Gern hätte er laut gejubelt, unterließ es wohlweislich. Nur erster kleiner Erfolg. Gähnend dehnte niedrig enger Gang. Finsterer Abstand roch alt und feucht. Ob man hier wirklich zu den Wällen kam, in heiß ersehnte Freiheit? - Wenn du nicht durchgehst, wirst du es nie erfahren!
Kurzer Blick, ob die Tür auch von Gangseite her verschließbar. - Nein! Ausgesprochene Sperrtür. Vorsichtshalber zog er den Schlüssel ab, schob dicke Bohlenfügung nicht vollständig in ihren Rahmen. Hier drin wollte er nicht eingeschlossen werden und verrotten. Unüberwindliche Sperren konnten am Ende oder irgendwo dazwischen liegen.
Mit groben Steinen verkeilt gewölbt, bot der Gang knappe Breite für eine Person. Dicke bekämen Schwierigkeiten. Und allzu groß durfte auch keiner sein. Reichte gerade so für ihn. - Platzangst! - Feucht, modrig und faulig riechend wies alles in eine Richtung. Auf uneben glitschigem Untergrund rutschte Erfried mehrmals bedrohlich. Immer wieder trafen schmutzige Tropfen. Wasser sickerte nieder, gespeist vom Regen an der Oberfläche.
Endlos langgezogener Fluchtweg. Vier oder fünf gleich beengende Gänge kreuzten unterwegs ein. Erfried blieb bei eingeschlagener Strecke geradeaus. Tappend schallten eigene Schritte. Er hörte sein Herz bummern, Blut in Ohren rauschen, Atemwiderhall. Stoßgebet: Hoffentlich reicht die Lampenfüllung! Nachdem er schon fast aufgeben wollte, schimmerte fern geringes Licht. - Der Ausgang! Endlich!
Vor schlüpfrig schmaler Treppe aufwärts endete der Gang. Etwa fünf Meter Höhenunterschied zum Gangboden musste er überwinden und... Kräftiges Eisengitter! Dichtes Blattwerk davor, gestattete keinen Blick nach draußen. Neuerlich sinkender Mut. Ohnmächtig wütend riss er an sperrenden Stäben.
Sofort schwang das Schmiedwerk einwärts, knarrte und quietschte nur empört. Äußerst überrascht stellte er die stinkende Lampe ab, legte den großen Schlüssel daneben und kämpfte durch triefendes Gebüsch. Leichter als erwartet.
Tropfende Runde. Ungläubiges Staunen. Mitten in den Ronnburgwällen, umgeben und überdacht vom alten Hain. Vor ihm, verkohlte Holzreste. Niedergebrannter Holzstoß des Weihefeuers. Regen rauschte in Fäden vom Himmel, nässte. Längst vergessen geglaubtes Hochgefühl ließ erlebte Qualen und Ängste abfallen. Zum ersten Mal an diesem schaurigen Tag echter Jubelgrund. - Ich bin draußen, in Freiheit!
Erfried erklomm zuversichtlich innersten Wall, suchte Schutz unter gewaltigen Bäumen. Deren Blätterdach minderte fallendes Himmelsnass leidlich. Eilig überwand er zwei weitere Wälle, schob scheußliche Erinnerung vergangener Nacht beiseite, erreichte filzig verwildertes Strauchdickicht. Haingrenze. - Wo sind geeignete Lücken?
Verzweifelt suchte er, fand aber keine hinreichend lichte Stelle. Gar keine! Eng verschlungen verweigerten Dornenhecken schier riesenhaft und scharf stachelbewehrt jeden Weg nach draußen. Herein käme gleichfalls niemand. Nur mit Machete oder Schwert vermöchte man Bahn schlagen. Aber keine Machete zur Hand und auch kein Schwert. Schon gar kein 'singendes' Schwert, wie Prinz Eisenherz es schwang.
Immer noch eingesperrt, verdammt! - Wenige Meter von endgültiger Freiheit entfernt, wütete er gegen ungerechtes Schicksal. Dicke Tropfen platschten aus Baumkronen. Fern grollte Donner. Abrückendes Gewitter blitzte böse Grüße herüber. Erneut Hoffnung vernichtet. Einziger Ausgang blieb der Weg, letzte Nacht voll elender Angst gegangen: In den Parkgarten zurück zum Perchtenhaus!
Schauder rieselte, während er am bekannten Sandhaufen vorbei schlich. Unzählige Fackelreste staken darin, bislang nicht entfernt. Als ekliges Wesen fett schwarzer Borsten lungerte nasse Aufschüttung. Geboten vorsichtig pirschte er zum Haus. Streng im Sichtschatten, wollte er nicht sogleich oder durch dummen Zufall entdeckt werden.
Keinen Atem erlaubt, verhielt er an glücklich erreichter Rückseite. Versperrte Hintertür daneben. Im Grunde genommen, fast gleiche Stelle wie vorher, nur draußen im strömenden Regen. Und dafür unsäglichen Aufwand! Noch musste er gesamten Parkgarten queren. Erfried huschte geduckt Hauswand entlang zur Ecke, wagte rasches Auge.
Wenig übersichtlich grüne Weite. Niemand lief herum. Kein Wunder, bei dem Wetter. Glücklicherweise zog das Gewitter fort, grummelte und polterte woanders. Aber weiterhin rauschten scharfe Wasserfäden herab, dünnten nur allmählich, durchnässten alsbald. Kaum andere Möglichkeit, außer unter schwer tropfenden Bäumen durch triefende Gebüsche flüchten. Sonst könnte man ihn aus Fenstern der Hausvorderseite leicht sehen.