Seite vorher
Seite weiter
Kapitel vorher
Kapitel weiter
Kapitelliste

 

Abermal, Kapitel 29, Seite 04

flackert


"Das hat nicht viel Sinn, Erf", lehnte Herwig Perchten kopfschüttelnd ab. "Der Brückendiener wird nicht so dumm sein und ausgerechnet dort auf uns warten. Der hat auch andere und bessere Schlupfwinkel eingerichtet. Wir fahren aber zur Sicherheit nachher dort vorbei, obwohl wir bestimmt nichts feststellen werden. Denn entweder, Heinrich Wappler ist der Brückendiener, was ich mittlerweile auch so sehe, dann ist er auf keinen Fall dort, oder er ist es nicht. Dann können wir auch nichts feststellen, weil er es nicht ist. Höchstens scheuchen wir einen ärgerlichen Kleinstadtarzt im Nachthemd aus dem Bett, wenn wir es ganz genau wissen wollen und einfach ins Haus eindringen. Das gäbe einen Aufstand!"

"Ich werd' morgen mal mit der Ilse-Lore und der Swantraut in seine Sprechstunde gehen. Ich muss ja sowieso wegen dem Erf mein Attest zu seiner Mutter und in die Schule bringen. Wenn keine Sprechstunde ist oder der Vogel überraschend ausgeflogen, dann wissen wir ganz genau Bescheid. Ansonsten ist der halt ein depperter Dummkopf, der nicht recht weiß, was in seinem Haus wirklich los ist. Und zu dritt können wir uns gegen den Brückendiener sehr gut wehren und ihm gleich die Praxis vermiesen, sollte der doch so dreist sein und den lieben Onkel Doktor mimen." Oskar Dimpfl lachte belustigt wie ein Schuljunge.

"Also, los dann!" drängte der Träger der schwarzen Kutte ungeduldig fordernder Armbewegung und ging voraus.

Oskar Dimpfl holte rasch zu ihm auf. Wortlos folgten alle anderen, schlichen bedacht über unebenes Pflaster zum düster lauernden Holztor.

Führten sie zuvor gesamte Unterhaltung ohnehin im Flüsterton, wagte nun keiner andere Laute, als Atemholen. Man könnte ja mögliche Anzeichen von Gefahr überhören oder sonst wie verpassen. Kein Geräusch, außer leisem Füßetappen. Gespenstische Wächtergesellschaft! Ohne Zwischenfälle erreichten sie gegenüberliegende Platzseite. Hier lastete noch tiefere Dunkelheit als an anderen Stellen kaum beleuchteten Brunnenplatzes. Der Mond schickte sein bleiches Licht bereits nicht mehr zum Pflaster selbst, obendrein von entfernt ragendem Hausgiebel verdeckt.

Geringen Aufwand später schwang auf vorsichtigen Druck eine Torhälfte zurück, knarrte nur widerwillig in Angeln. Oskar Dimpfl musste zuvor allerdings eine Sperre beseitigen. Er raunte gereizt, sie sei wohl erst vor ganz kurzer Zeit eingerichtet. Normale Riegelung stellte für ihn ohnehin keine Besonderheit dar. Dunkel gähnte verhältnismäßig langer Durchgang zum Hof. Alter Geruch nach vor langen Jahren verschüttetem Benzin und ebensolchen Schmiermitteln stieg in Nasen. Ingomar schlüpfte als letzter ins Finstere, schob leise den Torflügel zu.

Leidlich helleres Viereck am Ende. Fahler Hofzugang. Kurz blitzten Stablampen. Bis auf herumliegendes altes Zeitungspapier und ebenso altes Laub, gab es nichts worüber man stolpern konnte. Vorsichtig schlichen sie zum Durchgangsende, spähten in den Hof. Herwig Perchten sah offenbar alles so, als sei hellerlichter Tag.

Wieder beseitigte Oskar Dimpfl eine Sperre. Vorgereckter kleiner Finger seiner Linken suchte unsichtbare Hindernisse und räumte sie zugleich weg. Auch bei ihm lief alles vornehmlich über lang gehaltenen Nagel des kleinen Fingers ab. Nur teilweise nutzte er flach ausgestreckte Hände. Jetzt jedoch nicht. Herwig Perchten gab anweisendes Handzeichen. Man tappte leise vorwärts. Niemand flüsterte. Selbst lauten Atem wagte keiner. Spürbare Spannung.

Herrisch verdüsterte der große Baum umliegende Wände. Schwarze Flächen, hinter denen entweder nichts sein konnte, oder verschlagene Fallen und Feinde. Fahl blanke Flecken verrieten aus Dunkelheit niederschauende Fenster. Doch darin lauerten anscheinend keine Feindesaugen. Gleich Schatten fremder Welten huschten sechs Gestalten, umrundeten das rostige alte Auto, welches bestimmt schon viele Jahre hier radlos aufgebockt.

Fragend schaute Herwig Perchten zu Ingomar, wies in die Runde und flüsterte: "Kannst du etwas ausmachen?"

"Nein! Hier ist nichts und niemand mehr", raunte Ingomar.

"Und auch kein Tor oder so was, wie im alten Richthügel unten", hauchte die Kutte.

"Aber hier muss doch etwas gewesen sein", drängte Herwig Perchten.

"Ja, natürlich", bestätigte Ingomar. "Das fühle ich ganz deutlich. Aber es ist hier völlig anders, als in dem scheußlichen Bungalow auf dem Hügel. Im Haupthaus vor uns kann ich schwache Reste der Gegenwart des Glanzräubers und seiner Helfer ausmachen. In den langen niedrigeren Fachwerkschuppen scheint gar nichts zu sein. Dort war wahrscheinlich schon sehr lange niemand mehr drin."

"Es ist hier auch ganz und gar anders", bekräftigte der Träger der schwarzen Kutte leise. "Ich fürchte, dass die Sperren, die ich hinterlassen kann, unseren Feind nicht gerade sonderlich aufhalten. Es ist hier alles undeutlich, irgendwie aalglatt und nichts so richtig zu fassen."



Alle Rechte vorbehalten
Mannie Manie © 1999
Unentgeltliche Weitergabe erlaubt!

weiterblättern: nächste Seite