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Abermal, Kapitel 08, Seite 02

flackert


"Psst! Nicht so laut! Wenn das meine Mutter hört, kriege ich das die nächsten Wochen aufs Butterbrot geschmiert. Und wir dürfen uns dann auch nicht mehr sehen." Rasch sicherte er zum Haus. Aber die Luft schien rein. "Du hast ja recht. Ich mag den auch nicht besonders. Der ist so... so... wie ein Racheengel."

"Racheengel?" höhnte Erfried nachdrücklich. "Der Kerl ist eine böse alte Mumie! Ist der überhaupt noch am Leben oder tut der nur so? Wo wohnt der denn? Auf dem Friedhof, fünfte Reihe links, Gruft einundzwanzig?"

Bernd kicherte fröhlich über Erfrieds wenig ehrerbietige Vergleiche. "Ich hab' auch schon mal aufgepasst, ob Bruder Tobler im Spiegel zu sehen ist und kein Vampir."

"Und?" grinste Erfried breit.

"Im Spiegel sah der leider genauso hässlich aus, nur andersrum." Beide Jungen schüttelte unterdrücktes Gelächter. "Leider zerfällt Bruder Tobler auch nicht an der Sonne. Dabei ist der aus Siebenbürgen." Erneut prusteten sie lebhaft. "Seit ich mal ein Kinoplakat mit dem Drakula sah, ist mir das immer im Kopf rumgegangen. Der Drakula hatte da auch so rote Augen."

"Vielleicht ist der Prediger ja ein bekehrter Untoter und beißt zu Hause immer vorsorglich in die Bibel rein." Erfried machte Bernd vor, wie es aussehen könnte. Bernd gluckste vor Vergnügen. Abermals lachten sie bemüht unterdrückt. "Vielleicht gibt's ja auch Vampire, die nur am Abend spitze Eckzähne kriegen", kicherte Erfried.

"Danach habe ich auch schon geguckt."

"Ja, und?"

"Nichts! Es waren immer noch die gleichen Pferdezähne."

Kein Halten mehr. Kindliche Unbekümmertheit schmetterte in stille Reihenhaussiedlung. Schallendes Gelächter. Bernd hielt es nicht auf den Beinen, hämmerte Fäuste auf Terrassenfliesen. Hellauf lachend warf Erfried sein gesamtes Gewicht in die Hollywoodschaukel zurück. Quietschende Geräusche beanspruchten Gartenmöbels. Erschreckt flogen aus einigen Bäumen Vögel davon und eine Nachbarin schaute zwei Häuser weiter erstaunt um die Ecke.

Beide bemerkten es gar nicht, taten das, was richtige und ganz normal fröhliche Bengel tun: Über doofe Leute lachen! Ungeachtet des Alters, hat dazu jeder das Recht. DBD DHKP (Doof bleibt doof, da helfen keine Pillen)! Allerletztes Eis zwischen ihnen schmolz, Freundschaft entstand.

"Na, von euch beiden scheint ja keinem mehr irgendwas zu fehlen", meldete Bernds Mutter aus der Terrassentür. "Was habt ihr denn Lustiges gesehen?"

Au weia! Jetzt nur nichts durcheinanderbringen! Erfried sammelte seinen Verstand, während die Hollywoodschaukel wie wild hin und her schwang. Bernd versteckte sein Gesicht dahinter und kicherte hemmungslos.

"Ach, ich habe Bernd gerade den Witz vom Frosch erzählt, der in den Molkereiladen kam", log Erfried gickelnd aber geistesgegenwärtig.

Frau Kaiser glaubte es wohl nicht voll und ganz. Aber in ihrer übertriebenen Frömmigkeit nahm sie das beste in diesem Fall an und lachte. "Ja, den kenne ich auch seit meiner Kindheit. Der ist immer lustig. - Bernd, denkst du bitte daran, dass du bald zur Bibelstunde aufbrechen musst?"

"Ja, Mama!" gniggerte der gemahnte unter der Hollywoodschaukel hervor.

Begleitet von immer wieder aufflackerndem Gelächter stiegen beide in Bernds Zimmer hinauf. Bernd packte Sachen für die Bibelstunde in kleine Mappe, auch den scheußlich grauen Band biblischer Geschichten von Bruder Tobler. Sie grinsten dabei einverständlich.

"Soll ich dir die Schmöker hier lassen oder ist das zu gefährlich?" Erfried sah Bernd Kaiser von der Seite an.

"Ich könnte sie im Warmluftschacht verstecken. Jetzt wird ja eh nicht mehr geheizt."

"Und die können da auch nicht runterfallen?"

"Nein, nein, keine Angst. Hier schau mal..." Leise öffnete Bernd die Vergitterung und leuchtete lächelnd mit kleiner Taschenlampe hinein. Er zeigte auf breite Aussparung in der Ausmauerung, dann schloss er das Gitter wieder. "Ich packe sie ein in dunkles Papier und klebe das dort einfach fest."

"Müsste gehen", bestätigte Erfried zufrieden. "Platz genug ist da auch so. Möchtest du den Rulaman lesen?"

"Au ja, gerne! Den muss ich nicht verstecken."

"Pass aber bitte darauf auf. Das Buch hat mir meine Mutter zu Weihnachten geschenkt. Ich möchte es also irgendwann wiederhaben."

"Natürlich, Erfried! Ist doch Ehrensache!"

"Ich mach' mich dann schon mal auf die Socken, Bernd. Wir sehen uns morgen in der großen Pause. Wiedersehen!"



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Mannie Manie © 1999
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