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Abermal, Kapitel 22, Seite 01

flackert


Trübe und grau, regnerisch und kühl, der nächste Morgen. Erfried ging gewohnt zur Schule. Gestriges Gewitter brachte merklichen Witterungsumschwung. Nieselnd netzte Niederschlag, bedeckte alles. Nasser Überzug drang auch in feinste Ritzen. - Wie lange bleibt es so? Bestimmt einige Tage, befürchtete Erfried, drückte die Schultasche enger, suchte dahinter Schutz vor kalt fegendem Nordwind.

Entsprechende Stimmung herrschte in der Schule, erst recht im Klassenraum. Zum faden Atem der Schüler gesellte dumpf von draußen mitgebrachte Feuchtigkeit. Statt üblich lauten Gelärmes, brodelte wenig freudiges Gespräch. Montag, erster Schultag elend langer Woche. Deren Tage türmten und versprachen gleich zu Beginn keine Fröhlichkeit.

Oberlehrer Mantey wirkte hingegen erstaunlich aufgeräumt, als er in den Klassenraum kam und zum Pult stiefelte. Er lächelte sogar, am frühen Morgen bei ihm rar. Sofort zwei Stunden Rechnen! Deswegen Manteys morgendliche gute Laune? Eigentlich folgte Rechenunterricht erst nach der großen Pause. Normalerweise stünden Geschichte und danach Erdkunde auf dem Plan.

"In der Aula wird nach der Pause ein Lehrfilm für alle gezeigt. Deswegen fallen heute Geschichte und Erdkunde aus. Rechnen ist wichtiger", erklärte er kurz und bündig. - Na, wenigstens was.

Günter Meinrad erzählte in der großen Pause, Erfrieds Mutter habe am späten Sonnabend Abend bei ihnen Zuhause nachgefragt, wo ihr Sohn stecke. "Wo hast du dich denn rumgetrieben? Warst du wirklich bei den Perchtens an der Ronnburg zu Besuch?" Einsilbig bestätigte Erfried. "Donnerwetter!" staunte Günter. "Die laden bestimmt nicht irgendwen bei sich ein."

Wenn du wüsstest, wie richtig du da liegst, dachte Erfried niedergedrückt und überlegte, ob er Günter davon erzählen sollte, ließ es bleiben. Kein geeigneter Gesprächsstoff für große Pausen. Außerdem: Ob der ihm überhaupt glaubte? So eine Geschichte?

"Komm doch nach der Schule am Nachmittag zu mir", lud Günter ein. "Du hast doch noch immer nicht die neuen Scheiben meines Bruders gehört. Die sind wirklich toll."

"Kann ich gerne endlich mal tun", antwortete Erfried geistesabwesend.

Der angekündigte Lehrfilm zeigte das Segelschulschiff 'Gorch Fock' des langen und breiten in aller Ausführlichkeit. Werbeschinken der Bundesmarine. Erfried langweilte es, weil ihm Segler diesen Ausmaßes endlos altmodisch vorkamen und daher von Herzen gleichgültig.

Wenn schon, dann mussten große Segelschiffe mindestens richtige Piratenschiffe oder Korsarenschiffe sein. Voller verwegener Gesellen, wie sie früher stolz durch die Südsee rauschten, Schätze raubten und auf einsamen Inseln vergruben. Mit dämlich runden Mützen und lächerlich langen Bändern daran, fand er Matrosen einfach nur albern kindisch. Dazu doofe Lätzchen am Rücken ihrer Matrosenblusen. Sie liefen wie dumme Jungen aus Kaisers Zeiten herum. Solcher Quatsch kam für ihn nicht in Frage.

Flieger, ja! Das käme ganz anderes rüber. Sogar alte Doppeldecker dürften's da noch sein, wenn auch nicht sonderlich gern. Aber so ein Segelschulschiff? - Todlangweilig! Nicht mal Käpt'n Nemo mochte mit ungeil flatternden Wäscheleinen voller Bettlaken im Schweinsgalopp übers Meer gondeln. Da kannte der längst besseres als diesen öden Bundeskahn.

"Zieht sich da keiner aus?" fragte ältere Mädchenstimme aus Saaldunkel. Alles kicherte und prustete, übertönte werbende Stimme des Filmsprechers.

Als es kein Ende nehmen wollte und schließlich in hemmungsloses Gelächter mündete, ging das Licht an und der Rektor drohte: "Wenn dieses alberne Gelache nicht aufhört, dann brechen wir die Vorführung ab, Herrschaften!"

Grienende Gesichter allüberall. Unterdrücktes Gekicher im Hintergrund. Auch der Marineoffizier auf dem Podium vermied krampfhaft allzu breites Grinsen, bemerkte launig: "Manchmal zieht sich auch einer der Matrosen aus. Manchmal, junge Dame!"

Nach dem etwas über einstündigen Film durften alle nach Hause. Restlicher Unterricht fiel aus. Doch kein so schlechter Wochenbeginn, wie erst befürchtet. Günter Meinrad erinnerte noch einmal an seine Einladung.

"Ich weiß noch nicht genau, wann ich komme", wehrte Erfried fast brüsk ab und ging eilig davon.

Günter Meinrad sah ihm verwirrt nach. - Der hat mich einfach abgewimmelt! Dabei sind wir doch immer so gute Freunde gewesen. Der benimmt sich schon seit letzter Woche so komisch, ging mir sogar aus dem Weg. Ob das mit den Leuten an der Ronnburg zu tun hat? Wird Erfried jetzt deswegen auch noch eingebildet?

Zuhause sah Eleonore Gundeleit ihren Sohn überrascht an. Sie schien vom erlebten Schrecken am Wochenende hinreichend erholt, wovon Erfried aber nichts wusste, ihren merkwürdigen Zustand allein den Alben zuschrieb. Jedenfalls wirkte sie fast normal und wieder ganz Mutter Gundeleit. "Was? Ist die Schule schon aus?"



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Mannie Manie © 1999
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