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Abermal, Kapitel 31, Seite 12

flackert


"Wann dann?"

"Das weiß ich nicht. Irgendwann wird es soweit sein. Erst musst du vollständig zum Elfen werden."

"Aber was wird aus meiner kleinen Schwester und aus meiner Mutter? Sie werden entsetzlich leiden, weil ich fort bin. Und ich leide auch deshalb. Ich hab' sie doch lieb!"

"Allen Schmerz kann ich nicht stillen, Erf. Auch ich habe Grenzen. Und ich will dir nicht etwas versprechen, was ich nicht halten kann. Wir werden uns um sie kümmern, soweit es geht und mit den Aufgaben der Wächter in Einklang. Das verspreche ich dir!"

"Aber was wollt ihr ihnen sagen?"

"Weitgehend die Wahrheit. Dass du fortgegangen bist und nicht wiedergekommen. Wohin, das können wir freilich nicht sagen. Sie verstünden es auch gar nicht."

"Ja, das ist richtig. Mama hielte es für ein frommes Lügenmärchen oder für eine böse faule Ausrede. Allenfalls Reinhild würde es glauben, aber nicht verstehen." Erf verstummte. "Und was wird aus Gundram und Ingomar? Sie werden auch traurig sein."

"Das sind sie auch! Beide sind sehr traurig. Ich werde ihre Tränen nicht aufhalten können. Aber sie wissen, ich tue etwas, erwarten es auch."

"Werden wir uns wiedersehen? Sie sind doch Halbelfen."

"Vorläufig nicht. Aber es wird dir nicht lang vorkommen, dann kannst du mit ihnen zusammentreffen. Du hast doch sicher die verborgenen Zugänge in unserem Haus gesehen oder gespürt. Dort werdet ihr euch recht bald wiedersehen können."

"Dann kann ich auch meine Mutter und Reinhild später besuchen?"

"Tu es nicht! Du tust ihnen nichts Gutes damit! Außerdem werden sie dich nicht erkennen. Du bist in späterer Zeit ein Elfe, jemand ganz anderes für sie. Und es werden nach Zeit der Menschen viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte vergangen sein. Vielleicht leben sie dann schon nicht mehr."

"So lange? Dann sind Gundram und Ingomar womöglich gleichfalls alt oder auch schon gestorben?"

"Nein, so lange wird es nicht sein. Als Halbelfen können sie dir entgegenkommen, können in die heimlichen Gänge gehen, andere Ebenen betreten. Und Elfen und Halbelfen altern und sterben nicht wie Menschen. Elfen haben eine Lebensspanne über viele Jahrhunderte, manche über etliche Jahrtausende. Halbelfen freilich, keine derart lange. Halbelfen werden etwa doppelt bis dreifach so alt wie Menschen. Aber allen Elfenartigen ist zu Eigen, dass sie kaum altern, sondern im Lauf der Zeit zunehmend verblassen und sich schließlich auflösen."

"Ich will nicht so alt werden und alle sterben sehen, die ich liebe!"

"Das müsstest du als Mensch ebenfalls, wenn du alt wirst. Es gäbe keinen großen Unterschied."

"Und was ist mit dem Lichtfraß, dem Dieb des Glanzes, dem Räuber der Farben? Er bedroht doch noch immer alle!"

"Wir haben ihn vertrieben. Er hat seine Diener mitgenommen. Vorerst wird er keinen Versuch machen, in die Menschenwelt einzudringen. Und wir konnten es nur, weil du Ingomar das Leben gerettet hast. Sonst wären wir ihm alle einzeln zum Opfer gefallen."

"Werde ich jetzt kein Wächter mehr?"

"Vielleicht doch, Erf. Aber du wirst viel mehr sein: Ein Elfe!"

"Kann ich dann eines Tages auch aus Liebe zu einem Menschen in die Menschenwelt zurück?"

"Ja! Aber nicht, wenn du dich nicht endlich auf den Weg machst. Auch hier setzt die Veränderung ein und der winzige letzte Lebensfunke verlischt. Du musst jetzt durch das Tor gehen!"

Erf schaute in weitgehend gestaltlose Helligkeit. "Aber wo ist das Tor?"

"Ich bin das Tor! Ich trage es ihn mir! Komm zu mir, Erf!" Sie wuchs hoch auf, lächelte herunter, leuchtete geheimnisvoll. Weit ausgebreitete Arme - Kreuz des Empfangens! In hellen Strahlen entsprangen Elfenbrücken, Leitern aus Licht, Fächer aus Glanz. "Jetzt gehe durch!"

Erf trat über die Schwelle.


ENDE


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Mannie Manie © 1999
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