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Abermal, Kapitel 15, Seite 06

flackert


"Womöglich sind diese Leute Pantheisten, wie Goethe einst. Goethe mochte nie Muselmann werden, weil er nicht an einen personalen Gott glaubte. Und der Allah des Koran ist ein personaler Vatergott, eigentlich kein anderer, als der Gott der Bibel. Trotzdem eine unerfreuliche Angelegenheit! Ich bin gläubige Protestantin!" Ihre letzten Aussagen klangen sehr entschieden.

"Das käme da schon eher hin, meine Dame. Ich habe einmal über solches gelesen", meinte der ältere Beamte nachdenklich. "Auch eine andere der bekannten Weltreligionen kommt offenbar nicht in Frage. Zwar stand ganz kurz Freundliches zum Buddhismus in jenem Büchlein, aber die Möglichkeit eines Übertritts verneinte dieser Herr Perchten, weil es eine ausgesprochen asiatische Lehre sei, deren Gepflogenheiten sich nur aus diesem Kulturkreis nähren können. Ich weiß das noch so genau, weil es mir sehr auffiel. Wie sie wissen, spuken derzeit so seltsame indische Gurus herum, seit jene albernen Schreihälse von dieser englischen Krachkapelle damit zu Gange sind. Beatles, heißen die, glaub' ich."

"Oh ja! Eine unangenehme Angewohnheit!" bestätigte sie nachdrücklich, ließ jedoch offen, worauf genau bezogen.

"Jedenfalls nahmen Perchtens, die jetzigen und deren Vorfahren, in seltenen Fällen dennoch Verbindung mit einigen sehr wenigen Leuten am Ort auf. Schon zu allen erinnerlichen Zeiten. Diese verkehrten dann nur noch mit ihnen, redeten jedoch nicht über das, was sie erfuhren, veränderten sich mit der Zeit immer mehr, wurden genauso zurückhaltend zu ihrer Umgebung. Von den meisten ist bekannt, dass sie irgendwann... hm... fortzogen. Niemand sah sie wieder oder hörte von ihnen. Sie verschwanden richtiggehend. Deshalb ist auch schon von Opferungen die Rede gewesen. Obgleich es nicht sinnvoll scheint, wenn zwischen Bekanntschaftsbeginn und dem Fortgang Jahre, viele Jahre lagen. So etwas geschähe rasch und unauffällig. Auf keinen Fall ließe man zu, dass eine enge Verbindung bekannt wird. Und das war bekannt. Schließlich fiel es den Leuten in unserer kleinen Stadt schnellstens auf. Hier kann man so etwas nicht veranstalten ohne deutliche Hinweise, denen dann auch die Polizei nachgehen müsste."

"Und solches gab es nicht?" fragte sie dringlich, plötzlich hell aufgeschreckt.

"Mir ist nichts jemals bekannt geworden. Nur Gerüchte, die bei genauerem Nachforschen haltlos werden oder zu sein scheinen. Und, wie gesagt, ich bin ein alter Einheimischer am Ort. Aber dennoch bleibt stets ein sehr merkwürdiges Gefühl bei einem zurück, ein seltsamer Beigeschmack. Warum, kann ich ihnen nicht sagen. Wilde Mutmaßungen unterlasse ich..." Er verstummte gedämpft.

"Gefühle täuschen einen manchmal, da haben sie recht", gestand Frau Gundeleit nachdenklich, von neuem schwer beunruhigt. "Aber in vielen Fällen ist es sogar sehr angebracht, auf seine Gefühle zu achten, sie nicht verwerfen. Als Frau, weiß man das sehr gut."

"Sicher, gnädige Frau. Männer sind in dieser Hinsicht etwas anders gestrickt oder von ihrer Erziehung her weniger in der Lage. Haben es einfach nicht gelernt, ihren Gefühlen genug Beachtung zu schenken. Jedenfalls nicht bei solchen Angelegenheiten. Schließlich lieben Männer genauso tief und hingebungsvoll, wie Frauen. Aber bei so was? Jedenfalls wage ich es nicht so leichthin, unterschwellige Ansichten offen zu legen."

"Würden sie es denn vielleicht für mich wagen, lieber Herr?" bat sie und schaute ernst in bernsteinfarbene Augen des altgedienten Polizeibeamten. "Sehen sie, was sie mir da soeben andeuteten, ist alles andere als beruhigend für mich, macht mir den Anschein, als müsste ich doch um meinen Jungen fürchten. Sie sagten, alle veränderten sich auf unerklärbare Weise und seien später sogar spurlos verschwunden?"

Der Beamte kratzte zweifelnd verlegen sein Kinn. Dann schüttelte er den Kopf und meinte: "Es tut mir leid, liebe Frau. Bitte verstehen sie, wenn ich als Beamter auf keinen Fall unbeweisbare Behauptungen von mir gebe. Träfen wir uns rein privat und nicht in der Wache hier, dann läge die Sache etwas anders, wenn auch nicht sehr viel anders. Aber so? Nein, bedaure! Ich habe ohnehin schon mehr gesagt, als es einem Polizeibeamten im Dienst gestattet sein sollte. Aber ich darf ihnen durchaus zuraten, auf ihren Jungen und seinen Umgang ein genaues Auge zu haben..." Vielsagend brach er ab.

Eleonore Gundeleit begriff, verstand geäußerte Vorbehalte. Amtlich schien nichts begründbar, was hinter vorgehaltener Hand über jene Herrschaften von der Ronnburg gemunkelt. "Auf jeden Fall danke ich ihnen sehr für ihre viele Mühe und Freundlichkeit, meine Herren. Auf Wiedersehen!"

Wegen anderem Sachverhalt nun genauso beunruhigt wie vordem, verließ sie die Wache, tief gefangen in sorgenvolle Gedanken. - Ich werde mit Erfried darüber reden müssen! Und wenn alles nichts hilft, muss ich ein erzieherisches Machtwort sprechen und auch den Pastor ins Vertrauen ziehen. Schließlich sind Pantheisten keine Christen, sondern genaugenommen Heiden. Wenn es bloß nicht um schlimmeres als Pantheismus geht. Es gibt ja auch Satans- und Hexenkult!

Sie erinnerte erschreckende Zeitungsberichte über scheußlichste Orgien und blutige Opferfeste bei Vollmond. Und dann gerieten ihr auch noch anders gelagerte Bestrebungen im Hitlerreich ins Gedächtnis, als ganz ähnliche kirchenfeindliche Dinge umgingen. Entsetzlich!



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