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Abermal, Kapitel 17, Seite 01

flackert


Flackernde kleine Lichtbälle tanzten, sprangen mal hierhin, mal dorthin. Bläuliches Glühen ging von ihnen aus, brachte aber keine Helligkeit ins allgemeine Dunkel. Deren Flimmern überdeckte Einzelheiten, stiftete Verwirrung, bot Halt suchendem Auge kein echtes Bild. - Irrlichter!

Voraus schimmerte stärkeres Licht aus entlegener Quelle, erzeugte Brüche und Bahnen zwischen ungezählt aufrechten Baumstämmen, warf lange Strahlen durch Sträucher. Kein warmes Licht, verschwommen und blau. Von Feuer mochte es kaum herrühren, jedenfalls von keinem aus Holz entfachtem. Dieses Licht flackerte seinerseits nicht, stand ruhig im Waldhintergrund. Nicht hell, überblendete es flitzende Irrlichter nie.

Vielmehr im Gegenteil. Anscheinend nährte es. Je näher sie augenscheinlich dem großen Licht sprangen, desto genauer davon abgehoben. Und zitterten jene kalt glühenden Bällchen in brückenden Strahlen eine Zeitlang, luden sie offenbar genügend Kraft, flitzten beiseite, machten anderen Platz. Ungezügelt Baumstämme umsprungen, durch Büsche gehüpft, über Blätter geglitten, deren Oberflächen geisterhaft mit unwirklich flirrendem Schimmer erleuchtet.

Wie komme ich hierher? Was mache ich hier? Wo bin ich eigentlich? - Erschrocken und angstvoll gestellte Fragen. Nicht einmal ein Name wollte ihm einfallen. Gebannt starrte er ins geheimnisvolle Lichterspiel, meinte nur überzeugt, er müsse in einem Wald mit niedrigem Unterholz auf aufgewalltem Boden sein. Daran gab es wenig Zweifel. Es sei denn: Reine Wahnvorstellung!

Wie weit und wohin der Wald dehnte, blieb unsichtbar. Dunkler Ort, wo er in meist finstere Runde schaute. Weitgehend richtige Vermutung, er stehe auf nicht übermäßig hohem Hügel oder Erdwall. - Wie sonst sähe er metertief unten andere kalte Blinklichter tanzen?

Nicht ganz klar, ob er stand oder lag. Genauso gut könnte er einfach in der Luft schweben. Er fühlte nichts, spürte kein Bein, keinen Arm, keine Kälte oder Wärme. Er hörte nichts. Hörte kein einziges Geräusch, keinen Vogel, keinen Wind oder anderes. Keinerlei Gerüche. Alles außerhalb eigenen Blickbereichs verschwand in vollständigem Dunkel, als sei erfahrbare Welt dahinter unweigerlich zu Ende.

Was kommt danach? Ein Abgrund, eine Schlucht, lauernde Gruben oder einfach gar nichts? Kann das sein? Soll ich auf die Lichtquelle zugehen, das einzige derzeit mögliche Ziel? Wie kann ich gehen, ohne Beine? Einfach hinschweben, weil ich es wünschte? Reicht das?

Es reichte nicht. Aber er besaß Arme und Beine - vorsichtige Erleichterung - auch einen Kopf und alles übrige, was menschliches Wesen ausmachte. Also, musste er doch ein Mensch sein, zumindest wissen, was einen Menschen darstellt. Und männlich! versicherte blitzartiger Gedanke. - Oder narrte hier alles?

Nur wenn das Geschlecht ertastbar... Nichts ertastbar! Keine fühlenden Fingerspitzen!

Einfachheit halber verblieb gefasste Meinung, dies müsse männlicher Körper sein, weil erster Eindruck es unbewusst feststellte, keinen Zweifel aufkommen ließ. Und wozu sollte taugen, ob weiblich oder männlich? - Völlig bedeutungslos im schwebenden Befinden.

Zuversicht flatterte. - Er konnte die unbekannten Glieder bewegen. Doch sofort wieder gedämpfte Freude: Er spürte nichts, wusste nur um alles! Er müsste lernen, Gliedmaßen gebrauchen, welche keine Fühlzeichen senden, wie fremder Zierrat oder Werkzeug genutzt werden wollen.

Wie geht man auf Beinen, von denen man nur weiß, sie sind da? Wie greift man mit Händen, welche nichts tasten, doch dem Verstand durchaus fassbar? Wie bewegt man einen Körper, der nur Behälter scheint, aber dennoch dem Willen gehorcht? Und welche Kleidung?

Blöde Frage! - Viel wichtiger ist, was ich nun machen soll? Ich kann doch nicht einfach hier bleiben und nichts tun, einfach abwarten, was geschieht?

Unsicher versuchten seltsame Beine ohne Gefühl ersten Schritt. Lichterbällchen hüpften heran, umkreisten zitternd, blieben aber auf Abstand, sprangen wieder davon. - Der Schritt glückte. Mutig geworden, wagte er sogleich zweiten, dritten. Wesentlich leichter, als gefürchtet, gelangen gewünschte Bewegungen. Dann ging es abwärts in eine Senke. Er zögerte, zugleich bewusst, er dürfe nicht einfach stehen bleiben, müsse unbedingt die Senke durchqueren. Ziel nicht verlieren: Neblig im Wald flutendes Licht! Zu dessen Quelle, unbedingt! Er konnte nichts anderes tun. Abwarten? - Jetzt nicht mehr seine Sache. Unbestimmte Angst kroch innerlich.

Besser Angst, als gar nichts fühlen! Nur Dummköpfe haben keine Angst! Wer Angst nicht kennt, ist auch nicht mutig, weil er nichts überwinden muss! Nur wer seine Angst bewältigt, beweist echten Mut, weil Angst um Gefahren weiß!

Er wollte nagende Unsicherheit verscheuchen, fand keine Erklärung für gehabte Einsichten. Abhang entschlossen hinunter, zur dunkel verborgenen Sohle.

Und wenn es da unten immer tiefer geht, die Senke keine ist, sondern eine endlose Schlucht, gähnende Kluft in unerkanntem Fels, eine Spalte? Abstürzen, alle Knochen brechen, sterben... Was ist Fels und was Spalte oder Kluft? Was ist eine Schlucht? Wieso abstürzen?



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