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Abermal, Kapitel 18, Seite 09

flackert


Je weiter die gespenstische Menschenkette ihre Richtung verfolgte, desto enger am Wall. Mit jedem Schritt Wallfuß aufwärts. Irrlichter tanzten über Hände. Langsamer Anstieg. Aufmerksames Auge entdeckte noch das Ende des Zuges, erkannte letzte sprühende Fackeln. Unfehlbar fanden vorn marschierende Alben ihren Weg. Niemand strauchelte. Nachfolgende traten in Fußstapfen vorangehender Geistergestalt, gelangten sicher zur Wallkrone.

Deutlich pulsendes Licht aus der Hainmitte! - Es strahlte rötlich, gelblich und zugleich bläulich flackernd an aufstrebenden Baumstämmen vorbei, drang durch wucherndes Gebüsch. Durchbrochene Leuchtbahnen zerfaserten im weiteren Dunkel. Seltsame nächtliche Elfenbrücken entstanden vereinzelt. Alles dazwischen unsichtbar. Tiefschwarz im Schatten, blieben weite Gräben Vermutung.

Das Spiel der Wallwanderung ging weiter. Nur jetzt auf der Krone einmal bis Höhe Zugangsstelle. Hernach gleicher Weise Abstieg in unsichtbare Grabensohle zwischen diesem und nächstem Wall innen. Dann folgte derselbe Ablauf wieder. Man erreichte die Krone des zweiten Walls, umrundete sie einmal und stieg zur zweiten Grabensohle hinunter. Dritten Wall genauso erklommen.

Füße, Menschenkette und zitternd sprühender Fackelbrand zauberten Spirale entgegen Uhrzeigersinn in nächtliche Ronnburg. Beklemmend wirksamer Zauber. Niemand verfehlte oder rutschte irgendwie ab. Ringsum Schweigen. Geisterhaft wortlose Wanderung, begleitet vom unausgesetzten Summton nicht gezählter Kehlen.

Langsam erreichten alle die Krone des dritten, inneren Walls. Als irre Leuchtkäfer zuckten und sprühten kaum erhellende Fackeln rundum. Baumkronen überdachten. Umliegendes dichtes Strauchwerk vorliegender Wälle schirmte nach außen. Hohe Grenzhecken um gesamte alte Wallanlage schützten zuverlässig gegen neugierige Blicke. Filziges Dickicht bildete Sichtsperre und Hindernis gegen Unberufene.

Schattenhafte, kaum unterscheidbare Geister warteten schweigend, blickten zur Mitte. Wind aus Gegenden ungewohnter Wirklichkeit wehte sie hin und her. Mitten im kreisrunden Innenraum gloste Feuer, schickte erstaunliche Leuchterscheinungen. Licht absonderlicher Flammen. Kein gewöhnlicher Brand. Für klare Gedanken außerstande, erkannte Erfried wenig. Angst sprang hin und her. Kommt jetzt seine Opferung? Wie lange noch Ungewissheit?

Gestalt in offenbar blutroter Kutte kam um den Scheiterhaufen herum, blieb stehen, Gesicht zum Brandherd. Stück für Stück drehte der Kuttenträger langsam den Rücken zum Feuer, zum Mittelpunkt, blickte aber nicht auf.

Ingomar? Konnte das nicht Ingomar sein? - Er hat mich verraten und verkauft!

Vom Wuchs her besehen, nicht ausgeschlossen. Allerdings tarnte weite Kapuze düster das Gesicht. Augenpaar glitzerte zuvor schwach. Ungemein weite Ärmel verdeckten Hände. Lediglich Fingerspitzen ragten kurz heraus, sogleich wieder vom nachrutschenden Stoff geschluckt. Gemessen näherten zwei weitere Kuttengestalten, bildeten gedachtes Dreieck um Flammen. Blutrote Geister, plötzlich irgendwoher erschienen. Alle drei hoben gleichzeitig ihre Arme.

Ist Ingomar wirklich dabei? - Leise erhofftes Gegenteil.

Unsichtbaren Mündern entquollen Töne, vereinigten in gemeinsames Schwingen. Kein richtiger Gesang. Aber auf keinen Fall Sprechen. Durchdringend gefundene Höhe erfasste, zog jedes und jeden, die gesamte begrenzte Welt der Wallanlage zur Mitte. - Wallfahrt! - Jetzt klangen Worte, wirbelten und drehten gleich aufquellenden Gewitterwolken. Fremd, sehr fremd. Erfried verstand nichts. Dennoch glaubte er, er habe diese Sprache schon irgendwo gehört. Ihn sprach etwas an. Etwas, das ihn genau kannte und er es. Aber woher? Und was geschieht jetzt? Das Opfer?

Noch immer stand er bewegungsunfähig, glitzernd sprühende Fackel in der Faust, nahm alles durch dumpfen Dunst wahr. Auch Angst versank teilweise, blieb aber, wich nicht wirklich. Mitgerissen von auftreibenden und abschwellenden Lauten stimmte gespenstische Wallfahrtrunde ein. Eintöniger Gesang strömte aus Kehlen, stieg samt plötzlich hochschlagenden Flammen des Brandherds zum Nachthimmel. Auch der Junge sang willenlos, gab letzten Widerstand auf.

Verrückte Irrlichter tanzten ringsum, spuckten winzige Fünkchen, vernebelten, was noch leidlich an Wirklichkeit erinnerte. Wallfahrt um Feuerkern, entgegen Uhrzeigersinn, Geisterreigen. Zitternde Leuchtbälle stiegen höher, schwebten, fielen herab. Zerplatzten aber nicht, begannen erneut wahnsinnigen Rundtanz, drehten umeinander, sprangen zuckend in alle Richtung. Blinkender Sog funkelte. Jedes Bild verschwand. Angst schoss auf.

Wozu? Besser, im rasenden Wirbel vergessen, als dauernde Angst und Ungewissheit! Sollte das seine Opferung sein? Wenigstens einigermaßen gnädig! - Mir ist es recht, bleibt es dabei! - Letzter Gedanke... bauschende Watte... verweht... Stimmen raunten...



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