Was für einen Blödsinn du denkst! Das ist doch alles nicht wichtig! Was soll schon passieren? Dieser Körper bist du nicht selber, sondern nur deine Hülle, dein Hilfsmittel. Lass' ihn stürzen, wenn es sein sollte. Du wirst wieder nach oben schweben oder einfach auf der Stelle bleiben. - Wirklich? - Egal! Ich muss es wagen! Besser in den Tod stürzen, als für immer in dieser Verschwommenheit gefangen!
Und es bliebe auch so, stand in jenen unverbürgten Augenblicken als einziges außer Frage. Unterschiede zwischen Tod und diesem Zustand ohne echte Klarheit bestünden nur sehr gering. Vorher auch nicht bei Bewusstsein, ahnte und kannte er nichts, erwachte aus irgendetwas, dessen Eigenschaft dem Tod gleichkam.
Seine Befürchtungen schienen zumindest an dieser Abstiegsstelle unbegründet. Nur zweimal bangte er, glitt aus und stürzte fast, hielt jedoch glücklich sein Gleichgewicht. Auch wies dieser Abhang nicht so tief und steil ins Unbekannte, wie erst vermutet. Es lag wohl an drängender Dunkelheit unten, welche keinen Einblick von oben zuließ. Während ihm vieles wirr durch den Sinn kreiste, erreichte er vermutliche Sohle der Senke.
Inzwischen herrschenden Schummer gewöhnt, nahmen Augen viel mehr auf, oder was immer als Augen diente. Ohnehin geringe Helle floss spärlich über den Kamm nächst steigenden Hanges. Selbst die Hand vor seinem Gesicht sah er kaum, ahnte eher, sie müsse da sein. Erfreut stellte er fest, wie gut fremde Gliedmaßen gehorchten und Dienst versahen, brauchte also kaum sorgen, er komme mit überraschendem Körper und dessen Gliedern nicht klar. Es geschah nur vollkommen anders. Tasten und Fühlen, vom menschlichen Körper unerfindlicher Gründe bestens bekannt, wurde hier durch Gewissheit ersetzt. Selbst Licht benötigte er wenig, sah trotzdem hinreichend. Er schaute hoch, zurück zur Abstiegsstelle.
Oberteil wallartiger Erhebung lag matt beleuchtet vom bläulich nebelnden Licht aus Waldtiefe. Unscharf glitt es über Saum gleicher Anhöhe voraus. Steil ragende Bäume überdachten alles, Büsche, Unterholz und anderes Zweigwerk darunter. Im geisterhaften Zwielicht erkannt, es könnten durchaus Wälle oder Dämme sein. Entweder natürliche, oder aufgeschüttete. Jedenfalls wirkte diese Senke vielmehr wie großer tiefer Graben. Hohlweg, eingeschnitten in Erde. Scheinbar folgte dessen Strecke weitem Bogen zwischen langgezogenen Höhen.
Das hieße, folge er einfach Dammkämmen oder Senkensohle, käme er stets wieder zum Ausgangsort. Aber in flimmernder Dunkelheit hier unten mochte er nicht gehen. Außerdem wollte er zur Mitte, dorthin, wo das blasse Blaulicht herkam. Er sah zur anderen Seite, suchte nach leichtem Aufstieg zum Kamm nächsten Walls. Unentwegt tanzten Lichterbällchen verwunderlichen Reigen hoch oben, sprangen offenbar regellos durcheinander.
Beim nächsten Schritt stolperte er, geriet aus dem Gleichgewicht, strauchelte, stürzte volle Länge kopfvoran in stachelndes Gesträuch. Bislang unsichtbar! Funken stoben augenblicklich heraus, bildeten breit schwirrende Wolke blinkender Pünktchen, summten und surrten wie aufgescheuchter Hornissenschwarm, kreisten wirr um die Sturzstelle. Wild sausten blitzende Lichtfunken in Wallkammhöhe, jagten wieder herab, umschwirrten ihn und niedergedrücktes Gebüsch, prickelten und pieksten auf freiliegender Haut.
Ich habe mich schon zu sicher gefühlt! - Ärgerlich und erschrocken erwartete er jederzeit wütenden Angriff winziger Blitzer, welche rachedurstig dem Störenfried alles heimzahlen wollten... Geschah nicht. Erleichtertes Durchatmen. Aber: Klang in bisher stummer Welt! Vorher nicht vorhanden oder nicht gehört! Jetzt Summen und Brummen, knisterndes Schwirren, nadelnd stechender Niederschlag auf ungewohnt empfindliche Haut.
Er musste nackt sein! Nackt in Dornengebüsch gefallen! - Dennoch kein Schmerz. Und dabei stürzte er ungebremst in stacheligen Busch. Jeder Mensch erlitte schlimmste Schrammen, schrie wenigstens laut. Nichts dergleichen, obwohl er genau spürte, wie hart gespitzte Haken Haut durchstießen, tief im Fleisch bohrten.
Kein Schmerz! - Wenigstens dieser Vorteil gegeben, in seltsamer Welt aus wogendem Wald, brodelnder Dunkelheit, tanzenden Irrlichtern und bläulichem Glosen in der Ferne.
Während tobende Fünkchen stoben, rappelte er seine Nacktheit aus dem widerlichen Strauch, tastete über die Haut. Zwar fühlte er weiterhin nichts, stellte aber ob neu entdecktem Gewissheitssinn keine ernsthafte Verletzung fest. Hier und da staken Stacheln... leicht herausgezogen. Schmerzte nicht. Alle Wunden heilten in Windeseile. - Tolle Sache! Wenn das nur immer so ginge!
Verwundert und erfreut über unerwartet günstige Umstände tastete er weiter, hielt inne... Zwischen glatten Schenkeln männliches Glied und dazugehörender praller Hodensack. Empfindliche Nüsse darin. Alles umkränzt von zart wolligen Haaren. - Mit Sicherheit männlich und offenbar erwachsen!