Seite vorher
Seite weiter
Kapitel vorher
Kapitel weiter
Kapitelliste

 

Abermal, Kapitel 26, Seite 02

flackert


"Bist du dir sicher?" Erfried klang ungläubig.

"Im Augenblick schon. Aber wir sollten machen, dass wir hier wegkommen. Er ist stärker geworden, will noch stärker werden, weshalb er wieder umherstreift. Ich kann nicht sagen, was geschieht, wenn er ein neues Opfer findet. Womöglich kann ich ihn allein dann nicht mehr aufhalten, geschweige vertreiben. Dieses neue Opfer könnte ihm sogar für den endgültigen Schritt herüber genügen. Jedenfalls müssen wir schnell weg. Und du musst zu deiner eigenen Sicherheit mit mir kommen, Erf! Zuhause bei dir in der Bachgasse bist du nicht mehr sicher. Er hat es auf dich abgesehen, weil du ihn als einziger sehen kannst. Wo du bist, sind alle anderen in höchster Gefahr. Deine kleine Schwester, deine Mutter und auch jede andere Person. Der Räuber der Farben wird sie mühelos wie lästige Fliegen beseitigen oder als willkommene Auffrischung seiner Kraft in dieser Welt übernehmen."

"Aber wohin soll ich denn mitkommen?"

"Das ist aber eine alberne Frage, junger Freund. Du musst mit zur Ronnburg. Dort bist du weitgehend in Sicherheit und..."

"Aber du sagst doch, ich bin eine Gefahr für andere!"

"Wir können uns schützen. Aber die anderen Leute sonst kennen keine Schutzmöglichkeiten vor dem Glanzdieb. Und wir sind nicht allein, können zur Not sogar in die Sicherheit der Wälle fliehen."

"Ich muss morgen zur Schule und meine Mutter macht sich riesige Sorgen, wenn ich einfach verschwinde!"

"Da finden wir schon eine Lösung. Wir werden gleich zur Bachgasse gehen. Sollte deine Mutter zuhause sein, dann sage ich ihr, du bist für ein paar Tage bei uns eingeladen. Deine Schulsachen nehmen wir mit. Wir können dich vorerst in deine Schule bringen, wenn's denn gar nicht anders geht, auf dich achten und wieder von dort zurückfahren. Ansonsten schreibst du deiner Mutter eben eine ganz ähnliche Nachricht. Ich schreibe auch noch was dazu. Dann wird sie sich keine Sorgen machen. Wegen der Schule, kann man dann weitersehen. Du könntest dir ja beim Rumtoben den Fuß verknackst haben und nicht laufen können."

"Na, das müsste aber doch ein Arzt bescheinigen können..."

"Finden wir schon einen! Keine Sorge! Erst mal musst du in Sicherheit sein. Allein bist du schutzlos. Du kannst nicht mehr so weiterleben wie bisher!" Ernsthaft sah Ingomar den Jungen an, stand auf und nahm ihn am Arm. "Komm! Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Da hinten habe ich das Auto geparkt."

Erfried wusste, Ingomar redete kein leichtfertiges Zeug. Aber so unvermittelt aus seinem Lebensverlauf herausgerissen... Beklemmend! Was erwartete ihn? Alles vollkommen fremd, als wandere er unvorbereitet in gänzlich unbekanntes Land aus. Andererseits schleuderten ihn die Ereignisse schon vor Tagen aus bisherigem Leben. Er wollte es nur nicht endgültig wahrhaben, klammerte an verbliebene Reste gewohnten Verlaufs.

Unbeschwertes Leben vorbei! - Wenigstens Reinhild und seine Mutter musste er vor dem Würger bewahren. Womöglich gefährdete er auch noch seine Schulfreunde. Günter Meinrad hat das nicht verdient. Sein bester Freund! Und selbst, wenn nicht...

Rasch, aber nicht übermäßig hastig, verließen sie die winzige Grünanlage, blieben jenseits vom Bahnhof. Ingomar wies wortlos in Richtung des Parkplatzes bei den Bushaltestellen, unweit nahem Postamt. Ohne Umschweife hielt er dort auf einen Opel Admiral zu, schloss auf, öffnete eilig die Beifahrertür und winkte fordernd.

"Donnerwetter! Das ist ja eine ordentliche Kiste", meinte Erfried anerkennend, noch nie Vergnügen solchen Wagens genossen. "Ist das dein Auto?"

Ingomar startete den Motor und sah lachend hoch. "Nein, das ist das Auto meines Vaters. Ich selbst fahre einen neuen Käfer, nachdem ich bisher mit einer Ente rumkutschierte. Aber ich finde dieses Gefährt natürlich erheblich besser, wie du ja offenbar auch. Komm, steig' ein! Wir müssen los!"

Unschlüssig blieb der Junge erst stehen, hockte dann nur halb auf den Beifahrersitz, Wagenschlag offengelassen. Bedenken quälten. Misstrauisch forschend sah er Ingomar von der Seite an. - Der ist nicht das, wofür er sich ausgibt! Was veranstaltete er unübersehbar in der kleinen Grünanlage? Ist er doch ein Alp, ein Schwarzwesen? Immerhin musste er über Kräfte verfügen, normalen Menschen unmöglich oder unbekannt. Und er beherrschte sie offenbar bestens. Und was wollten Perchtens mit ihm tatsächlich anfangen, einem halbwüchsigen Jungen von nicht ganz dreizehn Jahren? Brauchten sie doch ein Opfer für dunkle Zwecke? Und was ist, wenn sie mit dem Dieb des Glanzes unter einer Decke steckten, die Vorstellung vorhin nur eindrucksvolle Beruhigungspille? Fiel er hier und jetzt nur besonders abgefeimter Täuschung zum Opfer?

"Was ist, Erf? Warum steigst du denn nicht endlich richtig ein und machst die Tür zu?" fragte Ingomar etwas ungeduldig, kuppelte bereits.

"Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich mitkommen soll."



Alle Rechte vorbehalten
Mannie Manie © 1999
Unentgeltliche Weitergabe erlaubt!

weiterblättern: nächste Seite