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Abermal, Kapitel 13, Seite 08

flackert


"Das ist ja schade, Herr Kaiser..."

"Du kannst aber gern ins Gemeindehaus gehen und dort mit Bernd zusammen sein. Da hat bestimmt keiner was dagegen. Weißt du, wo das ist?"

"Äh... ja... ich glaube schon. Aber wenn dort jetzt Unterricht ist, dann störe ich sicher, wenn ich da so einfach reinplatze." Du grüne Neune! Kommt gar nicht in Frage! Auf keinen Fall ginge er in die Bethlehem-Gemeinde, schon gar nicht mit den Schmökern dabei. In vergangenen Tagen stand er schon genug aus, da konnte solchem Umstand gern entraten sein.

"Ach woher! Du störst da bestimmt nicht", versicherte Herr Kaiser leutselig. "In unserer Bethlehem-Gemeinde freuen wir uns immer über ein neues Gesicht und ganz besonders über junge Leute. Geh ruhig hin... Erfried. Den Namen habe ich doch richtig behalten?"

"Ja, Herr Kaiser, das haben sie. Nun, dann will ich nicht länger stören. Einen schönen Tag noch! Und grüßen sie auch ihre Frau, die Frau Kaiser recht schön von mir."

"Das werde ich machen. Möchtest du vorher noch einen Saft trinken oder so? Es ist ja heute schon richtig sommerlich warm, da könntest du doch Durst haben."

"Das ist wirklich sehr, sehr nett, Herr Kaiser. Vielen Dank! Aber ich habe jetzt noch keinen Durst. Auf Wiedersehen!"

"Auf Wiedersehen, Erfried! Viel Spaß mit Bernd und im Gemeindehaus!"

Bloß weg, bevor Herr Kaiser womöglich Begleitung zum Gebäude der Bethlehem-Gemeinde anbot, damit er auch ja nicht fehlginge. Großer Gott! - Eilig verließ er beschauliche Siedlungsstraße. Abstumpfende Umptatamusik schallte Misslaune fördernd noch gutes Stück Wegs hinterher, verwehte dann endlich, nachdem er in die Hauptstraße der Siedlung einbog. Warmer Tag. Mittlerweile zwickten unter dem Hemd versteckte Sigurd- und Tom-Prox-Schmöker. Trotzdem erleichtertes Durchatmen.

Da bin ich noch mal davongekommen. Das fehlte mir jetzt gerade noch, diesen grässlichen Bruder Tobler und dessen ganze fromme Gesellschaft am Halse haben und mir dieses Gesäusel antun. Und dann beten die sicher noch ganz fürchterlich viel. Außerdem muss ich danach bestimmt die gesamte Bibelstunde dableiben. Grausig! Den ganzen Nachmittag versaut und den Abend ebenfalls. Da fiele mir nicht einmal ein vernünftiger Grund ein, mich rechtzeitig wieder abzuseilen. - Schade nur, wegen Bernd. Eine oder zwei Stunden mit ihm wären sicherlich nett verlaufen.

Unentschlossen blieb er am Rand der Siedlung stehen. Ohne wirkliche Absicht stracks dorthin geraten, wo keine Häuser mehr standen. Steil bewaldeter Hang zur Höhe der Ronnburg. Leichter Wind rauschte in Bäumen. Bergab schlängelte die Straße, während rechts teilweise asphaltierter Weg zur Hochfläche führte. Aufwärts verschwand dessen Strecke, gesäumt von dichten Hecken, dunklen Tannen und wenigen Laubbäumen.

Beklommenheit kam auf. Längst zerstob seine Überzeugung, Perchtens seien ganz normal harmlose Leute. Was die alte Gräfin Dahlendorf gestern erzählte, passte nicht ins zuvor gehegte Bild. Ingomar hin oder her! Deren Aussage, nichts sei verbürgt, beruhigte keineswegs. Ihm widerfuhr gleichfalls nirgendwo Verbürgtes. Nicht einmal selber bürge er wirklich dafür. Alles schien schlicht unwahrscheinlich und verrückt, Ausgeburt geistiger Verwirrung, von Krankheit. Innerhalb weniger Tage deckte es vormalige Abenteuerlust überreichlich.

Unversehens stand er weit im kleinen Hangwald, schaute erstaunt. Gedankenverloren musste er einen Schritt vor den anderen gesetzt haben, einfach dem Weg nach. - Wie bin ich so schnell hierher gekommen? Bin ich zielgerichtet losgegangen? Auf inneren Zwang hin?

Ach was, Unsinn! Mir brummten Gedanken im Kopf herum und ich achtete nicht auf den Weg! So muss sein, dachte er. Aber er fühlte auch leises Unbehagen.

Weshalb hielt er auf ein Ziel zu, das er scheute? Geheimnisvoll vereinnahmende Kräfte, von den Leuten der Ronnburg ausgesandt? Zog ihn doch vor Tagen... wann? es schien bald unendlich... vor Tagen bereits Ingomar in ganz gleicher Weise und nur durch Gegenwart in den Bann. Und dies an einem Ort, kleiner Bahnhofshalle, wo man Auswirkung rätselhafter Kräfte nicht entfernt erwartet. In Erfrieds Vorstellung geschah so etwas nur in Umgebungen, die selbst geheimnisvoll und zauberisch. Welchen Zauber besitzen kleinstädtische Bahnhofshallen? Wartete Ingomar in Wahrheit auf ihn, zumindest von da an ausersehen? Gar keine andere Wahl?

Ach, Unfug! Das bilde ich mir nur ein. Ingomar sagte doch, er habe auf seine Leute gewartet. Welchen Grund sollte er für so eine Ausrede haben? Ebenso gut brauchte er gar nichts sagen, weil er ganz genau wusste, ihm schlich ein Junge hinterher. Er wusste es aber nicht!



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