...und wo bin ich jetzt? Aufgetaucht aus dem Tod in Irrlichtwällen? Als Arf erwürgt und erstickt?
Erinnerter Alptraumreigen besserte nichts, brachte nur andere, alte Ängste. Genauso schlimm wie vorher.
Wo schwebe ich herum? Kann ich fühlen?
Seine Finger meldeten überraschend bequeme Matratze, vollkommen zerknautschtes Kissen und hoffnungslos zusammengeknüllte Zudecke.
Zweifellos in einem Bett! Und nicht allein!
Drückend schwerer Körper, noch halb auf ihm drauf, atmete seelenruhig tief, schien in ungerechtem Schlaf nicht entfernt gestört. Verschlafen unwirsche Laute kamen von dort, dann glitt schleifender Bewegung ein Arm über ihn, blieb kurz vor der Kehle schwer liegen.
Daher mein Alptraum, ich werde erwürgt! Dieser Arm rutschte auf meine Kehle, drückte sie im Schlaf und klemmte Luft ab. Und dazu dieser lastende Körper. Wer ist das?
Unsicher tastete er an freiliegende warme Haut. Sehen konnte er immer noch nichts.
Habe ich denn meine Augen nicht auf?
Er zwinkerte ein paar mal, riss geradezu gewaltsam die Lider auseinander. - Mattes Licht im Viereck! - Die ganze Zeit glaubte er nur, seine Augen seien offen, blieben entgegen felsenfester Einbildung jedoch geschlossen. Sterne blinkten durch großes hohes Fenster. Tiefe Nacht draußen. Jedenfalls sah es danach aus. Das Fenster stand weit offen. Kühler Hauch wehte herein. Laub rauschte. Äste und Blätter einer Baumkrone langten in hellere Aussparung.
Was für ein Zimmer? In welchem Bett, und mit wem? - Auf keinen Fall mein Bett. Das sieht ganz anders aus und riecht auch anders!
Unvertraute Gerüche, obgleich es keineswegs stank oder sonst wie schlecht roch. Viel erkannte er nicht im Raum. Erheblich größer als sein eigenes Zimmer und sehr viel höher bis zur Decke. Schwache Umrisse von Möbeln vor Wänden. Er stierte angestrengt hin.
Großer Schrank und verschiedene Regale. Kleinere Vierecke schienen aufgehängte Bilder. Einige längliche Gegenstände an der Wand gegenüber. Was genau, verbarg Dunkelheit. Die Zimmertür, groß und in ebensolchem Rahmen, stand scheinbar schwarzen Spalt offen. Finsternis dahinter. Rechts ab davon, dürften zwei Gebilde wohl Sessel sein. In deren Nähe anderes Möbel. Offenbar ein Tisch. Irgendwelches Zeug stand wirr auf dessen Glattfläche. Seitlich schräg vor weit geöffnetem Fenster, schwer wirkender Stuhl. Unordentlich achtlos irgendwo hingeschoben. Gleich erstarrtem Wasserfall flossen irgendwelche Bahnen von der Sitzfläche, ergossen zerteilt auf den Fußboden.
Kleidungsstücke! Ihrer ohne viel Überlegen entledigt, sollten sie in sehr knapp bemessenem Anflug von Ordnungssinn auf dem Stuhl landen. Weitgehend misslungen. Konnte wegen solcher Menge auch nicht gelingen. Entweder kippte Häufelung einfach von selbst herunter, oder man warf alles sowieso nur in ungefähre Richtung zum Stuhl. Verstreut davor lagen weitere Teile, machten fast bedauernswerten Eindruck. Schlamperei! Mutter hielte gepfeffert und gesalzen enervierend ausgiebigen Vortrag über den Nutzen von Ordnung, wollte ihm womöglich das Zeug um die Ohren hauen, war sie besonders ungehalten.
Neben ihm wälzte kurz der Schlafgenosse, murmelte undeutlich etwas und griff fahrig nach ihm, versank sogleich wieder in tiefe Träume. - Wer zum Teufel ist das?
Er suchte in fahler Dunkelheit des Zimmers weiteren Anhalt. - Alles nur nächtliches Schwarzweiß. Mühsam hob er den Kopf, rappelte aus Besitz ergreifendem Arm halb frei. Schlank schlaksige Gestalt daneben, nackt bis auf weiße Socke am linken Fuß. - Wir sind beide nackt!
Jetzt wusste er, wer dort lauerte: Gundram der Alp! Dem entkam er nicht. Leibeigener Besitz, versklavt. Der zu Mensch verkappte Alp schlief fest.
Soll ich günstige Gelegenheit nutzen und mich durch die Nacht davonstehlen? - Der merkt das! Ich käme nicht einmal auf den Flur. Und selbst wenn, erreicht mich dieser Alp im Menschenleib auch dann noch, wenn ich zum Mars flüchte. Proben tückischen Könnens führte Gundram ausreichend vor.
Hellwach im Reich seines Versklavers und Peinigers, in dessen Folterkammer. Aufgeschreckt aus einem Alptraum, von dem er nicht sagen konnte, ob nicht doch Wirklichkeit und welches der eigentliche Alptraum tatsächlich sei. Ausweg suchende Gedanken kreisten vergebens im Kopf, jagten einander. Nichts kam als Lösung in Frage. Er besah Gundram den Schwarzelb, dessen nackt langgestreckte Gliedmaßen, überzogen von straffer Haut. Sehnig kräftige Muskelstränge zeichneten darunter. Jetzt, im Dunkel des Zimmers, wirkte Gundram richtig erwachsen.
Hatte der überhaupt ein Alter, so wie er selbst und Menschen sonst? Zählte der wirklich erst vierzehn Jahre? Oder mussten bei Alben Nullen angehängt werden, wollte man deren echtes Alter angeben? Wie viele Nullen benötigte man dafür?