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Abermal, Kapitel 22, Seite 08

flackert


"Okay, du hast ja nicht unrecht. Das wollte ich wirklich wissen und fand's auch alles ganz geil, was du erzählt hast. Und du hast nix davon erfunden?"

"Ich hatte und habe immer noch eine Scheißangst deswegen. Da hab' ich keinen Grund, mir was aus den Fingern zu saugen."

"Hej, ich bin dein Freund! Und das bleib' ich auch! Und meine Eltern sehen Sexsachen sowieso locker. Ich weiß, dass die wissen, was wir so alles anstellen. Denen dürfte man nur nicht mit weibischen Warmen ankommen oder es in aller Öffentlichkeit machen. Da würden sie doch 'nen Trieb kriegen. Also, wenn du Hilfe brauchst, dich rächen willst, dann können wir dem mal zusammen einheizen."

"Dann kriegen wir's bestimmt auch noch mit seinem älteren Bruder zu tun und haben obendrein noch seine Eltern und ganze andere Bande am Hals. Das ist da so, wie mit deinen Leuten hier. Sie wissen es und es schert sie nicht die Bohne, solange es unterm Teppich bleibt. Außerdem sind die Perchtens nicht irgendwelche, Günter!"

"Das weiß ich inzwischen von meinen Eltern. Ist der jungsche Perchten denn irgendwie so'n weibisch Warmer?"

"Kein Stück! Ganz im Gegenteil. Sowenig wie ich oder du. Oder findest du, ich bin so'n weibisch Warmer?"

"Nicht die Spur!" lachte Günter. "Wenn du weibisch bist, dann bin ich's auch. Aber wieso hast du dem denn nicht gesagt, dass du Angst hast? Vielleicht hätte der es dann gar nicht so doll getrieben?"

"Red' du mal, mit so 'nem Kolben im Maul!"

"Meine Güte, das hört sich ja schon richtig gut an! Wann pennst du mal wieder hier? Heute?"

"Arschloch!"

Erfreut fasste Erfried wieder etwas neuen Mut, nachdem Günter überzeugend unverbrüchliche Freundschaft versicherte. So offen sprechen nur Freunde miteinander. Wenigstens geringer Teil Angst von der Seele geladen! Bloße nächtliche Rummacherei mit Gundram hätte unter anderen Umständen kaum derart fressendes Grauen verursacht. Seiner Mutter würde er davon in dieser Weise niemals erzählen. Auch anders nicht. Jetzt schon erst recht nicht, nachdem die Alben sie einwickelten.

Er sagte Günter 'Auf Wiedersehen bis morgen in der Schule' und ging bedrückt zur Bachgasse. Trübe Gedanken bohrten. - Gundram ist ein Alp mit unheimlichen Fähigkeiten! Und daran ändert auch Günter Meinrads Freundschaftsbeweis nichts, gar nichts. Günter kann mir nicht helfen. Kein Stück! Ich bin nach wie vor allein und nur auf mich selbst gestellt. Und ausgeliefert!

Erfried aß schweigsam zu Abend, verschwand danach in sein kleines Zimmer, wie ein verängstigtes Tier ins Versteck. Kurz Schularbeiten überflogen, ging er früh schlafen, wähnte im Bett mehr Sicherheit, zog die Decke über den Kopf.

Kindisch! Im Bett bist du auch nicht sicher, du Knallkopf! So eine Bettdecke hält nichts und niemanden ab und schützt auch nicht! Ein Alp schlüpft eher drunter und treibt sein Unwesen umso heftiger!

Kurz vor dem Einschlafen kreiselte im Sinn, was diese überaus ausdrucksarme Frau über den Schlupfwinkel des Glanzdiebes sagte: Das Anwesen sei unbewohnt und gehöre schon lange Doktor Wappler!

Weiß Dr. Wappler, was darin vorgeht? Er müsste es doch wissen, wenn es ihm schon lange gehört. Gänzlich verlassen und vernachlässigt wirkt es nun doch nicht. Oder kümmert ihn das Ganze dort so wenig? Warum verkauft er das Haus nicht, wenn er es nicht irgendwie nutzt? Und wie kam er in den Besitz des Anwesens? - Vielleicht erbte er es vor langer Zeit, wollte es immer verkaufen, fand aber keinen Käufer? Wer will so ein gespenstisches altes Haus schon haben, das wahrscheinlich auch noch teuren Denkmalschutzvorschriften unterliegt? Wenige! Aber innerhalb von vielen Jahrzehnten müsste es doch irgendwann mal gegangen sein?

Komische Sache... Doktor Wappler... katholisch... Mama putzt bei Dr. Wappler... hilft bei Vorbereitungen für Kommunionsnachfeier...

Irgendwann schlief er unruhig ein, träumte wirr von Dr. Wappler und dem Dieb des Glanzes, sah beide in blutig roten Inquisitorenroben. Sie verschmolzen. Deren hagere Gestalten unterschied ohnehin wenig. Nicht nur im jetzigen Traum. Auch ihre Gesichter wechselten, wandelten mal zur finster hohlen Larve des Farbenräubers, dann wieder in Dr. Wapplers knochiges Gesicht.

Bis auf schwarze Augäpfel des Glanzdiebes, passten beide Formen fast, zerflossen, wo Unterschiede blieben, im Traum... passten... aufeinander... Doktor Wappler... Horex... schwarze Augäpfel... passten... Wappler... Räuber der Farben... das Tor... das Wappen... verschmelzen... Elfenbrücke... Wappen... Horex... schwarze Augen...



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Mannie Manie © 1999
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