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Abermal, Kapitel 25, Seite 02

flackert


"Und jetzt sagst du mir mal bitte was los ist!" forderte Ingomar unmissverständlich. "In was für eine Falle soll ich dich mit List und Tücke gelockt haben, bitte?"

"Gundram!" stieß der Junge wild und trotzig heraus.

"Was ist mit Gundram?"

"Dein Bruder ist die Falle!"

"Wie kommst du denn da drauf?"

"Du hast ihn mir doch wie Sauerbier schmackhaft gemacht, mich ihm ausgeliefert!"

"Rede bitte keinen Unsinn, Erfried! Ihr seid beide in eurer geistigen und körperlichen Entwicklungsstufe weitgehend gleich. Was liegt da also näher, als zwei nette Jungen miteinander bekannt machen, damit sie sich möglicherweise anfreunden?"

"Anfreunden!" Voller Widerwillen zerdehntes Wort. Ätzender Hohn triefte aus Erfrieds Stimme. "Ja, so kann man Sklaverei auch nennen, Schwarzalp!"

Ingomars Augen blitzten, stachen dem Jungen scharf ins Gesicht. "Ich verstehe immer noch nicht, worauf du hinaus willst. Obwohl du offenbar glaubst, dass ich es wissen müsse. Was für Sklaverei und warum ausgerechnet Schwarzalp? Wieso legst du es unbedingt darauf an, zu beleidigen?"

"Darum geht es!" Erfried riss seinen rechten Ärmel zurück und zeigte Ingomar von Gundrams Fingernagel gekerbten Blutschnitt.

"Ja, und? Ihr habt Blutsbrüderschaft geschlossen! Das haben doch alle zusammen mitgekriegt", bemerkte der Alp nach kurzem Hinschauen.

"Wir nicht! Er hat! Gundram hat mir das aufgezwungen, mich gar nicht gefragt, mich damit unter seinen Willen gezwungen, mich zu einem Stück Fleisch, zu seinem Sklaven gemacht! Und ihr Finsterlinge habt alle zugesehen und euch auch noch wie Diebsgespenster darüber gefreut! Und du hast das alles eingefädelt..."

"Also, jetzt mach' aber mal halblang!" unterbrach Ingomar. "Willst du damit sagen, dass eure Freundschaft gegen deinen Willen..." Er verstummte plötzlich. In seinen Augen erschien unerwartet sanfter Ausdruck. "Ich glaube, jetzt verstehe ich langsam, worauf du anspielst."

"Ach, Ingomar! Tu doch nicht so scheinheilig." Unaussprechliche Traurigkeit beherrschte Erfried. "Jeder bei euch im Haus muss doch gewusst haben, was in dieser Nacht ablief. Erzähle mir doch nicht, dass es nicht so ist. Das glaube ich dir nicht!"

"Natürlich haben alle gewusst, was zwischen euch beiden abläuft. Meine Güte, was tun Jungen in dem Alter miteinander oder auch noch als Erwachsene, wenn sie in einander ins Herz geschlossen haben und in einem Bett liegen? Händchen halten und Gedichte aufsagen?" Ingomar lachte. "Also, das habe ich damals auch schon nicht mehr gemacht und mich an ganz andere Sachen herangepirscht. Und bitte behaupte nicht, dass du mit deinen Altersgenossen nicht schon ganz ähnliches getrieben hast. Das nehme ich dir wiederum nicht ab. Nicht, nachdem du mich damals im Badezimmer so anschautest. Du weißt, was los ist und sahst alles andere als widerwillig aus. Ich war es früher auch nicht, bin es heute nicht, habe aber hauptsächlich andere Vorlieben. Nämlich erwachsene Frauen. Aber als ich in eurem Alter war..."

"Kannst du nicht verstehen oder willst du nicht, Schwarzalp? Darum geht's doch nicht! Wenn's nur das alleine gewesen wäre, dann wär's mir doch wirklich wurscht. Aber so..."

"Nenn' mich nicht Schwarzalp!" verbat Ingomar scharf. "Ich bin kein Schwarzalp oder das, was du darunter verstehen magst!"

"Ihr seid Alben!" widersprach der Junge trotzig.

"Alben, Alpe, Elfen, Elben! Das sind Worte, Bezeichnungen für ein und dasselbe, für Wesen, die zwischen Welten wechseln und zauberische Kräfte lenken können. Ich gebe gerne zu, dass ich, dass wir alle, unsere Familie, die ganze Sippe und die Freunde unseres Hauses keine Leute sind, wie Schmidt, Müller oder Meier. Und wir gleichen bestimmt auch nicht gutbürgerlichen Bildungsleuten, wie Doktoren oder gar adligen Herrschaften. Aber Schwarzalben, also üble Finsterlinge aus jenseitigen Gefilden - Nachtmahre! - sind wir ganz sicher nicht!"

"Da war aber nichts mit, ins Herz geschlossen! Gundram hat mich versklavt, meinen Willen einfach ausgeschaltet. Wie er das gemacht hat, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass es damit anfing." Anklagend hielt Erfried abermals den Arm nebst gerötet verschorfter Schnittwunde sichtbar.

Ingomar sah genau hin und nickte, ließ jetzt Erfrieds Handgelenk los, behielt aber dessen Hand in seiner. "Ich ahne, was sich abgespielt hat. Aber erzähle mir mal bitte vorher selbst, was nach deinem Eindruck alles passiert ist."



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