Seite vorher
Seite weiter
Kapitel vorher
Kapitel weiter
Kapitelliste

 

Abermal, Kapitel 16, Seite 04

flackert


"Den hast du schon länger nicht mehr, Rudi", stellte Gerd ernsthaft fest. "Und gerade deswegen freue ich mich, dich mal außerhalb der Trainingsstunden zu treffen. Du machst dich wirklich reichlich rar in der letzten Zeit."

"Das Training nimmt aber eine Menge Zeit in Anspruch. Und du bist nun nicht gerade ein einfacher Trainer für unsereins." Rudi lächelte etwas gekünstelt. Sehr wohl schien ihm offensichtlich nicht bei diesem Gespräch.

"Du weißt, was ich meine, Rudi. Es hat mit dem Training nur sehr wenig zu tun. Eigentlich gar nichts. Du ziehst dich vollkommen zurück, hältst dich aus allem raus, lässt deine Kumpel meistens links liegen. Dabei braucht der Verein dich. Und du bist doch auch ein sehr guter Ringer..."

"Du kannst von mir nicht behaupten, ich vernachlässige den Sport, Gerd!" unterbrach Rudolf. "Ich mach' alles, was du anweist. Und ich hab' immerhin meine Kämpfe in der letzten Zeit nach Punkten gewonnen, bis auf zwei."

"Darum geht es doch gar nicht", besänftigte Gerd und legte dem jungen Sportskameraden eine Hand auf die Schulter. "Junge, du warst klasse! Und noch mal meinen herzlichen Glückwunsch zum gewonnenen Kampf. Den hast du verdient gewonnen. Und ich bilde mir ein, meinen Anteil dran zu haben."

"Ja, das hast du auch, Gerd. Ich hab' eine Menge von dir gelernt. Aber Ringen ist auch nicht alles in diesem Leben. Es ändert sich immer wieder was."

"Nanu? Höre ich da etwa Unlust? Du willst doch nicht etwa die Brocken hinschmeißen? Einer wie du, der das Zeug zu noch irre vielen Pokalen in Zukunft hat? Mach mir keine Sachen, Rudi! Wir brauchen dich und du weißt das hoffentlich auch."

"Ja, ja! Aber..." Rudolf verstummte, blickte ziellos im weitläufigen Raum herum.

"Aber was?" drängte Gerd.

"Ach, nichts! Mir kommt im Augenblick alles so nutzlos vor. Was habe ich denn davon, wenn ich den anderen auf die Matte schmeiße, ihm mein Becken auf seine prallen Arschbacken knalle, damit er sich nicht mehr rührt, aufgibt und hinhält." Rudolf schüttelte den Kopf.

Gerd Wesseling lachte. "Klar doch, Rudi! Ich kann mir gut vorstellen, dass dir das Hinterteil deiner Freundin viel lieber dafür ist. Ist doch ganz normal. Wie geht es ihr denn? Ich hab' sie schon länger nicht mehr gesehen. Wie heißt sie doch gleich, Julia?"

"Juliane! Aber wir sind nicht mehr zusammen."

"Was? Wieso denn das? Ihr wart doch ein Herz und eine Seele, ein richtig tolles Paar", staunte Gerd.

"Wenn man merkt, dass es nicht mehr geht, dann muss man eben Schluss machen. Alles findet nun mal sein Ende irgendwann."

"Du hörst dich an, wie ein altersweiser Mann, der auf sein Leben zurückblickt. Meine Güte, Rudi, für dich fängt doch alles erst richtig an."

"Es ist halt alles anders geworden in der letzten Zeit. Und langsam werde ich eben erwachsen. Da beginnt man die Dinge nicht mehr so blauäugig zu sehen, wie vorher noch."

"Und deswegen hast du mit Juliane Schluss gemacht? Ist das nicht ein bisschen wenig Grund?"

"Sie hat mit mir Schluss gemacht...", stellte Rudolf bedrückt leise klar.

"Aber wieso denn? Du bist doch ein sehr umgänglicher Kerl und noch ein liebenswerter dazu."

"Sie wollte nicht mehr", meinte Rudolf einsilbig.

"So was hat doch einen Grund, Rudi. Hat sie sich in einen anderen verguckt?"

"Nicht, dass ich wüsste."

"Hast du sie mal schlecht behandelt? Obwohl ich mir das von dir überhaupt nicht vorstellen kann."

"Nicht, dass ich wüsste. Jedenfalls hätte ich es nicht mit Absicht getan. Juliane sagte auch nichts in der Art."

"Ja was ist denn passiert?"

"Gar nichts! Das ist es ja gerade. Nichts ist passiert. Vielleicht nur, dass ich mich geändert habe und nicht mehr derselbe bin, den sie mal lieben gelernt hatte."

"Dass du dich geändert hast, haben wir alle bemerkt. Ich ganz besonders. Du bist nicht mehr der alte Rudi, unser fröhlicher Kumpel und Kamerad."

"Bin ich auch nicht mehr!" Fast trotzig entflohen die Worte Rudolf Welzers Lippen. "Wieso darf man sich nicht ändern? Ich nehme doch niemandem was weg oder bin ein schlechterer Mensch geworden."

"Natürlich darf man sich ändern, Rudi", besänftigte Gerd. "Aber du hast vielleicht doch jemandem was weggenommen."

"Quatsch! Was soll ich denn genommen haben?"

"Dich selbst hast du weggenommen!"

Überrascht sah ihn Rudolf an, dann erschien mählich Verstehen in seinem Gesicht. "Daran habe ich auch schon gedacht", meinte er schließlich langsam. "Aber habe ich nicht das Recht dazu, anders zu werden? Es hat sich so viel verändert, seitdem..." Er brach ab, seine Stimme versagte, als solle Bestimmtes nicht ausgesprochen werden.



Alle Rechte vorbehalten
Mannie Manie © 1999
Unentgeltliche Weitergabe erlaubt!

weiterblättern: nächste Seite