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Abermal, Kapitel 10, Seite 03

flackert


Er verstand wohl sehr genau, was damals ablief, führte in ungewöhnlicher Klarheit einmal aus:

"Kinder, Krieg ist Mist! Krieg ist kein tolles Abenteuer! - Glaubt also auch nicht den verherrlichenden amerikanischen Heldenfilmen, die dauernd in den Kinos und im Fernsehen laufen. Das ist genauso verlogen und gehässig wie die Nazipropaganda von Goebbels.

Glaubt mir, ich kenne den Kram und finde kaum einen echten Unterschied zwischen den lügenhaften Amistreifen und den Heldenschinken im Dritten Reich. Von dem Zeug, das die Sowjetrussen verbraten, brauchen wir gar nicht erst reden. Das ist sowieso nur kommunistenrot eingekleisterter Nazikram! Da ist der Unterschied nur noch in den Parolen und im roten Stern und den verschlagenen Visagen von Stalin oder Lenin. Das könnte problemlos mit Hitler, dem Hakenkreuz oder mit was anderem ausgetauscht werden. Nichts wäre wirklich anders.

Ihr fragt euch jetzt bestimmt, ob ich mich bloß herausreden will? - Ich kann mich nicht herausreden!

Ich gebe offen zu, dass ich blöd genug war, den ganzen Quatsch damals für bare Münze zu nehmen und keine Sekunde darüber nachdachte. Erst als ich trotz aller siegesbesoffener Durchhalteparolen mitbekam, wie es immer mehr den Bach runter ging, dachte ich zum ersten Mal wirklich nach. Das war leider erst Anfang 1944.

Ich will hier auch nicht darüber rechten, wer eigentlich wirklich Schuld am Krieg war. Ich bin überzeugt, diese Frage ist müßig! Keine Seite schreckte vor Krieg zurück, suchte nur einen guten Grund dazu. Darin waren die alle gleich und darin sind die alle gleich. Die Westalliierten brauchten einen besseren, als die Achsenmächte oder die Sowjetunion. Das war alles!

Ich kreide diesen NS-Knilchen aber sehr an, dass sie die schlimmste Katastrophe der letzten zwei Jahrtausende über Deutschland heraufbeschworen! Und sie haben nichts unternommen, das diese Katastrophe wenigstens glimpflicher ablaufen ließ. Im Gegenteil! Diese Bande von der NSDAP fand sich wichtiger als das Volk! - Kinder, diesen Fehler darf keine Staatsführung machen!

Und wenn doch, dann hat sie alles zu tun, ihre Fehler auszubügeln. Koste es ihr eigenes Leben. Weshalb sollen für deren Dummheit andere sterben? Ansonsten sollte man so eine Bande einfach an die Wand stellen und abknallen. Das haben sie tausendmal verdient! Solche Leute sind keine bewundernswerten Helden oder zu bedauernde tragische Größen, sondern strohdumme Idioten. Unfähige bösartige Blödiane! Immerhin bewies der alte Kaiser Wilhelm II ausreichende Größe und machte sich damals 1918 vom Acker, rettete damit, was gerade noch zu retten blieb.

Zwischen Stalin und Hitler war kein Unterschied. Beides widerwärtige Ungeheuer. Und Winston Churchill und der amerikanische Präsident Roosevelt waren demokratisch gewählte Bluthunde, die gleichfalls nicht davor zurückschreckten, Millionen für ihre Zwecke in den Tod zu jagen. Die haben halt nur den Krieg gewonnen, und das war's. Alles Menschlichkeits- und Demokratiegeschwätz ist da nichts weiter als billige Propaganda, deren Argumente die NS-Machthaber prächtig ausfüllten. Und wo nicht, da wissen wir aus dem ersten Weltkrieg, dass die Westalliierten einfach logen wie gedruckt. - Die waren also nicht moralischer als Goebbels und Konsorten!

Die Amerikaner konnten weder im ersten, schon gar nicht im zweiten Weltkrieg zulassen, dass Britannien den Krieg verlor und Frankreich völlig den Bach runter ging. Milliarden und Abermilliarden an riesigen Dollarkrediten einfach futsch und in flaue Luft aufgelöst. Die Folge davon wäre sicher der wirtschaftliche Ruin der USA gewesen.

Und zu guter oder schlechter letzt, Kinder: Die einfachen kleinen Leute in Amerika zum Beispiel, litten genauso unter dem Krieg! Schließlich waren es die ihren, die an den Fronten verreckten und verkrüppelten. Sie waren es, die ihre Söhne, Geschwister und Männer, hunderttausende geliebte Menschen verloren, sie endlos vermissten, vergebens um sie weinten. Außer Tod und Tränen und ein ewig dummes Sternenbanner als Andenken, hatten die einfachen Amerikaner auch keinen tollen Vorteil davon. Denkt daran, wenn ihr mit gewöhnlichen Leuten aus den USA zu tun habt oder mit Russen, Briten, Franzosen oder anderen!"

Seine versöhnlich mahnenden Worte bewegten sie tief. Am 8. Mai sagte er ihnen das, am Tag der Kapitulation. Alle schwiegen, sehr beeindruckt von Herrn Mantey's eindringlichem Vortrag. Sie glaubten ihm seine Aussagen, fanden dessen Begründung sämtlich einleuchtend, eine Staatsführung dürfe derart katastrophale Fehler nicht machen und gehöre schon allein deshalb abgeschafft. Klägliches Versagen bot Grund genug. Solchen Leuten brauchte man nicht im mindesten nachtrauern. Vernichtendes Urteil der Geschichte: Rücksichtslos und dann auch noch unfähig!

Freilich, im Nachhinein ist es meist leicht gesagt: Dies und jenes tun, dieses und anderes unterlassen - und alles Grauen verhindert! Ja, wenn... wenn das Wörtchen WENN nicht wär'... Dennoch traf Herr Mantey den Nagel auf den Kopf, in seiner einfach verstehbaren Zuweisung der Verantwortung.

Wirklich gleichgültig, wie sie damals in den ganzen Schlamassel gerieten. Entscheidend blieb, mit Pauken und Trompeten verlorener Krieg und jener Machthaber Dumpfheit, welche nicht abtreten wollten und das schon Jahre zuvor aussichtslos gewordene Unterfangen einigermaßen anständig beenden. Hohlköpfig verstrickten sie immer tiefer darin, machten keinen entsprechenden Rückzieher. Rückzieher kam für die gar nicht in Frage, meinten allen Ernstes, sie seien unendlich wichtiger als Millionen leidende Menschen, wichtiger als ein ganzes Volk, wichtiger als ihr eigenes Volk.



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Mannie Manie © 1999
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