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Abermal, Kapitel 23, Seite 04

flackert


Erfried lachte. "Und? Hast du's ordentlich mit dem gemacht?"

"Und wie! Wie ein Bekloppter! Aber dann fiel mir ein, dass der blöde Wichser dir damit solche Angst eingejagt hatte. Und da hab' ich ihm volles Pfund eine reingehauen. Dann bin ich aufgewacht, hatte einen solchen Harten, dass es schon wehtat. Und obendrein war mir im Schlaf auch noch einer flitzen gegangen. Die ganze verdammte Soße kleisterte im Schlafanzug!"

Gemeinsam lachten sie laut, konnten gar nicht aufhören, kicherten und gniggerten, sahen einander an und mussten sofort wieder losprusten, bevor einer auch nur gestottertes Wort hervorbrachte. Umstehende und vorbeigehende Leute schauten herüber, fragten wohl still, was beide halbwüchsigen Bengel dermaßen lustig fanden? Langsam schwand ihr Lachanfall.

Günter sah Erfried breit grinsend an. Augenausdruck zeigte, er mache eigentlich keinen Witz. "Also, ich hab' dabei keine Angst, schwul zu werden, würde es mal gern in Natura ausprobieren. Ernsthaft, willst du nicht mal wieder bei uns übernachten?"

"Meine Güte, Günter! Hätt' ich dir das bloß nicht erzählt. Jetzt muss ich um meine Burschenschaft bei dir fürchten."

"Na, die bist du doch nun wirklich schon los. Also tu nicht so unschuldig, als ob ich da der schlimme Finger bin", lachte Günter. "Ich hab' so was noch nie so richtig gemacht. Da hast du mir was voraus. Also, wenn du mein Freund bist, dann ist das doch wohl selbstverständlich, wenn du..."

"Ja, Günter!" unterbrach Erfried. "Aber das muss doch nicht jetzt gleich sein, oder?"

"Nicht unbedingt. Aber wieso eigentlich nicht?"

"Weil jetzt Mittagessen ansteht."

"Okay! Und wie ist es heute abend? Daran dachte ich auch sowieso viel eher."

"Das weiß ich doch jetzt noch nicht, Günter. Womöglich hat meine Mutter irgendeinen Anschlag auf mich vor. Außerdem murmelte die heute Früh was davon, dass ich krank aussähe und zum Doktor sollte."

"Du, krank?" Günter sah ihn forschend an. "Nee, krank siehst du nicht aus. Aber irgendwie bist du anders als vorher. Hängt vielleicht auch mit dieser Sache mit dem jungschen Perchten zusammen. Ich mein', wenn man sich eine ganze Nacht und über die ganzen nächsten Tage raus vor was fürchtet, dann kann man das womöglich sehen. Mütter haben für so was meistens einen Draht."

"Findest du, ich sehe aus, als habe ich die ganze Zeit Schiss?"

"Neien! Das nicht. Und solltest du welchen haben, dann hat das einen Grund, bei dem ich auch Schiss hätte. Du bist einfach plötzlich anders geworden. - Erwachsener! Ja, das ist es! Und davon will ich wenigstens 'ne Scheibe abhaben. Und zwar schnell! Meinst du, ich will hinter dir als Milchbubi herzockeln?"

"Kriegst du auch", versprach Erfried. "Wir haben doch immer alles geteilt, was irgendwie zu teilen geht."

"Hej!" Günter zwinkerte freundschaftlich. "Vergiss es aber nicht. Und lass' dich nicht erst wieder in einer Woche bei mir sehen, so wie bis gestern. Du bist mir irgendwie sogar richtig aus dem Weg gegangen, die ganze Zeit. Ich dachte schon, dass du plötzlich was gegen mich hättest, weil du mich ein paar mal hast echt abblitzen lassen."

"Das hab' ich so nicht gemeint, Günter. Tut mir leid, wenn es dir so vorkam. Du bist mein bester Freund. Da lass' ich dich doch nicht einfach in den Wind schießen. Ich war nur die ganze Zeit mit meinen Gedanken ganz woanders."

"Bei den Perchtens, was?"

"Auch, aber nicht nur. Mir sind so einige komische Sachen passiert in der letzten Zeit."

"Was denn?"

"Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob du mich nicht für einen verrückten Spinner hältst, wenn ich dir das so sage, wie ich es erlebt habe. Ich würd's ja auch kaum glauben wollen, wenn mir das einer mal eben so erzählt."

"Hört sich spannend an. Das musst du mir unbedingt vertickern. Ein Grund mehr, dich bald bei mir sehen zu lassen. Am besten noch heute."

"Mal sehen, Günter. Ich würde sicher gern wollen. Dann bis spätestens Morgen in der Schule, tschüs!" Er winkte und ging in andere Richtung davon.

"Du, Erfried!" rief Günter noch im Umdrehen.

Erfried blieb stehen, blickte zurück. "Ja?"

"Ich halte dich nicht für einen Spinner!"

"Wart's ab, bis du die Geschichte gehört hast."

Ab einer schmalen Allee verlief ihr Heimweg unterschiedlich. Fast gesamte kleine Altstadt umschlang die von alten Kastanien beschattete Straße. Winklige Fachwerkhäuser in ebenso verwinkelten Gassen. Zwar wohnten sie nicht bemerkenswert weit voneinander entfernt, doch genügte der Abstand. Morgens trafen sie hier fast nie auf den anderen. Als ausgesprochener Langschläfer zögerte Günter Meinrad stets alles bis zum letzten Drücker hinaus. Manchmal begleiteten sie einander nach Hause. Von Heute an aber nicht mehr.



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Mannie Manie © 1999
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