Am Ende der Idiotenrennbahn stand das Gebäude des älteren von zwei Kinos. Kleines Stück rechts nach hinten versetzt, in schmutziges Ockergelb gehüllt. Voraus flüchtete die Hauptstraße endgültig aus der kleinen Stadt, vorbei an einem Kindergarten und einigen gutbürgerlichen älteren Häusern. Dahinter dehnte hügelige Landschaft mit mittleren Bergen, bewachsen von Bäumen, Hecken und Büschen. Ferner ab, auch größere Wälder. Zusätzlich fand gemaches Flüsschen schmales Bett durch sumpfige Wiesen, verschwand nach wenigen Biegungen aus dem Blickfeld. Viel befahren führte die Straße in weitem Bogen davon. In der Ferne unsichtbar, wollte ihr geteertes Band zuviel Blick auf andere Weltdinge hindern. Alles verfolgt von kahlen Telefonmasten und deren Drähten.
Der seltsame Fremde mit dem langen Fingernagel sprach kurz mit einem Autofahrer, welcher überraschend neben ihm anhielt und die Seitenscheibe herunterkurbelte. Offenbar Wegauskunft gewünscht. Nach zeigenden Gesten und knappem Kopfnicken ging der jüngere Mann weiter. Vorsichtig folgte der Junge, wollte eigenartigen Fremdling um keinen Preis aus Augen verlieren.
Längst blieb alle Alltagsgeschäftigkeit kleinstädtischer Ladenstraßen zurück, machte ländlich wirkender Umgebung Platz. Unterschiedliche Obstbäume und Gärten lagen beiderseits des Wegs. Meist hinter hohen Hecken. Die Hauptstraße bereits weitab. Nur noch durch verwaschene Rädergeräusche auf ihr fahrender Autos und deren Motorenbrummen gewiss. Restliches absteigend leiser. Schließlich verstummte der Verkehr, versank im Abstand. Vogelstimmen dünnten in warme Luft frühsommerlichen Tages. Wolken zogen, verhängten den Himmel und sahen so aus, als regne es bald. Träge Schwüle. Bräche am sechsten Tag des Juni erstes Sommergewitter los?
Durch kleines Waldstück führte teilweise gepflasterter Weg bergauf. Hecken verdeckten fast alles. Nur der Kopf des zügig voranschreitenden jüngeren Mannes lugte immer wieder mal heraus, hinterließ dem Jungen das befriedigende Gefühl, 'der mit dem langen Fingernagel' habe nichts bemerkt. Auf der Anhöhe oben endete jenes Waldstück fast abrupt.
Ganzes Stück über freie Wiesenfläche entfernt, stand ein zweistöckiges Haus mit spitzem Schieferdach, nah dichtem Hain aus dunklen Bäumen. Fast nicht zu sehen, abgeschirmt von dickem Strauchwerk, überwucherter Umzäunung und vielen hohen Bäumen im weitläufigen Garten. Nur unauffälliges Gattertor versprach Durchlass in parkähnliche Ausmaße. Und durch dieses verschwand der seltsame jüngere Mann, schloss es aber nicht ganz. Nachlässigkeit oder Absicht?
Beklommen schlich der Junge näher, nachdem er verborgen hinter einem Busch am Waldrand wartete.
Beim Gatter endete der Weg keineswegs, sondern führte als Feldweg über die Anhöhe hinweg um den vergleichsweise riesigen Garten herum zum verfilzten Hain. Würzig roch es nach Sommerwiese. Ausgedehnter Wald im weiteren Hintergrund. Dessen Bäume wirkten wie grüne Wesen auf Wanderschaft über Kuppen, Berge, Hügel und Senken.
Noch nie betrat der Junge den Hain, fand ihn unheimlich, wusste aber, dieser Ort heiße 'Ronnburg'.