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Abermal, Kapitel 09, Seite 06

flackert


Aber was machte er dann in diesem jetzt verwunschen erscheinenden Garten, dem Haus an der Ronnburg, der Ronnburg selbst? Lebte der Hund nur gezwungen hier? - Wohl nicht! Jederzeit könnte er entweichen. Das Gattertor stand offen. Und über dessen Höhe spränge ein großer Hund letztlich durchaus, wenn auch mit Mühe.

Was hielt ihn also? - Offenbar gehörte er einfach dazu.

Ist er auch ein unheilverkündendes Wesen? - Unheil wurde ihm hier auf bisher nicht gekannte Art und Weise verkündet. Unheil kam in vergangenen Tag in sein Leben. Alles begann während jenem fürchterlichen Gewitter. Nein! Eigentlich fing es schon an, als er Ingomar in der kleinen Bahnhofshalle zum ersten Mal sah, dessen stechenden langen Fingernagel und bannendes Wesen.

"Auf Wiedersehen, Frecke", murmelte Erfried unsicher, kraulte ihn scheu hinter dem Kopf und witschte wie der Wind durchs Gattertor auf den Weg hinaus.

Er sah nicht zurück. Wegen Hecken und dichter hoher Bäume glaubte er auch nicht, man erkenne noch etwas. So schnell es ohne rennen ging, suchte er möglichst weiten Abstand zum Haus an der Ronnburg, gelangte erleichtert in bereits düsterer gewordenen kleinen Wald. Hier erinnerte alles an schleichende Finsterung, die in kleine Stadt und Umgebung zunehmend hineinwirkte. Aber er rannte nicht davon, eilte nur mehr als ohnehin schon, kam dennoch außer Atem, seine Beine wurden schwer und schwerer.

Lange, sehr lange sah ihm die Frau des Hauses bei der Ronnburg nach, wandte ihren Blick nicht ab, bis ihn schließlich die Hecke verdeckte, er schleunig auf den Weg trat. Aufmerksam verfolgte sie, wie Frecke näher trottete und ihn anstupste, bemerkte sehr genau, der Junge mit dem Elfennamen flüchte in Wahrheit. Ihre Züge blieben unbewegt, nahezu starr. Noch einige ungehörte Atemzüge wartete sie regungslos und dunkel - vollführte dann langsame Wendung, ging schlafwandlerisch in sonderbar glitzernde Elfenbrücke.

Offenes Tor im werdenden Abend nahm alles auf, verbarg, entließ zu bestimmten Zeiten wieder. Mattgelb gefärbte Lichtfluten begleiteten wundersame Erscheinung.

Trugbild aus anderen Bereichen? Oder bringt die Wirklichkeit stets Trugbilder, flimmerndes Gastspiel aus ungezählten Ebenen und Welten? Was ist noch wirklich und was scheinbar?

Nichts mehr so, wie noch vor wenigen Tagen, als alles seinen seit ewig zugewiesenen Platz in unverrückbar geglaubter Pflicht einnahm. Gewohnte Ordnung verließ ihren Rahmen.

Oder zeigte die Ordnung nur jetzt, in Stunden des Übergangs, stets vorhandene andere Seiten, besaß mehr Eigenschaften, als gewöhnlich angenommen? Unbemerkte Seiten, welche immer ihre Wirkung tun, von Menschen nicht gesehen, inzwischen geleugnet, weil fremd geworden?

Bequeme Lügen, statt harter Wahrheit! Solche Kenntnis stört liebgewonnene Weltsicht, zerstört sie, erschüttert einfachen Kinderglauben an Schwarz und Weiß, an Gut und Böse. - Unwiederbringlich verloren!

Aber was ist noch Wahrheit? - Wie in Zeitlupe verschwand hohe Frauengestalt im gleißenden Fächer. Stück für Stück! Ihr unwirklich gewordener Umriss verschmolz gleich gespenstischem Schatten in anderen Schatten dieser Umfriedung, verwirrend getarnt von Bäumen, Hecken und Büschen. Letztlich ganz davon eingeschlossen, vollkommen unsichtbar. Nur noch der stetig matter glänzende Lichtzauber sinkender Sonne floss im Garten. Als sei diese Frau nie hier gewesen, aus Elfenbrücke als Schreckbild vor dem Jungen aufgetaucht, in Elfenbrücke davongegangen.

Stille lag in dem von dichten Hecken weitläufig geschützten Bereich. Nicht einmal Vogelzwitschern. Auch rührte kein Wind an Äste und Blattwerk. Nur Strahlen neigender Sonne zauberten viele Elfenbrücken ringsum, hüllten das Haus an der Ronnburg, Bäume und Büsche, Hecken und Grasbüschel und auch die dicht überwachsene Ronnburg selbst.

Dieser Welt entrückt, entrissen, entführt oder nur zu Besuch gewesen?



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Mannie Manie © 1999
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