Doch innerhalb Vorhofbeleuchtung drangen Blicke nicht in umgebende Nacht. Nur von Lichtstrahlen erfasste Blätter, Zweige und Baumstämme sah er teilweise. Dahinter lag alles wie abgeschnitten, als sei es gar nicht da, ausgespart aus Wirklichkeit, in Frühsommernacht verschluckt.
Laute Stimmen und Musik im geduckten Gebäude überdeckten anderes. Lediglich einige scharf zirpende Grillenklänge durchschnitten unablässig tönenden Teppich aus niedrigem Vereinshaus. Wegstück vorher verkündete voller Parkplatz die Gegenwart vieler Besucher. Wohl kaum einer dachte an Heimweg.
Noch nicht bei vier Stufen zur teilweise verglasten Eingangstür, blieb er abermals stehen. Dunkle Kleidung ließ ihn als Fremdkörper erscheinen, unpassend aufgebaute schwarze Säule. Irgendwas wehte durch Nachtluft, das nicht hierher gehörte. - Geräusch oder Gegenstand?
Einige Schritte ging er zurück, sah angestrengt ins Dunkel, horchte aufmerksam. - Lediglich zerbröselte Schatten und wispernde Vagheit. Dennoch, etwas heizte Misstrauen. Fürchten brauchte er kaum wen. Wer ihn feindlich anginge, bekäme Hartes zu schmecken. Die einseitig grell beleuchtete Gestalt zuckte Schultern, drehte zum Eingang. Wenige lange Schritte zur Tür, kräftiger Ruck am Griff öffnete. Reingeschlüpft.
Trubel und Hallo empfingen derzeit jeden späteren Ankömmling. Vielzahlige Männerstimmen schwirrten durch niedrigen Gesellschaftsraum des TSV 'Löwen'. Lautes Lachen brach fröhliche Schneisen durch schneidend dick gewordene Innenluft. Geruch von Gegrilltem, Bier und Zigaretten, Männerschweiß und Holz füllte kleinen Saal. Im Hintergrund Musik. Aber niemand achtete darauf oder hörte gar hin. Schulterklopfend redete man miteinander, abendlichem Zusammensein hingegeben. Späte Stunde. Mitternacht bereits erreicht.
Sie feierten heutigen Pokalsieg, besprachen freudig morgigen Freundschaftswettkampf gegen Ringer des MSV1893 aus der Nachbarstadt. Siegesgewissheit leuchtete in Gesichtern zumeist junger Männer. Erstaunlich viele rauchten. Bei Ringkämpfern eher weniger erwartet. Aber alle tranken Bier oder andere rauschende Getränke. Eben eine Feier. Die Feier des Pokalsieges in der Bezirksliga. Man gewann den Pott, also goss man damit auch einen in den Hals.
Außer zwei Frauen an der Theke, nur Männer im Raum. Ringerinnen gab es eben außerordentlich wenige. Erst recht, in kleinen Städten. - Es gab keine! - Völlig unüblich. Allenfalls fand man bemerkenswerte Zahl Frauen im 'Ruderclub 1902'. Sonst meist Turnerinnen oder sie spielten Tennis. Niemand sah darin Mangel. Gewohnt unter Männern ausgelassen, wollte man es auch.
Heiner Pölten, erfolgreicher Ringer des TSV 'Löwen', sprach Gerd Wesseling an, grinste, in der Linken ein Glas Sprudelwasser. Hochroter Kopf. "Wo hast du dich denn die ganze Zeit rumgedrückt, Gerd? Du warst einfach verschwunden ohne einen Ton zu sagen."
"Ihr wisst doch alle, dass sich meine Frau das Bein angebrochen hat. Da muss ich schon mal nach dem Rechten sehen, schließlich haben wir auch noch zwei Mädchen zu versorgen. Das kann sie alles vorläufig nicht allein schaffen. So was dauert eben auch mal die eine oder andere Stunde, Heiner", antwortete Gerd Wesseling etwas ärgerlich über überflüssige Frage des Schwergewichtsringers, blieb aber freundlich.
"Und da hast du wohl auch die Gelegenheit genutzt und zur Feier des Tages gleich mal eben einen mit deiner Angetrauten weggesteckt, wie?" Heiner Pölten grinste weiterhin, nur noch schiefer.
"So rücksichtslos bin ich nicht! Brigitte kann doch kaum laufen und jede Bewegung oder größere Erschütterung des Beins tut ihr weh. Rede nicht so was daher!" Bemüht schnauzte er sein Gegenüber nicht an.
"Ach du armes Jungchen! Nicht mal das geht mehr", lachte Heiner unverschämt und hielt seine große Ringerpranke in Gerds Schritt, drückte gegriffenes Paket einige Male. Ihn störte Gerds abweisende Bewegung nicht, ließ grapschende Finger dort, sah darin eher Ermunterung.
Bei Ringern kein sonderlich auffallendes Verhalten, denen enge Berührung anderer Männer alltäglich und sogar geboten. Dabei verfuhr man in der Umkleide schon mal gering zurückhaltend, und weniger öffentlich, auch ungehemmt. Gerd seit eigenen jungen Sportlerjahren bestens bekannt.
Aber Gerd fand Heiner Pöltens Verhalten schlicht unverfroren. Nicht, weil dieser fast zwanzig Jahre jünger, sondern platt vertraulich. Obendrein fürchterlich dumm. Dumm wie ein Fußballer! Als Schwergewichtsringer auch ganz ähnliche Äußerlichkeit, schon fast plumpe Körpermaße und dieselben hässlich dicken Fußballerbeine. Aber bei Heiners Maßen leidlich in Grenzen.
Haben Fußballer nicht mehr im Kopf, als ihr Ball Inhalt und ansonsten unansehnlich kniebestumpfte dicke Beine, geriet es bei Heiner Pölten in allgemein überbordende Muskulatur und zur Haselnussgröße des Hirns. Entsprechend ungeschmeidige und ungeschlachte Bewegungen. Lediglich Boxer und Bodybuilder sind meist noch dümmer als Fußballer. Bodybuilder zusätzlich Ausbund an Hässlichkeit, den nicht einmal Schwergewichtsringer erreichen. Eher im Bereich schmerbäuchiger Wrestler oder vollgefressener Sumokämpfer. - Ekelhaft!