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Abermal, Kapitel 07, Seite 10

flackert


"So...! Sehr gastfreundlich..." Unsicherheit schwang in ihren Worten. "Nun, es kann aber auch Umstände geben, junger Mann, wo man sich von Gastfreundlichkeit nicht beeindrucken lassen sollte und sie besser nicht annimmt."

"Was meinen sie damit, Frau Kaiser? Ich bin sogar eingeladen worden, wiederzukommen und seinen jüngeren Bruder kennen lernen."

"Nun... diese Leute sind keine guten Christen", kam nach kurzem Zögern wie aus der Pistole geschossen. "Ich bin mir nicht einmal sicher, was diese Leute da drüben überhaupt sind. Ich möchte dir dringend davon abraten, der Einladung zu folgen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es gut für dein Seelenheil ist."

"Sie kennen die Familie Perchten, Frau Kaiser?"

"Gott bewahre! Wo denkst du hin? Ich weiß, wie sie heißen und wer sie sind, und dass sie einen sehr merkwürdigen Lebenswandel haben müssen. Jedenfalls gehen sie nie in die Kirche."

"Vielleicht sind Perchtens ja römisch katholisch?" Erfried gedachte, diese Gelegenheit weidlich auszunutzen.

"Das würde vielleicht erklären, warum sie so sehr an Gottlosigkeit und Sünde denken lassen."

Hui! dachte Erfried jetzt, nicht einmal seine Mutter ginge so weit. Und die verabscheute alles, was auch nur papistisch angehaucht. Trotzdem machte sie sehr deutlichen Unterschied zwischen der römischen Kirche selbst und den Menschen als solche.

"Aber diese Leute sind auch nicht wirklich römisch katholisch", ergänzte Frau Kaiser. "Man vermutete das manchmal. Aber selbst die wenigen Katholischen hier sahen die noch nie in ihrer kleinen Kirche, haben keine nähere Verbindung zu dem Haus."

"Vielleicht sind Perchtens ja aus dem Osten oder aus dem Baltikum oder so was und haben sich noch nicht mit ihrer neuen Heimat angefreundet?" Mal sehen, was sie jetzt sagt, wartete Erfried gespannt, erinnerte Bernds kurzen Bericht, wonach dort schon Großeltern von Perchtens wohnten.

"Hier ist niemand einheimischer, als diese Leute!" Frau Kaiser sagte dies sehr bestimmt.

"Das verstehe ich jetzt nicht", gestand Erfried überrascht. Immerhin ausgesprochen weitgreifende Einschätzung.

"Nun, diese Leute sind keine Zugezogenen hier. Schon deren Vorfahren müssen dort seit undenklicher Zeit gelebt haben. Trotzdem kennt sie niemand richtig und selbst scheinen sie auch nicht den geringsten Wert auf ihre Nachbarn zu legen. Normale Einheimische fürchten sich vor denen und munkeln über sie. Bei einer so alteingesessenen Familie ist das doch wirklich sehr merkwürdig."

Da hat die gute Frau Kaiser allerdings recht, fand Erfried. "Was munkeln die Einheimischen denn? Mir kam der Ingomar Perchten ziemlich normal vor. Zum Fürchten war an dem nichts."

"Sie sollen in Wirklichkeit alte Heiden sein und die Ronnburg ein unguter Ort an dem es umgeht. Unser Prediger, Bruder Tobler, hat dort einmal einen Missionsbesuch gemacht. Er ist höflich aber auf eine ganz unerklärlich böse Art und Weise aus dem Haus verwiesen worden. Und das einem Mann Gottes! Bruder Tobler sagte, er habe deutlich das Wirken des Satans gespürt."

"Satan? Meinen sie? Ich konnte nichts Satanisches entdecken, wenn rote Himbeerbrause nicht gerade in der Hölle hergestellt wird..."

"In der Heiligen Schrift steht ganz klar, dass sich der Satan zum Engel des Lichts verstellt, mein Junge!" Frau Kaiser unterbrach ihn streng erhobener Stimme, schwenkte zugleich ihre Gießkanne wie einen gegen allerlei Satan geweihten Gegenstand. Wasser schwappte heraus und platschte gegen die große Fensterscheibe. Sie beachtete es gar nicht und fuhr fort: "Du hast doch sicher von dem Jungen gehört, den man Anfang April tot aufgefunden hat?"

"Ja, das war Herbert Welzer aus meiner Parallelklasse. Meinen sie den? Was ist denn mit dem?"

"Er war nicht der erste, der seit dem Krieg in dieser Gegend auf die gleiche unerklärliche Weise starb. Und es hat in den letzten zehn Jahren zugenommen, das dunkle Geschehen, das Wirken übler Mächte. Du weißt nicht, wie er im Tode aussah?"

"Nein, Frau Kaiser. Wir sind zwar alle auf der Beerdigung gewesen, aber der Sarg war zu."

"Das hatte auch einen guten Grund."

"Was... was... meinen sie damit?" Erfried wurde es nun doch etwas mulmig.

"Es war wegen seiner Augen. Wie auch bei allen anderen die Jahre zuvor."

"Wegen seiner Augen?" Dumpf schwante ihm etwas.

Frau Kaiser sah ihn bedrückende Weile schweigend an. Dann durchbrach sie lastende Stille. Gleich berüchtigtem Menetekel wallten Worte: "Ja, mein Junge! Die Augen waren vollkommen schwarz! – Schwarz, wie die ewige Verdammnis!"



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Mannie Manie © 1999
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