bei dem Haarschopf an meinen Enkelsohn Aring. Nein, keine Panik, junger Mann! Ich wollte nicht aufscheuchen oder verscheuchen. Meine Augen spielen mir manchmal schon Streiche." Langsam näherte die dunkle Frauengestalt. - Gräfin Almuth von Dahlendorf, unbemerkt hereingekommen.

Erfried sprang peinlich berührt endgültig vom Stuhl. "Guten Tag, verehrte Frau Gräfin von Dahlendorf! Bitte entschuldigen sie meine Aufdringlichkeit..."

"Ach, ach! Doch nicht so unkommod, bitte! Was für ein langer Rattenschwanz." Sie lachte belustigt. "Frau Gräfin allein tut es voll und ganz als Anrede. So umständlich braucht es nicht sein. Außerdem fühle ich mich nicht disharmoniert. Ich vermutete meinen Enkelsohn auf dem Stuhl. Ihm gab ich einen kleinen Auftrag zur Erledigung außer Haus und verwunderte, weshalb er immer noch hier sei. Wissbegierige junge Leute wähnte ich eher zwischen Bücherregalen. Der junge Erfried Gundeleit, nicht wahr? Oder spielt mir jetzt mein altes Gedächtnis einen Streich?"

"Ja, Frau Gräfin... ich meine... nein, Frau Gräfin... ich bin Erfried Gundeleit", stotterte er heraus.

Sie kam zum Tisch, sank langsam auf einen Stuhl, bedeutete leichter Handbewegung, er solle ebenfalls wieder Platz nehmen. "Nun, wir hatten schon bei anderen Gelegenheiten das Vergnügen, miteinander Worte zu wechseln", lächelte sie

"Dass sie sich daran erinnern, Frau Gräfin? Sie haben ein fabelhaftes Gedächtnis. Ich würde so etwas rasch vergessen."

"Das läge dann auch vielmehr an jugendlicher Unbekümmertheit, denn am fortschreitenden Alter." Sie sah ihn weiterhin lächelnd an. "Erfried Gundeleit, der jüngste Sohn der Frau Gundeleit, geborene Eleonore Salzburger, derer vom Schmölenhof."

"Sie kennen meine Mutter, Frau Gräfin?"

"Oh ja! Wir hatten schon miteinander das Vergnügen. Frau Eleonore ist aus Westpreußen gebürtig und ich bin in Ostpreußen geboren. In Memel. Bereits einige Male sprachen wir über die alte Heimat und erinnerten uns gemeinsam. Beide entstammen wir alten Familien und Sippen. So sehr viel unterschied uns ursprünglich nicht. Nur eben, dass ich einiges älter als Frau Eleonore bin und schon vor langer, langer Zeit hierher heiratete, wodurch aus dem Freifräulein von Rischkau die Gräfin von Dahlendorf wurde."

"Nun, sicher, Frau Gräfin. Aber meine Mutter ist ja kein Freifräulein je gewesen, sondern die dritte Tochter eines Großbauern oder Gutsbesitzers."

"Sehr viel vermögender oder wesentlich älter waren die 'von Rischkau' auch nicht." Die Gräfin lachte vergnügt. "Frau Eleonore nannte ich nicht umsonst mit dem Beinamen 'derer vom Schmölenhof'. Dort im Osten waren solche alteingesessenen Sippen von nicht sehr viel geringerem Stand, als Freiherren, welche ein 'von' im Namen führten. Und jetzt ist auch bei diesen alles dahin. Nur das 'von' ist geblieben. Aber dafür allein konnte auch früher niemand etwas kaufen. Da gehörte immer schon mehr dazu, als nur 'von' heißen."

"Meine Mutter erzählte nie, dass sie mit ihnen bekannt sei, Frau Gräfin."

"Das trägt man auch nicht herum, genoss man eine gute Erziehung. Und Frau Eleonore hat so eine gute Kinderstube. Sie weiß, was sich gehört, und ihr jüngster Sohn offenbar nicht minder, wie ich erfreut feststelle."

Sie wurden unterbrochen. Frau Kretz trug beladenes Tablett herein. Die alte Gräfin winkte ihr, sie solle es kurzerhand auf den Tisch stellen. "Danke!" sagte sie mit knappem Kopfnicken. Frau Kretz verschwand umgehend wieder aus der Bibliothek.

An Erfried gewandt, meinte Gräfin Dahlendorf: "Ich dachte mir, zahmer Kaffee und etwas Gebäck sei vielleicht nicht ganz unangebracht. Ich trinke dazu immer einen Portwein. Bei jugendlichem Alter ist dies aber noch nicht geeignet", lächelte sie. Einladender Handbewegung wies sie zum Tablett. Zwei dampfende Tassen Kaffee, eine geheizte Kanne und ein Kelch geistreichen Inhalts standen darauf, dazu zwei Teller voller verschiedener Gebäcke und eine Karaffe. "Es darf zugegriffen werden!"

Erfried nahm eine gefüllte Tasse, Milch und Zucker und fischte ohne falsche Bescheidenheit Gebäck von Tellern. Nun lud ihn schon das zweite Mal innerhalb kurzer Zeitspanne eine Dame ein. Langsam werde ich wohl doch erwachsen, dachte er gebauchpinselt, grinste heimlich, als er an sein wirkliches Alter dachte. Man gewöhnt sich daran.

Ähnlich verfuhr die alte Gräfin, sprach aber zuvörderst ihrem Port zu. Etwas eigentümlich mutete diese Flüssigkeit an. Gar nicht portweinfarben, obendrein in Cognacschwenker serviert. Entsprechender Inhalt beistehender Karaffe entsprach gleichfalls nur bei sehr viel Einbildungsgabe Gegebenheiten damenhaften Ports.



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Mannie Manie © 1999
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